
Nashorn Najin und Pfleger Zachary Mutai: »Herzerwärmend und unerträglich ergreifend«
Foto: Matjaz Krivic / www.tpoty.comAusgezeichnete Reisefotos Das vorletzte Nashorn
Der Himmel über Kenia ist strahlend blau. Nashornkuh Najin ruht sich in der Mittagssonne aus, Pfleger Zachary Mutai sitzt auf dem Boden – den Rücken und den Hinterkopf an ihre rechte Flanke gelehnt – und hat die Augen geschlossen. Es sieht aus, als würden beide schlafen.
Ein Foto wie ein Märchen. Und eines, das dem aus Slowenien stammenden Fotografen Matjaz Krivic nun viel Ruhm einbrachte. Er wurde bei dem internationalen Fotowettbewerb »Travel Photographer of the Year 2022« (TPOTY) als »Reisefotograf des Jahres« ausgezeichnet. Die Jury bezeichnet seine Bilder, die bei einer Reportage entstanden sind, als »sehr bewegende Darstellung einer Kameradschaft«.

Ziemlich beste Freunde: Najin ist eines der letzten zwei Nördlichen Breitmaulnashörner auf der Welt – und Mutai ihr Pfleger
Foto: Matjaz Krivic / www.tpoty.comNah dran sein – das ist es, was im Leben generell und in der Fotografie im Besonderen oft den Unterschied macht. Wer mit seiner Kamera dicht an sein Motiv herantritt, lernt es besser kennen, sieht ein Detail, sieht vielleicht etwas, das er vorher übersehen hat. Oft schafft perspektivische Nähe auch emotionale Nähe. So wie bei den Bildern von Nashorn Najin und Zachary Mutai.
Als eines der letzten beiden Nördlichen Breitmaulnashörner, die es überhaupt noch gibt, lebt die 33-jährige Najin im Ol Pejeta Conservancy, einem Schutzgebiet rund 200 Kilometer nördlich der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Gut zweieinhalb Quadratkilometer groß ist das mit Elektrozäunen begrenzte Gebiet, das Najin zusammen mit ihrer elf Jahre jüngeren Tochter Fatu bewohnt. Um die Art zu erhalten, unternehmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein großes Experiment: Sie versuchen es mit künstlicher Befruchtung – obwohl der letzte Nashornbulle dieser Spezies bereits tot ist.
Über das ambitionierte Projekt ist bereits viel berichtet worden – etwa über die Entnahme von Eizellen bei den verbliebenen beiden Weibchen, aber auch über pluripotente Stammzellen und eine äußerst komplexe Methode zur Rettung der Art . Das Nördliche Breitmaulnashorn gilt seit 2008 als in der Natur ausgestorben, einer der Hauptgründe ist Wilderei. Najin und Fatu kamen in Gefangenschaft zur Welt und haben zuletzt in einem Zoo in Tschechien gelebt, bevor sie 2009 nach Kenia gebracht wurden, damals noch zusammen mit zwei Bullen.
»Herzerwärmend und unerträglich ergreifend«
Schon aus der Ferne betrachtet kann der Gedanke an das drohende Aussterben der Art für Beklommenheit sorgen. Für die Menschen, die täglich mit den Tieren zu tun haben, muss sich die Sorge noch ganz anders anfühlen. Die Verbundenheit zwischen Najin und ihrem Pfleger kommt in den Fotos, die Krivic vor Ort machte, deutlich zur Geltung.
Neben dem Nickerchen-Foto gibt es eines, auf dem Mutai seinen Kopf an das Horn des Tieres legt, als würde er es küssen. Auf einer eindrucksvollen Nahaufnahme legt er seine Hand an Najins Auge. Ein anderes Bild zeigt Mutais Silhouette als Schatten auf der grauen Haut des Tieres. »Die Bilder sind herzerwärmend und fast unerträglich ergreifend zugleich«, urteilt die TPOTY-Jury.

Streicheleinheit: »Sehr bewegende Darstellung einer Kameradschaft«
Foto: Matjaz Krivic / www.tpoty.com
Kann der Mensch die Art retten, nachdem er sie – zumindest in der Natur – bereits hat aussterben lassen?
Foto: Matjaz Krivic / www.tpoty.comEine renommierte Auszeichnung erhielt im vergangenen Jahr auch das Naturschutzgebiet, in dem Najin lebt. Ol Pejeta Conservancy wurde als »Africa’s Leading Conservation Company« bei den World Travel Awards geehrt.
Sehen Sie hier weitere Bilder, die beim Reisefotowettbewerb ausgezeichnet wurden:

Li Yushan aus China machte es sich für ein Fotoprojekt zur Aufgabe, kulturelle Aspekte einzufangen, die das Leben in der Inneren Mongolei prägen: Ringkämpfe, traditionelle Musik oder – wie auf diesem Foto – das Thema Heirat. Für die Bilder wurden Gegenstände, kunterbunte Kleider und Menschen so nebeneinander drapiert, dass nicht nur Porträts von den abgelichteten Menschen entstanden, sondern eher Porträts von den für sie wichtigen Bräuchen.

Ebenfalls in der Kategorie »Culture« erhielt dieses Foto von Athanasios Maloukos aus Griechenland eine lobende Erwähnung. Er fotografierte im süditalienischen Canosa di Puglia die sogenannte »La Desolata«, eine Prozession am Samstag vor Ostern. Hunderte in Schwarz gekleidete Frauen singen dabei das Stabat Mater, ein Gedicht über den Schmerz der Mutter Jesu über ihren gekreuzigten Sohn.

