Schamanen am Baikal Heiler, Hellsichtige und Vermittler zwischen den Welten
Walentin war Komsomolez und Pionier, er absolvierte seinen Militärdienst in einem Panzer-Bataillon und studierte am staatlichen ostsibirischen Kulturinstitut. "So sehr man versucht hat, uns zu christianisieren oder zu sowjetisieren - die Religion unserer Ahnen blieb bestehen, und wir wollen jetzt das Beste davon bewahren." Das bedeute auch, dass man rituelle Tieropfer und andere "Unvollkommenheiten" überdenken müsse, meint er selbstkritisch.
In seiner Verehrung von Mutter Erde, Vater Himmel sowie verschiedenen Tier- und Naturgeistern zeigt der ursprüngliche sibirische Schamanismus große Ähnlichkeiten mit den Naturreligionen der amerikanischen Indianer. Respekt vor den Kräften der Natur und ein rechtschaffenes Leben bringen dem Menschen Ausgeglichenheit ("Chan") in seiner Welt, es gelingt ihm, seine persönliche Kraft ("Chiimori") größtmöglich zu steigern. Der Schamane ist Vermittler zwischen der hiesigen und der Welt der Geister, er ist Heiler und Hellsichtiger, wird aber selbst nicht vergöttert, sondern ob seiner Fähigkeiten verehrt.
Zwischen den einzelnen Schamanen gibt es eine Hierarchie, die in Zusammenhang steht mit der magischen Kraft, die sie entwickeln. Einige Stämme unterscheiden zwischen schwarzen und weißen Schamanen, abhängig von den Geistern, mit denen sie kommunizieren. In Trance erlangt der Schamane die Fähigkeiten der Geister, er begibt sich auf Reisen in die drei Welten - die unsrige, die Ober- oder die Unterwelt. Letztere ist schwieriges Terrain, das nur den erfahrenen Weisen vorbehalten bleibt.
Auf dem langen Weg in die Krone des Baumes Toru in der Oberwelt kann der Reisende als Mensch, Bär oder Vogel agieren - je nachdem welche Geister ihn begleiten oder von ihm Besitz nehmen. Neben dem eingängigen Rhythmus der Schamanentrommel helfen bisweilen auch ganz alltägliche Stimmungsmacher wie Alkohol und Tabak dem Schamanen in die Ekstase. Mutter Natur steuert halluzinogene Pilze und Wacholder bei, dessen Rauch während der Rituale die Jurten vernebelt.
Walentin ist 42 und ein so genannter "kommertscheskij schman", was zunächst bedeutet, dass er weder Berührungsängste mit Geld noch mit kommunaler Politik kennt. Er ist aber auch jemand, der sein Familienerbe nicht nur bewahrt, sondern um theoretisches Wissen erweitert hat. Der Vater von drei Kindern betreibt intensive ethnologische, historische und soziokulturelle Studien über Schamanismus und das Volk der Burjaten und vertritt seine Kultur auf landesweiten Konferenzen und Symposien.

Die zurückhaltende junge Burjatin weiß genau, was sie will: Sie studiert Wirtschaftswissenschaften in Irkutsk und bringt Touristen nebenbei die alten Bräuche ihres Volkes nahe - und serviert dazu Schnaps, der aus Milch gewonnen wird
Foto: A. Langer
Bei bis zu 35 Grad Lufttemperatur in den Sommermonaten gehört ein Bad im Baikal zum täglichen Pflichtprogramm - neben der Banja
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Blick von der Insel Olchon auf das "Kleine Meer" und das Festland mit der charakteristischen Küstenlandschaft
Foto: A. Langer
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Auf Olchon ist der Anteil der Burjaten höher als irgendwo sonst in der im Süden Ostsibiriens gelegenen Burjatischen Republik. Viele Angehörige dieses asiatischen Volks mongolischer Abstammung versuchen, ihre Traditionen ins nächste Jahrtausend zu retten. Die Relikte des Jurtenlebens sind in Museen ausgestellt, Touristen werden in Folklore-Shows mit Sitten und Ritualen der Burjaten vertraut gemacht und entlang der Straßen sieht man bisweilen Säulen aus Steinen und Stöcken, die mit bunten Bändern oder Kleidungsfetzen behangen sind - heilige Stätten der Burjaten, an denen sie ihre Verstorbenen ehren, um Glück und Gesundheit oder Vergebung für Fehltritte bitten, indem sie Münzen werfen.
Mit einer Länge von 70 Kilometern und einer durchschnittlichen Breite von etwa zehn Kilometern ist Olchon die größte Insel im Baikal. Sie erstreckt sich entlang der Westküste, von der sie durch das "Maloe More", das "Kleine Meer", getrennt ist. Der Name des mit Nadelhölzern bestandenen und von hügeliger Steppenlandschaft überzogenen Eilands kommt aus dem burjatischen "olchan", was so viel wie trocken oder dürr bedeutet - aber keinesfalls öde. Sibirische Zedern und Lärchen setzen grüne Akzente in bizarre Dünenlandschaften, Erdhörnchen flitzen über die Wege, und die weltweit einzigartigen "Nerpas" klatschen sich am Ufer gemächlich mit den Flossen auf den Bauch. Die Süßwasserrobben sind eine von etwa 1000 nur hier vorkommenen Tierarten in und um den Baikal - eine wahres Paradies für Tierfreunde.
Im ersten und dritten Teil der Reportage über die Baikal-Insel Olchon lesen Sie: