Solartaxi in den Rocky Mountains Dem Weltall so nah
Auf dem Weg nach Denver versperren mir die Rocky Mountains wie eine endlose breite Mauer den Weg. Eine dünne Schlucht, geformt vom Colorado River, führt wie ein Riss in die Gebirgslandschaft. Ein berauschendes Bild.
Noch bevor wir die wirklich steile Tour auf dem Vail Pass in Angriff nehmen, gibt's in einem Lokal amerikanisches Essen - Burger und Käse. Ein Glücksfall, denn hier treffen wir Scott Carpenter, den zweiten Amerikaner, der je im All war. Der ehemalige Astronaut an Bord der Raumfähre "Mercury 7" - mittlerweile über 80 Jahre alt - ist ebenfalls hier zum Mittagessen.
Weltall-Pionier trifft Solar-Globetrotter
Wir zeigen viel Anerkennung für die Taten des anderen, doch irgendwann zeigen sich die verschiedenen Weltanschauungen. "Oh ja, die globale Erwärmung gibt es" meint Scott Carpenter, um dann hinzuzufügen: "Aber die ist auf die erhöhte Aktivität der Sonne zurückzuführen. Auch wenn es nicht so populär ist, dies zu sagen." - "Ich hoffe sehr, dass Sie recht behalten", sage ich und wir geben uns höflich die Hand. Der Herr in weißen Turnschuhen verabschiedet sich mit einem "Time will tell - die Zeit wird es zeigen". Ich stürme weiter Richtung All, dem Pass entgegen.
Es gab ein paar Stimmen, die behaupteten, der Pass sei zu steil für uns. Sie sollten fast recht erhalten. Das Solartaxi surrt langsam bergauf. Doch was ist mit dem Begleitfahrzeug? Die ersten Kilometer ist es noch wie abgemacht knapp hinter mir, als ich es im Rückspiegel plötzlich vermisse. Nanu? Als ich viele Kurven später oben auf dem Pass auf dem höchsten Punkt der Weltreise (3233 Meter über dem Meeresspiegel) lange warten muss, mache ich mir schon Sorgen. Erst recht, als ich sehe, wie Frank die Motorhaube aufreißt und dicker Rauch zum Motorraum herauskommt. Erinnerungen an Jordanien kommen hoch, als uns vor genau einem Jahr der Luftfilter abbrannte und fast das ganze Begleitauto in Feuer setzte.
Bergab geht es dann wieder problemlos, und kurz vor der Stadt Denver - genannt Mile-High-City, weil sie eine Meile über dem Meeresspiegel liegt - wartet "Henry the Fiddler" auf uns. Er fährt eine großen weißen Chevi-Van, auf den er im Jahr 1986 Solarzellen montierte und daraus seither verlässlich Strom bezieht. Der Chevi ist sein Zuhause. Mitten auf der Straße gibt uns Henry ein kleines Ständchen und spielt zu unserer Belustigung ein Schweizer Volkslied auf seiner Geige.
Vorsicht vor der Hirschkuh
Nach einer längeren Tour im Solartaxi durch die Millionenstadt Denver gibt es beim Toyota-Händler schlechte Nachrichten für unser Team: Der Monteur schüttelt seinen breiten Kopf beim Anblick des Begleitautos. "Oh Mann, euch wurde ein falscher Turbolader eingebaut, und dieses Modell gibt es hier in den USA nicht!" Mit hängendem Kopf verlassen wir die Garage. Wir ahnen Schlimmes. Die Prärie steht vor uns, Tausende Kilometer. Ob uns hier plötzlich das Begleitfahrzeug im Stich lassen wird?
In der Universitätsstadt Boulder sind wir eingeladen in der WG von Student Thomas Thalmann aus meiner Heimatstadt Luzern. Statt bunter Werbung für Fast-Food-Restaurants fällt uns bei der Einfahrt in die Stadt das Verkehrsschild "Achtung, Hirsche" auf. Die Tiere gehören hier in den Außenbezirken fast zum alltäglichen Bild, genau so wie die Fahrradspuren. Mit Thomas' Fahrrad gerate ich in einer Kurve tatsächlich fast mit einer Hirschkuh und den beiden Jungtieren zusammen, die sich von mir überhaupt nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Den Abend verbringen wir in einer begrünten Fußgängerzone in Downtown. Irgendwie ja nichts Außergewöhnliches - aber als Entdeckung in Amerika schon erstaunlich. Auftanken tut gut. Bevor es weiter Richtung Chicago geht, werfe ich nochmals ein Blick zurück im Rückspiegel auf die immer noch verschneiten Berggipfel der Rockies, die sich erstmals in der Sonne zeigen. Ein Anblick zum Dahinschmelzen.