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Rub al-Khali: Wasser unterm Wüstensand

Foto: Jörg Reuther

Saudi-Arabien Lichtzauber im Wüstensand

Gigantische Dünen, extreme Trockenheit: Die größte Sandwüste der Welt ist einer der kargsten Orte der Erde. Mit einem Forscherteam geht Fotograf Michael Martin in der Rub al-Chali auf die Suche nach Wasser.

Wer nach Saudi-Arabien reisen will, muss auf jede Menge verdutzte Reaktionen gefasst sein. Selbst den deutschen Grenzbeamten am Flughafen München bringt unser Ziel aus seiner Routine. "Fährt man da freiwillig hin?", fragt er erstaunt.

Als Wüstenfotograf unbedingt, hätte ich ihm antworten können. Denn seit mehr als zehn Jahren möchte ich diese Reise machen, die aber immer wieder an den Einreiseformalitäten scheiterte, weil Saudi-Arabien keine Visa für Individualreisende und unverheiratete Paare ausstellt. Und so fehlte die größte Sandwüste der Erde, die Rub al-Chali, bislang in meiner sonst vollständigen "Wüstensammlung".

Das Visum erhielten mein Freund Jörg Reuther und ich nun aufgrund einer offiziellen Einladung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ, früher GTZ). Die ist gemeinsam mit Dornier Consulting für das saudische Ministerium für Wasser und Elektrizität in der Rub al-Chali auf der Suche nach Wasser. Wir sollen deren Arbeit in der Wüste fotografisch dokumentieren. Das Rub-al-Chali-Projekt ist Teil einer landesweiten Initiative, bei der die gesamten Wasservorräte des Landes erfasst werden, um Daten für zukünftige Planungen zu erheben und politische Entscheidungen zu treffen. Das ist sehr wichtig, da das Königreich Saudi-Arabien zu einem der wasserärmsten Länder der Erde gehört.

Wir landen in der Nacht in Riad. Die Grenzbeamten sind freundlich und machen trotz unserer Kameras und Stative keine Probleme. In einem Firmenwagen werden wir zu einer der Wohnsiedlungen für Ausländer gebracht. Wir kommen im Haus von zwei deutschen Wissenschaftlern unter, die für das Konsortium arbeiten.

Am nächsten Morgen lernen wir ihren Chef kennen: Randolf Rausch, dem wir die Einladung zu verdanken haben. Die GIZ ist seit den achtziger Jahren mit Wasserprojekten in Saudi-Arabien tätig, derzeit leitet. Rausch zusammen mit Johannes Döhler von Dornier Consulting in Riad ein Team von 40 internationalen Wissenschaftlern.

Ein Hauch von Los Angeles

Unserer Gruppe aus drei deutschen Wissenschaftlern, einem Geologen des Ministeriums, zwei Hilfskräften und uns beiden Fotografen stehen vier gut ausgestattete Toyota Landcruiser zur Verfügung. Am nächsten Morgen rollen wir auf einer Ausfallstraße durch Riad, das mich mit seinen zweistöckigen Bauten, seiner enormen Ausdehnung und amerikanischen Fastfoodketten an Los Angeles erinnert. Die Straße wird bald schlecht. Nur wenige Fahrzeuge bewegen sich nach Süden. Dort gibt es keine größere Stadt, dort gibt es nur noch Wüste.

In dem kleinen Ort Haradh machen wir Mittagspause. In einem pakistanischen Restaurant werden Teller mit Ful, Linsen und Leber serviert. Es sind ausschließlich Männer im Restaurant, die Vorhänge sind zugezogen, die mittägliche Gebetszeit hat das öffentliche Leben für einige Minuten zum Stillstand gebracht.

Wir setzen unsere Fahrt auf einer gut ausgebauten, schnurgeraden Straße durch öde Wüste nach Osten fort, wollen wir doch in die südöstlichen und entlegensten Teile der Rub al-Chali. In Bata, Grenzstadt zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, treffen wir uns mit zwei Soldaten des Grenzschutzes. Ohne sie dürften wir uns gar nicht in diesen Gebieten aufhalten. Aber auch sonst ist die Rub al-Chali normalerweise kaum zugänglich.

