Seychellen Urlaub im Überfluss
Victoria - Das Paradies liegt fast 1000 Kilometer vor der Küste Afrikas im Indischen Ozean. Davon war schon im 19. Jahrhundert der General Charles George Gordon überzeugt. Nach intensivem Studium sowohl der Bibel als auch der Botanik erklärte er, die Seychellen stellten das Zentrum des biblischen Garten Eden dar.
Auch heute noch versteht der Reisende schnell, wie ein britischer Kolonialbeamter auf diese etwas krause Idee kommen konnte: Die rund 80.000 Seychellois leben auf drei Hauptinseln und weiteren 100 Eilanden unter Palmen und in unmittelbarer Nähe menschenleerer, weißer Strände. Selbst in kalten Nächten sinkt das Thermometer nie unter 22 Grad Celsius. Und im klaren Wasser vor den Stränden tummeln sich Meeresschildkröten, Katzenhaie und Papageifische. Nur: Das Paradies hat seinen Preis. Jedenfalls ist ein Aufenthalt auf den Seychellen kein Low-Budget-Urlaub.
Das Tor zum Archipel ist Mahé. Hier auf der Hauptinsel leben rund 90 Prozent der Seychellois. Die einzige Stadt des Inselstaats ist Victoria. Die Spuren der kolonialen Vergangenheit sind noch deutlich zu erkennen: Zuerst hatten die Franzosen den damals unbesiedelten Archipel kolonialisiert. Später übernahm das britische Weltreich die Kontrolle. Erst seit 1976 sind die Seychellen eine unabhängige Nation, die lange Zeit in einer Art Modellsozialismus gelebt hat.
Die Zahl der Sehenswürdigkeiten in Victoria ist überschaubar. Kaum ein Urlauber bleibt lange in der Stadt. Schließlich bietet der Archipel andere Vorzüge - etwa La Digue. Der Flug mit dem Helikopter dauert von Mahé aus nur wenige Minuten. Und schon während des Anflugs stockt der Atem: Das Wasser schimmert kristallklar, die Strände leuchten einsam und weiß. Dann landet der Hubschrauber zwischen Palmen. Als er wieder abhebt, verschwindet mit ihm die letzte Spur der Zivilisation im blauen Tropenhimmel - so glaubt man zumindest.
"In den vergangenen Jahren hat sich hier schon so einiges verändert", sagt die deutsche Urlauberin Uschi Friedmann, die die Insel zum vierten Mal besucht. "Vor zwei Jahren hat man vielleicht ein Auto pro Tag gesehen. Jetzt ist es ein Auto alle 15 bis 30 Minuten."
La Digue hat für jeden Geschmack einen eigenen Strand: Die Grand Anse bietet meterhohe Wellen in einer makellose weißen Bucht. Die Anse Patate wird von Schnorchlern geschätzt. Weltberühmt ist die Anse Source D'Argent: Zwar ist das Wasser zu seicht, um hier zu schwimmen. Doch die dunklen Felsen, die immer wieder aus dem Sand ragen, haben schon zahllose Film- und Fototeams als Location genutzt.
Wie auf den übrigen Inseln fehlen auf La Digue die großen Hotels. Ein Gesetz verbietet es Investoren, über die Wipfel der Palmen hinaus zu bauen. So bestehen die meisten Hotelanlagen aus Bungalows. Die kleineren Hotels werden - wie auch viele Restaurants - von Familien geführt, die sich alle Mühe geben, den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Aber Gastronomieprofis sind die wenigsten.
Warum sollte man sich hier auf den Seychellen auch unnötigen Stress bereiten? Die Hotels sind gut gebucht. 130.000 Urlauber waren 2001 hier. Ohne zu murren zahlen die Europäer Preise, die in Hamburg oder Berlin als stolz gelten würden: Ab 25 Euro für ein üppiges, aber einfaches Mittagsbuffet, ab 50 Euro für ein schlichtes Zimmer ohne Klimaanlage.
Typisch für die Seychellen ist auch ein ungeheurer Reichtum an Mythen: Immer wieder kursieren Geschichten über Schätze, die Piraten hier vor Jahrhunderten vergraben haben sollen. Sagenumwoben ist auch die Koko Dmer, eine der Kokosnuss verwandte Frucht, die bis zu 20 Kilogramm schwer wird. Die so genannte Meereskokosnuss wächst nur auf den Inseln Praslin und Curieuse. Auf den übrigen Seychellen und auf den benachbarten Kontinenten ist sie ausgestorben.
In stürmischen Nächten, so sagen die Einheimischen, vereinigen sich die männlichen und die weiblichen Koko-Dmer-Palmen. Jeder Mensch, der es wagt, ihr Liebesspiel zu beobachten, stirbt der Legende nach. Nicht zuletzt die Koko Dmer überzeugte den Kolonialbeamten Charles George Gordon davon, mit den Seychellen den Garten Eden wieder entdeckt zu haben. Er hielt die Palme der Meereskokosnuss für den biblischen Baum der Versuchung.
Von Sascha Borrée, gms