
Golden Jubilee Express: Ein feiner Zug
Golden Jubilee Express in Sambia Richtung Zukunft durch die Nacht
Kelvin Katowa ist an diesem Tag der wohl stolzeste Mann von Sambia. Der Golden Jubilee Express hat Verspätung, eine halbe Stunde schon - mindestens. Doch das ist dem sorgsamen Schaffner heute egal.
Seit November 2014 pendelt der Zug zwischen der Hauptstadt Lusaka und Livingstone im Süden, mal dreimal, mal einmal die Woche wie zurzeit. Die renovierten Waggons sind feuerrot und stammen aus Südafrika. Es gibt Klima- und Lautsprecheranlagen, Duschen, TV-Bildschirme und im hinteren Wagen ein Bordbistro.
Viele Gäste hat Katowa bisher noch nicht begrüßt. Das soll nun anders werden: Ein Filmteam vom nationalen TV-Sender ZNBC ist an Bord und will über den Zug - und natürlich über Katowa - berichten. Der kleine schmale Mann trägt schwarze Jeans und graues Hemd - vielleicht hat er heute seine Uniform vergessen.
Am Bahnsteig von Lusaka setzt sich die Diesellok in Bewegung. Auf dem Bahnsteig winken die Zurückbleibenden, Kinder laufen neben dem fahrenden Zug mit. Eine rumpelige Reise beginnt, die Waggons schaukeln wie Nordseekutter.
An Bord herrscht Aufregung. Das Fernsehen. Da soll doch alles tadellos laufen. So ganz klappt das nicht. Die Musik ist zu laut, die Luft zu kalt, die Willkommensansage läuft in Dauerschleife. Katowa lacht nervös und rennt den Gang runter: "Die Tür klemmt!", ruft er noch, Reporter und Kameramann auf den Fersen.
Draußen fliegt Sambia vorbei: Eine Frau steht in einem Maisfeld, vor quadratischen Ziegelhütten brennen Feuer, Kinder spielen barfuß zwischen Müll und Äckern. Der Zug ist für sie eine Attraktion im Alltag. Das Land ist flach und saftig grün. Jetzt, zur Regenzeit, wachsen Baumwolle, Erdnüssen und Tabak.
Die Sonne versinkt bald hinter grüngelben Gräsern, der Horizont ist noch eine Weile orange eingefärbt. Noch zwölf Stunden und 430 Kilometer bis zur Ankunft im tiefen Süden des Landes. Kelvin Katowa mag den Job im neuen Zug. Es sei "doch wunderbar", sagt der Schaffner, "wenn all die vielen Leute nach Sambia kommen".
Goldrausch in Sambia
Das Personal im Speisewagen ist tadellos gekleidet: die Köche mit weißer Kochkleidung, der Kellner in blauem Anzug. Hier sitzt Johan Botha aus dem südöstlichen Nachbarland Simbabwe. Klein ist er, rundlich, und er lacht gern. Sogar als er von seiner Angst vor Unruhen in seiner Heimat erzählt.
Er war in Lusaka, um die Lizenz für eine Goldmine zu bekommen, und fährt nun wieder heim. "Sobald ich die Lizenz habe, komme ich nach Sambia", sagt er. Der Goldgräber hat sein Business einst mit einem Metalldetektor für 5000 Dollar gestartet und damit bisher 600.000 Dollar verdient.
Sambia lebt von den Minen und ist abhängig vom Kupferabbau. Seit Jahrhunderten werden die Kupfererze im Norden - im berühmten Copperbelt - aus der Erde gefräst. Die Natur leidet. Wälder mussten weichen, Flüsse sind vergiftet, die Luft ist verschmutzt.
Der Copperbelt und der Export sind heute fest in der Hand chinesischer und indischer Firmen. Doch der Rohstoffpreis auf dem Weltmarkt sinkt. China kaufe weniger Kupfer, erklärt Botha. Bei dem Schweizer Rohstoffgiganten Glencore müssten die ersten Arbeiter gehen, 3800 sollen es in den Mopani-Minen sein, heißt es.
Sambias neuer Rausch sei das Gold, sagt Bohta, er wolle sich als einer der Ersten auf die Suche machen und nach Gold schürfen. Der Simbabwer spinnt Pläne vom großen Coup und grinst.
Statt auf einen Goldrausch setzt die Regierung auf mehr Touristen und eine Marketingkampagne. 300.000 neue Jobs in dem Sektor erwartet das Tourismusministerium bis 2016. Wie aber dieses Ziel erreicht werden soll, das erklärt es in seinem Entwicklungsplan nicht.
In Sambia finden Afrika-Abenteurer, was sie suchen: Natur, die Big Five, Nationalparks und Safaris, dazu die majestätischen Victoriafälle. Das Land ist für afrikanische Verhältnisse politisch sehr stabil. Zwar haben die Präsidenten in vier Jahren dreimal gewechselt, dies allerdings nur gesundheitsbedingt.
Der Golden Jubilee Express könnte zum von der Regierung erhofften Boom beitragen: Mit dem Zug erreichen Urlauber schneller und bequemer die Victoriafälle, die Wasserfälle liegen in der Nähe von Livingston, zwischen Simbabwe und Sambia, und zählen zum Unesco-Welterbe.
Leerer Zug, ruhige Nacht
Im Schlafwagen reisen aber lediglich zwei Backpackerinnen aus Neuseeland und China mit, die anderen Dreier- und Sechser-Abteile mit dunklem Holzfurnier und beigefarbenen Kunstlederliegen sind leer.
Wirtschaftlich gesehen ist die Zukunft des Zuges ungewiss. In Sambia reisen die meisten Touristen entweder individuell mit einem Camper, Van oder 4x4, mit einer organisierten Tour oder mit den sogenannten Overlandern, den großen Safari-Bussen, die Sambia, Botswana und Südafrika verbinden.
Für die Backpacker ist das "Abenteuer Nachtzug" mit 25 Euro für die einfache Fahrt günstig, für die Einheimischen teuer. Viele Sambianer fahren lieber Bus, das ist billiger. Nur einige Pendler schlafen auf den Plastikschalensitzen der zweiten und dritten Klasse, froh über das bisschen Komfort. Große Aufkleber an den Wänden zeigen Porträts von Politikern in Goldrahmen.
Kelvin Katowa sitzt allein im Speisewagen, sein Lächeln ist matt, sein Blick müde. Wie jede Nacht gibt es für den 32-Jährigen Maisbrei und Kürbisblätter. Manchmal schenkt ihm der Koch eine Tasse Kaffee ein. Echten Filterkaffee. Dann ist es eine gute Nacht. Immer wieder stoppt der Zug, auf scheinbar freier Strecke. Dann steigen vereinzelt Fahrgäste zu, manchmal werden Kartons, Pakete aus dem Fenster geworfen. In der Dunkelheit liest jemand sie auf.
Baobabs säumen die Bahnstrecke. Wind bewegt die Blätter der Sonnenblumen. Durch die offenen Fenster riecht es nach Diesel und Eukalyptus. Sonnenstrahlen wecken die Passagiere, lange bevor der schaukelnde Zug um 6 Uhr 30 im Bahnhof von Livingston eintrifft und mit einem Ruck stoppt. Zu den rauschenden Victoriafälle ist es nun nicht mehr weit.
Am Bahnsteig gibt Katowa dem TV-Team ein letztes Interview. Dann verschwindet er wieder im Zug. Dort läuft die Willkommensansage. Schon wieder in Dauerschleife.