Acht Cent für einen Liter Benzin

Die Soldaten haben unseren Konvoi auf fünf Autos anwachsen lassen, die nun mit 2000 Litern Benzin betankt werden. Der nepalesische Tankwart will dafür gerade mal 750 Saudi Rial, umgerechnet 160 Euro. Das sind acht Cent pro Liter! Ferner befüllen wir die Wassertanks und ergänzen unsere Vorräte in einem Laden, der in einem Container untergebracht ist. Die Soldaten bestehen auf dem Kauf einer Ziege, die an der Maschinengewehrhalterung ihres Landcruisers festgebunden wird. Endlich rollen wir wieder in die Wüste hinaus. Die Strecke führt unmittelbar an der stark gesicherten Grenze zu den Vereinigten Arabischen Emiraten entlang und ist geteert. Nach 200 Kilometern Fahrt schlagen wir unser Lager in den Dünen auf.

Jörg und ich sind beeindruckt vom logistischen Aufwand, den unsere Gastgeber treiben. Sie stellten Windschutzwände und Feldbetten auf, werfen einen Generator und schwere Gaskocher an.

Noch vor Sonnenaufgang sind Jörg und ich mit unseren Kameras in den Dünen unterwegs. Sie sind noch nicht sehr hoch, aber von makelloser Schönheit. Anders als es das Klischee vermuten lässt, werden die Wüsten der Erde nur zu einem Fünftel von Sand bedeckt: Geröll-, Kies- und Gebirgswüsten dominieren. Die Rub al-Chali dagegen ist eine reine Sandwüste und mit 780.000 Quadratkilometern die größte der Erde. Fast zweimal hätte die Fläche Deutschlands darin Platz.

Die hohen Dünen, das Fehlen von Oasen und die enorme Größe begründeten ihren Beinamen "Das leere Viertel". Sie wurde in den Jahren 1930 und 1931 erstmals von Bertram Thomas durchquert, zum Mythos in Europa machte sie der britische Abenteurer Winfred Thesiger, der hier in den vierziger Jahren jahrelang unterwegs war und die Auflösung der Beduinenkultur durch den beginnenden Ölboom dokumentierte.

Brunnenbohrungen für Ölriesen

Wir werden wohl keine Beduinen treffen, wollen wir doch in jenen Teil der Rub al-Chali, der von bis zu 300 Meter hohen Megadünen geprägt ist, die sich über lebensfeindliche Salzpfannen erheben. Das Wasser der meisten Brunnen wäre für Tiere und Menschen nicht zu trinken.

Wir haben das Ende der Teerstrasse erreicht und steuern auf einer versandeten Piste einen der vielen Brunnen an, die vom saudischen Ölkonzern Aramco gebohrt wurden, um Wasser für die Ölbohrungen zu gewinnen. Die Geologen unseres Teams beginnen trotz der Hitze konzentriert mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Sie nehmen Wasserproben und messen pH-Wert, Schwefelgehalt und die Salinität des Wassers.

Der Brunnen erschließt wie die meisten der gut tausend Brunnen der Rub al-Chali natürliche Grundwasserspeicher, die zum Teil in mehreren hundert Meter Tiefe liegen. Die Wasserproben sollen nicht nur Auskunft über die Qualität des Grundwassers geben, sie enthalten auch Informationen über das Wasseralter und das Klima zur Zeit seiner Entstehung. Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass der größte Teil des Grundwassers sehr alt und damit fossil ist.

Das Grundwasser wurde im Wesentlichen während der letzten Eiszeit gebildet, die vor etwa 10.000 Jahren endete. Danach folgte noch eine kurze Feuchtphase, die von etwa 6000 bis 4000 vor Christus dauerte. Von da an war das Klima ähnlich trocken wie heute. Das durchschnittliche Jahresmittel des Niederschlags liegt unter 50 Millimeter, was gerade so viel wie ein starker Gewitterregen in Deutschland ist.

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Fotograf Michael Martin: Wüsten im Fokus

Foto: Michael Martin

Südlich des Brunnens endet die trassierte Piste, nun führen nur noch vereinzelt Spuren durch den Sand. Unser Ziel sind die Megadünen an der saudisch-omanischen Grenze. Die Frage des deutschen Grenzbeamten kann ich aber jetzt schon beantworten: Ich würde jederzeit wieder in dieses in Deutschland so unbekannte Land reisen.

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