Seychellen Die Erotik der Kokosnuss
Victoria - Beim Stichwort Öko-Urlaub denkt man an bescheidene Urlaubsquartiere und geringen Komfort. Nicht so auf den Seychellen. Auch die Kundschaft entspricht überhaupt nicht dem Klischeebild des Öko-Touristen. Was daran liegt, dass die Seychellen für Urlauber eines der teuersten Länder weltweit sind: So gut wie alles muss für viel Geld eingeführt werden und ist obendrein mit einer saftigen Importsteuer belegt. Der typische Seychellen-Tourist ist also weniger einer, der eigentlich Urlaub auf dem Bauernhof macht, sondern ein wohlhabender Globetrotter, für den Geld nur eine Nebenrolle spielt. Und den es nicht stört, dass er und die 130.000 anderen Urlauber, die pro Jahr einreisen, 70 Prozent der Deviseneinnahmen beisteuern.
Die rund 80.000 Seychellois leben nicht schlecht davon. Ihr Land hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen und die höchste Lebenserwartung Afrikas. Sie sind gratis krankenversichert und kennen keinen Massentourismus. Es gibt weder Ballermänner noch Hotel-Betonklötze, auch nicht in der Hauptstadt Victoria. Dafür kostet ein Importbier im Restaurant zehn Euro, eine billige Flasche Wein das Fünffache. Eine Nacht im Luxushotel ist für 300 Euro zu haben.
North Island - vier Strände, Urwald und eine Lodge
Bescheiden geht es also nicht zu auf der Inselgruppe, die 115 Eilande zählt. North Island - die Insel wurde erst vor zwei Jahren für den Tourismus geöffnet - ist ein gutes Beispiel für diese Kombination aus Luxus- und Öko-Urlaub. Das gut zwei Quadratkilometer große Inselchen besteht aus drei Granithügeln und vier Stränden, aus Urwald und einer Lodge, die wiederum aus elf Strandbungalows besteht.
Jeder Bungalow ist 450 Quadratmeter groß und verfügt über zwei Schlafgemächer, ein Open-Air-Bad, Terrasse und Privatpool. Zwischen Terrasse und Ozean hat jede Villa ein eigenes, tennisplatzgroßes Stück Strand. Den kann man uneingeschränkt nutzen - außer wenn eine Schildkröte über Nacht ihre Eier im Sand vergraben hat. Dann kommt Jon, der Umweltmanager, vorbei und sichert das Gelege mit einem Zaun.
Vor sechs Jahren war dort, wo heute die Villen stehen, nur Dickicht. North Island lag brach und verwilderte, nachdem es zuvor jahrzehntelang als Kokosplantage, Gemüsegarten und Viehzuchtgehege genutzt worden war. Dann griff Wilderness Safaris zu, ein Reiseveranstalter, der sanften Tourismus auf seine Fahnen geschrieben hat und im südlichen Afrika bereits eine Reihe von Lodges betreibt. Entwickelt wurde der Plan "Arche Noah" - Flora und Fauna der Insel sollten weitgehend wieder in den Urzustand verwandelt werden.
Der Erfolg ist bereits sichtbar: Inselfremde Rinder und Schweine sind längst im Kochtopf verschwunden, Ratten und Katzen wurden ausgerottet. Seit zwei Jahren kehren die früher hier heimischen Riesenschildkröten sowie vom Aussterben bedrohte Vogelarten nach North Island zurück, darunter der seltene Paradiesfliegenschnäpper. Ebenso systematisch wurden und werden fremde durch einheimische Pflanzenarten ersetzt, ohne den Urwaldcharakter zu zerstören.
Ein Team von 20 Leuten kümmert sich um diese Aktion. Orientierung für das "Back to Paradise"-Programm liefern Aufzeichnungen aus dem 17. Jahrhundert, in denen die ursprüngliche Tier- und Pflanzenwelt der Insel beschrieben wurde. Finanziert wird das Projekt durch die einzige fremde Spezies, die auf North Island geduldet wird: Wohlhabende Touristen, die sich ihren Aufenthalt im Paradies mit gut 1000 Euro pro Kopf und Tag erkaufen müssen.
Fregate Island - Schutz prominenter Kunden
Ein anderes Luxus-Resort mit eigenem Umweltbeauftragten ist Fregate Island, dessen Strände regelmäßig von internationalen Hochglanzmagazinen unter die schönsten der Welt gewählt werden. Hier geht es nicht minder luxuriös - und teuer - zu. Die Renaturierung setzte aber schon früher ein, so dass man auf Fregate bereits mehr einheimische Arten findet als auf North Island, darunter den drosselartigen Magpie Robin, von dem es in den siebziger Jahren nur noch rund 20 Exemplare gab. Heute sind es drei- bis viermal so viele.
Neben dem Artenschutz wird auf der Insel auch der Schutz der prominenten Kunden groß geschrieben: Es dringt so gut wie nie nach außen, wenn zum Beispiel Claudia Schiffer, Steffi Graf oder Robbie Williams auf dem Luxuseiland absteigen. Weshalb sich die Insel bei der seltenen Spezies internationaler Stars ähnlicher Beliebtheit erfreut wie bei bedrohten Vogelarten.
Ein weiterer Höhepunkt der Seychellen hat ebenfalls mit Natur zu tun: das Vallée de Mai, ein urwüchsiges Tal in der Mitte der Insel Praslin. Heute ist es Nationalpark und Unesco-Weltnaturerbe. Dieser Urwald ist der einzige Platz weltweit, an dem die sagenumwobene Coco de Mer gedeiht, die Seychellen-Nuss.
Die Palmen werden bis zu 800 Jahre alt und 30 Meter hoch. Es gibt männliche und weibliche Exemplare, die unschwer voneinander zu unterscheiden sind: Der Blütenstängel der männlichen Palme ähnelt einem riesigen Phallus, während die weibliche Coco de Mer an ihren herzförmigen Früchten zu erkennen ist. Diese werden mehr als 20 Kilogramm schwer und erinnern in ihrer Form an ein weibliches Becken.
Früher wurde den Riesennüssen vor allem im Orient potenzsteigernde Kraft nachgesagt. Die Coco de Mer ist heute das beliebteste Seychellen-Souvenir - und das teuerste: Der Stückpreis liegt bei 300 Euro, inklusive Ausfuhrgenehmigung.
Von Gregor Garbassen, gms