Seychellen Der Turtle-Man von Silhouette

Sie ist die drittgrößte der Seychellen-Inseln, und doch blieb das Felsen-Eiland bisher von Touristen nahezu unberührt. Jetzt hat auf Silhouette ein Fünf-Sterne-Resort eröffnet - und sucht die Zusammenarbeit mit den Schützern des dichten Dschungels und der letzten Riesenschildkröten.
Von Antje Sator

115 Inseln bilden den Seychellen-Archipel mitten im Indischen Ozean, die drittgrößte unter ihnen ist Silhouette - und doch floss der zunehmende Touristenstrom in den vergangenen Jahren an den rund 20 Quadratkilometern Felsen vorbei zu den Hauptinseln Mahé, Praslin und La Digue. Nur wenige Fremdlinge setzten ihren Fuß auf die vom 740 Meter hohen Mont Dauban beherrschte Insel. Die mehr als 80 endemischen Pflanzen konnten sich auf Silhouette ungestört entwickeln, die Zahl der einzig hier existierenden Insekten und Kleintiere geht in die Hunderte.

Ansonsten leben gerade einmal 25 Familien auf Silhouette. Ihr kleines Dörfchen "La Passe" liegt an einem malerischen Strand – an dem die Einheimischen seit kurzem nicht mehr allein sind: Die maledivische Universal-Gruppe hat direkt neben dem Dorf ein Fünf-Sterne-Resort mit 105 Häusern aus dem Boden gestampft. Ein Schicksal, das zwar viele der kleinen Eilande der Seychellen teilen, die zu exklusiven Inselresorts umgewandelt wurden. Doch in dieser Größe in derart einmaligen Naturgebiet ist das Resort selbst für die Seychellen eine Ausnahme.

„Am Anfang war das für die Einheimischen bestimmt ein Schock“, gesteht Managerin Silke Teubener. Nicht verwunderlich, denn mit Baubeginn für das „Labriz“ vor gut eineinhalb Jahren fielen auf der idyllischen Insel gut tausend Bauarbeiter aus aller Herren Länder ein, vor allem aus Sri Lanka und Indien. „Jede Nacht sind ununterbrochen Lastwagen durch unser Dorf gerast“, berichtet der 28-jährige Nevil, der auf der Insel aufwuchs und wie seine Vorfahren noch immer mit Speer auf Fischjagd geht sowie mit Nylonschnur den reichlich vorhandenen Flughunden nachstellt.

"Ein Kleinkrieg würde der Natur schaden"

Inzwischen sind die meisten Bauarbeiter wieder weg. Sie hinterließen auf Silhouette ein Resort mit Design-Unterkünften und in den Felsen gehauenem Spa mit Meerblick; das Tauchzentrum soll im kommenden Jahr sogar eine Dekompressionskammer bekommen. „Wir haben versucht, beim Bau auf die Umwelt Rücksicht zu nehmen“, betont die aus Deutschland stammende Teubener. So werde Regenwasser zur Versorgung des Ressorts in Tanks aufgefangen, in der Anlage seien nur Elektroautos unterwegs. Die Häuser wurden nicht direkt am Strand errichtet, sondern hinter der ersten Uferlinie. Und entsprechend den Vorschriften wurde keine einzige Pflanze von außerhalb auf die Insel gebracht, sondern nur Einheimisches im Resort gepflanzt.

Diese Bemühungen erkennt auch Ron Gerlach an. Der 68-jährige, gebürtige Südafrikaner ist die Institution für Umweltschutz auf Silhouette und auf den ganzen Seychellen als „Turtle-Man“ bekannt. Mit Blick auf das „Labriz“ fragt er sich aber, warum es beispielsweise keine Solaranlage für die Stromversorgung gebe. "Schöner wäre natürlich gewesen, wenn die ganze Insel Naturschutzgebiet geworden wäre. Das Hotel ist einfach zu groß für die Insel." Trotzdem will der Präsident des Nature Protection Trust of Seychelles mit dem Hotel zusammenarbeiten: „Jetzt wo es einmal gebaut ist, müssen wir uns arrangieren. Ein Kleinkrieg würde nur der Natur schaden.“

