
Tourismus in Tunesien: Elektromusik und römische Ruinen
Tourismus in Tunesien Die Angst vor dem Leerstand
Noch am Dienstag war die Welt der tunesischen Tourismusministerin in Ordnung. "Tunesien ist absolut sicher für Touristen", sagte Selma Elloumi Rekik der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. "Es gibt kein Sicherheitsproblem im Land. Alles ist unter Kontrolle." Nur einen Tag später wurde ihre Einschätzung widerlegt. Zwischen Parlament und dem Bardo-Museum in Tunis ermordeten einheimische Attentäter mindestens 21 Menschen, darunter 20 Touristen.
Noch ist unklar, wem der Anschlag galt: Den Parlamentariern oder den Touristen, von denen sich gerade viele auf Landgang von ihrer Kreuzfahrt durchs Mittelmeer befanden? Doch wie in Djerba vor 13 Jahren sind es viele ausländische Besucher, die starben - damals waren es 21, darunter 14 Deutsche. Und wie im April 2002 wird es wohl erneut eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Urlauber haben.
Dabei galt Tunesien seit dem arabischen Frühling als Positivbeispiel. Gewalt und Gesetzlosigkeit blieben eher Ausnahmeerscheinungen. Auch verzeichnet das Land gerade nach den politischen Wirren, in denen der Tourismus einbrach, langsam ansteigende Besucherzahlen: 2014 erhöhten sie sich im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent, in den Monaten August und September lagen sie sogar über denen des Boomjahres 2010, kurz vor der Revolution. Mit mehr als 425.000 Urlaubern sind die Deutschen die zweitgrößte Besuchergruppe, nach den Franzosen.
"All inclusive ist nicht gut"
Ministerin Rekik, die seit Februar in der neuen Regierung von Habib Essid im Amt ist, wünschte sich für den Tourismus ihres Landes eine Phase der Konsolidierung und des Wachstums. Ihre Herausforderung: der pauschale Bädertourismus an der Küste, der in den Siebzigerjahren Betonburgen entstehen ließ und noch immer 80 Prozent der Besucher anlockt. "All inclusive ist eigentlich nicht sehr gut für den Tourismus", sagte sie auf der Internationalen Tourismusmesse ITB im März. Wer eine Woche zu einem sehr geringen Preis in ein Land reist, könne nicht erwarten, phantastische Küche zu bekommen.
Auch Rekiks Vorgänger, die bisher jedes Jahr wechselten - zuletzt die charismatische Amel Karboul -, wollten weg vom Billigtourismus, der zu wenig Geld ins Land bringt. Das Interesse von Städte-, Kultur-, Golf- und Medizintouristen wollten die Minister wecken. Auch für Ausgrabungsstätten wie Karthago und El Djem, für die historische Eisenbahn und für die Sahara. Nachhaltig sollten die Besucher reisen. Ein Hotelqualitätssiegel sollte eingeführt und Kunsthandwerk in den ländlichen Regionen gefördert werden, und auch die Beschäftigung von Frauen im Tourismus. Letzteres ist ein Projekt, an dem auch die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Veranstalter TUI beteiligt sind.
Rekik warb in diesem Jahr auf der ITB mit dem Festival "Les Dunes Elektroniques" in der Sahara. Das hatte ihre Vorgängerin Karboul im vergangenen Jahr zum ersten Mal eröffnet. In diesem Februar kamen 5000 Menschen in die Dünen von Nefta, wo noch die Kulissen der Star-Wars-Saga überdauern. Auch das Street-Art-Festival auf der Insel Djerba soll junges und urbaneres Publikum aus aller Welt anlocken. Im Sommer 2014 waren 150 internationale Künstler in das Dorf Erriadh eingeladen.
Tunis aus dem Programm gestrichen
Tourismus kann jedoch immer nur konsolidieren und wachsen, wenn ein Land sicher ist. Sicherheit, sagte Ministerin Rekik noch auf der ITB, sei vordringliches Ziel ihrer Regierung. "Gäste und Einheimische sollten sich sicher fühlen und in Sicherheit sein".
Das Vertrauen in die Sicherheitslage in Tunesien hat mit den Anschlägen von Tunis einen Rückschlag erlitten. Als Erste hat die Kreuzfahrtreederei Costa Crociere verkündet, die Hafenstadt nicht mehr anzulaufen. 16 ihrer Passagiere würden nach dem Vorfall noch vermisst. Inzwischen hat auch die Reederei MSC Tunis aus dem Programm gestrichen. Neun ihrer Gäste starben bei einem Landgang vor dem Bardo-Museum, zwölf wurden verletzt. Deutsche Reiseveranstalter wollen ihre Tunis-Ausflüge ebenfalls zunächst aussetzen. Das Auswärtige Amt weist darauf hin, dass "auch in Zukunft Ausländer direkt oder indirekt Opfer von Anschlägen sein können".
Dabei ist der Tourismus für die junge Demokratie essenziell. Mit einem Anteil von sieben Prozent am Bruttosozialprodukt und rund 400.000 Arbeitsplätzen ist er einer der Schlüsselsektoren der Wirtschaft. 80 Prozent der tunesischen Familien sollen mindestens ein Mitglied in einem Beruf haben, der von der Branche abhängig ist.
Würden mehr Besucher kommen und mehr Geld ausgeben, hätten mehr Tunesier Jobs und Einkommen - was vor allem gegen die Jugendarbeitslosigkeit von 40 Prozent helfen könnte. Und junge Männer weniger anfällig machen würde für die Propaganda der Dschihadisten. Womit das Land für alle sicherer würde.
Ein Hoffnungs- statt des Teufelskreises, der Tunesien jetzt wohl wieder bevorsteht.