
Spektakuläres Klettervideo Drohnen-Dreh am Trango-Turm
Es ist eine Region der Superlative. Der Baltoro-Gletscher ist mit rund 60 Kilometern einer der längsten der Welt, in seiner Umgebung ragen sieben der 25 höchsten Berge der Erde in den Himmel, darunter der K2, mit 8611 Metern zweithöchster Gipfel der Welt, und drei weitere Achttausender.
Diesen Felsriesen ganz nah zu sein war bislang Bergsteigern vorbehalten. Einem internationalen Filmteam sind jetzt spektakuläre Aufnahmen gelungen: Es ließ ferngesteuerte Fluggeräte mit eingebauter Kamera über die Landschaft schweben und verfolgte so die beiden österreichischen Bergsteiger David Lama, 22, und Peter Ortner, 29, am Trango-Turm, einer Granitspitze in einer Gipfelkette. Die Felsnadel mit ihren 6251 Meter Höhe gilt als extrem schwierig: "Mittendrin ragt eine 1000 Meter hohe Wand senkrecht nach oben", sagt Lama.
Die Schweizer Firma Dedicam, spezialisiert auf Filmaufnahmen per Drohnen, entwickelte einen leichten, unbemannten Hubschrauber eigens für diese Expedition. "Die Herausforderung bestand darin, ein Gerät zu bauen, das in solch extremen Höhen fliegen kann", sagt Firmenmitinhaber Dionys Frei. Zwei Hubschraubertypen wurden in Pakistan eingesetzt: einer mit vier Rotoren, der eine kleinere Kamera tragen kann und bis zum Gipfel des Trango-Turms flog, und einer mit sechs Propellern für eine schwerere Kamera.
Fernsteuerung mit Computerbrille
"Solche Hubschrauber oder Drohnen werden von verschiedenen Spezialfirmen gebaut, aber die für den Einsatz in den Bergen haben wir selbst konstruiert", sagt Frei. Zwischen 1000 und 40.000 Dollar kosten die Fluggeräte. Die in Pakistan eingesetzten Drohnen wogen weniger als zehn Kilogramm.
Bis zuletzt war unklar, ob es klappen würde. "Eigentlich sollte es kein Problem sein, mit den Geräten zehn Kilometer oder noch weiter zu fliegen. Aber nach zehn Minuten begann der Akku zu schwächeln." Außerdem befürchteten die Filmleute zunächst, die große Höhe und der damit niedrigere Luftdruck könnten Probleme bereiten. Die Sorgen waren unbegründet - alles hat reibungslos geklappt, keiner der insektenähnlichen Flieger stürzte ab.
Üblicherweise werden die Drohnen so geflogen, dass sie immer im Sichtfeld bleiben, höchstens 180 Meter weit. "In diesem Fall hatte der Pilot mit der Fernsteuerung eine Brille auf, durch die er live die Bilder der Drohne sah", beschreibt Frei die Arbeit. "Als säße er quasi im Cockpit."
Entstanden ist Filmmaterial, das eine atemberaubende Landschaft aus ungewöhnlicher Perspektive zeigt: Schotterpisten entlang tiefer Schluchten, entlegene Bergdörfer, Blicke in tiefe Gletscherspalten und schließlich die Kletterer am Trango-Turm. Der Einsatz eines bemannten Hubschraubers wäre viel teurer, so nahe an den Massiven zudem kaum machbar. "So sind Aufnahmen entstanden, wie sie noch nie jemand gesehen hat", sagt Corey Rich, ein Filmer aus Kalifornien, der Lama und Ortner zum Gipfel begleitete.
Man sieht den Kletterern beim Aufstieg zu. Sie aus der Entfernung zu finden war eine Herausforderung. Der Pilot lenkte die Drohne entlang der geplanten Route und entdeckte sie aus etwa zwei Kilometern Abstand. Immer wieder steuerte er seine Hubschrauber zu ihnen, so dass der Zuschauer sie auf Teilen ihres Weges zum Gipfel ganz nah begleitet.
Nicht schnell, sondern möglichst schwer
Entstanden ist die Idee zu diesem Film vor zwei Jahren, als Lama an 20 Meter hohen Felsen in England kletterte. "Damals wurden Drohnen eingesetzt, und wir waren begeistert von den Aufnahmen. Wir überlegten uns: Das sollten wir auch mal an einem richtig hohen Berg ausprobieren", berichtet er.
David Lama gilt als Ausnahmesportler. Der Sohn eines nepalesischen Sherpa und einer Österreicherin entdeckte sein Klettertalent schon im Kindesalter. Er gewann viele Klettermeisterschaften und konzentriert sich zunehmend auf den Alpinismus. "Auf einem Achttausender stand ich noch nicht, aber mir geht es auch nicht in erster Linie darum, einen Gipfel zu erreichen oder möglichst schnell oben zu sein, sondern darum, möglichst schwere Wege zu klettern", sagt Lama.
Kritiker werfen ihm vor, vor allem ein Meister der Selbstvermarktung zu sein. Bei einer Expedition zum Cerro Torre in Patagonien ließ Lama für ein Kamerateam neben seiner geplanten Route Fixseile anbringen und eine Menge Haken in die Wände bohren. Der 22-Jährige findet, Vermarktung gehöre zum Profi-Alpinismus dazu. "Die Leute schreiben Bücher, machen Fotos, halten Vorträge", sagt er. Was also sei falsch an Videoaufnahmen?
Von dem Film am Trango-Tower existiert bislang nur ein zweiminütiger Zusammenschnitt. Für ein Festival von Outdoor- und Bergfilmen soll eine Zehn-Minuten-Fassung entstehen, eine weitere, knapp halbstündige Version soll für das Fernsehen gemacht werden.
Begrüßt wird das Drohnenprojekt vor allem in Pakistan, wo solche ferngesteuerten Fluggeräte ein negatives Image haben: Seit Jahren führen die USA dort einen heimlichen Drohnenkrieg. Der Tourismus in dem Land ist nach 9/11 und dem anschließenden Kriegsbeginn im benachbarten Afghanistan eingebrochen.
2012 aber war ein überraschend gutes Jahr, zumindest für den Bergtourismus: Mehrere Expeditionen zum Gipfel des K2 gelangen, die Hotels im Norden des Landes waren zeitweise ausgebucht. "Pakistan ist ein Land, das unglaubliche viel Neues für Bergsteiger bietet", sagt Lama. "Dort gibt es viele Berge, die noch nie bestiegen wurden, und unzählige Wege, die noch nie jemand gegangen ist."