Und die ist auf Silhouette wirklich beeindruckend: Von Biologen wird die Insel als eines der wichtigsten Artenvielfalts-Gebiete im Indischen Ozean angesehen. „Wenn man nur ein bisschen die Felsen hochsteigt, ist alles völlig ursprünglich“, berichtet Joachim Hagemann aus Gronau im Münsterland, einer der ersten Urlauber in dem Resort. „Das ist schon ein ganz besonderer Reiz, wenn man durch einen Dschungel geht, der noch völlig unberührt ist.“ Die Pflanzen seien völlig übermächtig und miteinander verschlungen, „allein kommt man da gar nicht rein.“ Deshalb schlossen sich Hagemann und seine Frau Anette einer von Gerlach organisierten Führung an, die letztlich aber nur wenige der Urlauber wagten. Auch in Zukunft rechnet Gerlach nicht mit vielen Wanderern: „Die liegen doch letztlich alle lieber am Pool und trinken Sekt.“

Die Ureinwohner der Inseln: Seychellen-Riesenschildkröte

Gerlach ist das nur Recht, so hat er Zeit für sein wichtigstes Projekt: Schildkröten, genau genommen die ursprüngliche „Seychellen-Riesenschildkröte“. Noch bis vor zehn Jahren wurde von der Wissenschaft allgemein angenommen, dass diese Tiere komplett ausgestorben seien. „Doch dann kam auf einmal auf einer anderen Insel von einer völlig abgelegenen Farm ein Bauer und zeigte uns eine Schildkröte, die irgendwie anders aussah als die heute allgemein bekannten“, berichtet Gerlach. Sein in Cambridge in Großbritannien forschender Sohn Justin machte Bluttest und DNS-Vergleiche mit in Museen gelagerten Knochen der originalen Seychellen-Riesenschildkröte. Und siehe da: Man hatte wirklich noch ein lebendes Exemplar der eigentlich als vom Menschen ausgerottet geltenden Art gefunden.

Daraufhin zog eine Expedition unter Leitung von Justin Gerlach über nahezu alle der insgesamt 115 Inseln des Landes – und fand einige weitere Original-Schildkröten. Sie wurden eine nach der anderen nach Silhouette gebracht, das rund eine Stunde Bootsfahrt von der Hauptinsel Mahé entfernt liegt. Ron Gerlach und seine Frau Gill bauten für die „Ureinwohner“ eine eigene Farm auf, die sie gern Resort-Urlaubern oder auch Tagestouristen zeigen.

„Wir waren total glücklich, als wir ein männliches und ein weibliches Tier zusammen hatten und dachten: Jetzt geht es los“, berichtet der 68-Jährige von den Anfängen. Doch nichts sei geschehen. Erst nach einer Weile hätten die Forscher begriffen, dass man mindestens zwei männliche Tiere braucht. „Offenbar brauchen die den Wettbewerb, sonst läuft gar nichts.“ Vor vier Jahren dann endlich war es soweit: Die ersten Jungen krabbelten aus ihren Eiern. Inzwischen haben die in zwei Gruppen zu fünf und sechs Tieren zusammengefassten „Erwachsenen“ mehr als 150 Junge gezeugt.

„Das reicht erst einmal“, befanden die Forscher – und gingen Anfang Dezember die nächste Stufe des Experiments an: Sie setzten eine Gruppe Alttiere in Freiheit aus; ganz bewusst an der dem Resort gegenüber liegenden Inselseite. Demnächst sollen dann auch die ersten Jungen folgen, sie müssen nur erst ein Gewicht von mindestens 15 Kilogramm haben. „So schwer müssen sie einfach sein, damit sie vom Menschen nicht weggetragen werden können“, erklärt Gerlach. Bei den ersten Jungtieren werde das wohl im kommenden Jahr der Fall sein. Und wenn alles gut geht, dann ziehen in nicht allzu ferner Zukunft ganz selbstverständlich wieder wie vor 200 Jahren Riesenschildkröten über Silhouette – vorausgesetzt, die Touristen benehmen sich.

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