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Seit Jahrzehnten rattern die Züge der Transsibirischen Eisenbahn - kurz Transsib - von Moskau nach Wladiwostok am Pazifik, und die längste Bahnstrecke der Welt verliert nichts von ihrer Faszination. 400 Stationen und 89 Städte durchqueren jene, die sich Zeit nehmen und sechs Tage lang schlafen, essen, sich unterhalten, lesen und aus dem Fenster schauen können.
"Was man sieht, ist nicht besonders spannend", sagt Giulia Mangione, die im vergangenen Sommer die Reise unternahm, "immer die gleiche Landschaft: Wälder und Steppe. Das Interessante sind die Begegnungen." Die 31-jährige Italienerin aus Florenz, die zurzeit in Kopenhagen wohnt, ist Fotografin. Die einmonatige Fahrt durch Russland war ihr Traum, seit sie die Sprache studiert hat.
Mangione buchte Dritte-Klasse-Tickets für einzelne Streckenabschnitte. "In einem offenen Waggon zu reisen, ist wohl die authentischste Art", sagt sie, "so konnte ich viele Menschen treffen." Studenten zum Beispiel, die in den Semesterferien nach Hause fahren. Familien, die sich kein Flugticket leisten können. Soldaten auf Heimaturlaub. Viele Alte mit viel Zeit. "Ich fotografiere gerne Porträts, rede gerne mit den Leuten und höre ihren Geschichten zu" - ihr Russisch half ihr dabei, nur sehr selten konnte jemand Englisch.
Eine der wenigen Jüngeren im Zug war Dasha. Gerade fertig mit ihrem Medizinstudium in Ischewsk, wollte sie Freunde in Nowosibirsk treffen und mit ihnen am Baikalsee wandern. "Sie erzählte, wie sie als Freiwillige in Ambulanzen in Moskau und Jekaterinburg viel Dramatisches gesehen hat: Selbstmord, Drogen- und Alkoholmissbrauch." Jetzt plant Dasha, nach Norwegen auszuwandern - dort würde sie als Ärztin besser bezahlt. "Wir wurden Freundinnen und verreisen vielleicht zusammen", sagt die Fotografin.
"Ich bin fasziniert von diesem riesigen Land", sagt Mangione. So viele verschiedene Kulturen, so viele verschiedene Traditionen - vereint nur durch die Sprache. Immer wieder legte sie Stopps ein - in Jekaterinburg, Krasnojarsk, Irkutsk, am Baikalsee. Dort stieg sie früh morgens wieder in die Transsib. "Mir gegenüber saß ein Mann, der mir dann geräucherten Fisch zum Frühstück anbot und sagte: 'Wenn du Omul nicht probiert hast, kennst du den Baikal nicht.'" Der Omul-Lachs kommt ausschließlich dort vor.
Was sollte man als Transsib-Anfänger beachten? "Essen mitbringen", sagt Mangione. Das Angebot im Zug sei teuer und nicht besonders gut. Viele reisen mit unzähligen Frischhaltedosen, "eine Frau hatte für jeden der sechs Tage eine Box dabei". Die Fotografin selber war froh über den Samowar, der in jedem Waggon zu finden ist: Mit dem heißen Wasser konnte sie ihre Instantnudeln zubereiten. Von der Transsib kann sie aber nicht genug bekommen. Beim nächsten Mal will sie die Abzweigung in Irkutsk nach Peking nehmen.
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Dritte Klasse: Die Italienerin Giulia Mangione reiste im Sommer 2017 einen Monat lang mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau bis Wladiwostok am Pazifik.
Sechs Tage braucht die Transsib für die Strecke. Mangione machte immer wieder Stopps - wie in Jekaterinburg, östlich des Uralgebirges.
Lenin-Statue in Jekaterinburg: Ihr Russisch half der Fotografin während der Reisen, nur sehr selten sprach jemand Englisch.
Reisebekanntschaft Dasha: Die Ende-20-Jährige erzählte, dass sie gerade ihr Medizinstudium beendet hat und nach Norwegen auswandern will.
Ungeplanter Stopp mitten in Sibirien: Mangione buchte Dritte-Klasse-Tickets - die authentischste Art, mit der Transsib zu reisen, sagt sie.
Schlafendes Kind in der dritten Klasse: Man lerne die Mitfahrer gut kennen, sagt Mangione - "ihre Gewohnheiten, wann sie essen, was sie lesen, was sie interessiert".
Baikalsee: Fünf Tage lang blieb Mangione auf der Olchon-Insel im tiefsten See der Welt, dann fuhr sie von Irkutsk weiter nach Ulan Ude.
Flipflops und ein pinkfarbenes Reisekleid: Die Frau sei sehr scheu gewesen, erzählt Mangione, doch dann sei der Mann sehr stolz gewesen, als sie das Paar fotografieren wollte.
Letzter Stopp: Wladiwostok. Der Zug trifft um 7 Uhr dort ein - gerade richtig für eine Aufnahme im Morgenlicht.
Am Pazifik am Ende der Reise: Mangione sind die sechs Tage im Zug nicht zu viel geworden. Beim nächsten Mal werde sie die Strecke von Irkutsk nach Peking nehmen, sagte sie.