Woher hat das Kind die Weihnachtsmütze? Sie wirkt wie ein Sinnbild für das, was die Baka derzeit erleben: die Folgen der Globalisierung. Die Baka sind ein Pygmäenvolk, das seit Jahrtausenden unter anderem im Südosten Kameruns lebt. »Binnen einer Generation wird ihre einzigartige Lebensweise für immer verschwunden sein«, sagt die Fotografin Katy Gomez Catalina, die für das Foto eine lobende Erwähnung erhielt. Abholzung und industrielle Interessen würden dafür sorgen, dass die Baka aus dem Dschungel vertrieben werden.

Hoch über der Namib-Wüste, aus einem Helikopter heraus, machte Jaroslav Hora Fotos wie dieses. Er sagt, er habe »während des Flugs versucht, die ungewöhnlichen Formen einzufangen«, die Sonne, Licht und Schatten verursachten.

Der Australier Scott Portelli nahm in der Antarktis dieses Foto von Adeliepinguinen auf, die in einem Eistunnel Unterschlupf finden. In solchen Durchgängen sind sie vor Fressfeinden wie Seeleoparden und Raubmöwen geschützt.

In der Salar de Arizaro in Argentinien bieten sich Landschaftsfotografen spektakuläre Aussichten, etwa die auf »El Cono Arita«, eine geologische Kegelformation, die einst durch Erosion entstanden ist. Mithilfe einer Drohne gelang dem Briten John Seager an einem wolkenlosen Abend dieses Foto vom Arita mit einem Schattenwurf, der wie ein Pfeil wirkt.

»Ich liebe es, dem Mistral-Wind dabei zuzusehen, wie er die Gerste wiegt«, sagt Veronika K Ko aus Bulgarien. Sie machte im Luberon bei Aix-en-Provence dieses Foto der goldenen Landschaft, der sie das Lila des Lavendels entgegenstellt. Nicht nur farblich ergibt sich ein schöner Kontrast. Die Pflanzen im Vordergrund zeigen auch noch in eine andere Richtung als die sich neigenden Getreidehalme. Die Fotografin sagt, sie sei mit den Augen richtig versunken gewesen in diese »bezaubernden Farben«, die an Vincent van Gogh erinnern und dem Betrachter den Lavendelduft in die Nase treiben. Gelobt wurde das Bild in der Kategorie »Creative Travel«.

Edmond Terakopian stellt die Welt mit diesem Bild buchstäblich auf den Kopf. Er machte es an der Canary Wharf in London, wo ein Mann seinen Hund ausführte. Auf den ersten Blick ist kaum zu erkennen, was für eine seltsame ungerade Wegbegrenzung das da links neben den beiden ist. Erst, wenn man weiß, was Terakopian mit dem Foto angestellt hat, wird die Perspektive klarer: Er hat das Foto um 180 Grad gedreht, sonst aber den Angaben zufolge nichts daran verändert. Die etwas verrätselte Realität: Hund und Herrchen spazieren an einem Gebäude entlang, unter einer Art Überdachung, die den Weg spiegelt.

Alexej Sachov aus Deutschland brachte diese Unterwasseraufnahme aus Marsa Alam (Ägypten) mit – und gewann damit die Kategorie »Water«. Die meisten Fotos von Wellen entstünden oberhalb des Wassers und vom Land aus, so Sachov. Dieses Bild hier aber entstand seinen Angaben zufolge beim Tauchen während eines Sturms. Das Besondere: Es befasse sich – anders als viele andere Unterwasseraufnahmen – nicht mit der Meerestiefe, sondern mit seiner Oberfläche, bloß aus der Tiefe betrachtet. »Das ist der Blick, den normalerweise Meereslebewesen einnehmen.« Für Sachov zeugt das Bild von Neugierde: Was ist da – außerhalb des eigenen natürlichen Lebensraums?

Was hat dieses Wüstenbild in der Kategorie »Water« zu suchen, in der auch Fotograf Romain Miot gelobt wurde? Die Sahara zeigt sich in ihren schönsten Sandtönen, wie in Tarnfarbe gekleidet stehen Dutzende Dromedare zusammen. Blautöne weist das Foto nur an einer Stelle auf: im Turban des Tierbesitzers. Aber Wasser? Nun, es spielt eine zentrale Rolle in diesem Bild. Die Dromedarhüter müssen auf ihren Etappen durch lebensfeindliche Gegenden wie diese penibel dafür Sorge tragen, dass sie in bestimmten Abständen Quellen anzapfen. Die Tiere können zwar viel Wasser im Körper speichern und dadurch lange ohne Trinken auszukommen. Doch irgendwann wird auch ein Dromedar durstig. Und der Besitzer gibt bei der Versorgung den Takt an. »Erst nach meiner Rückkehr von dieser Reise habe ich bemerkt, dass der Dromedarbesitzer wie der Dirigent eines Orchesters aussah«, sagt Miot. Später zog die Karawane weiter – von Mauretanien nach Mali, an die Elfenbeinküste und nach Burkina Faso.

Geheimnisvolle Gasse: Marina Spironetti aus Italien gelang diese »Aufnahme« eines Schattens an einer Häuserwand im französischen Avignon. Ihr Motiv? Sie selbst. Ihr Foto wurde als das Beste in der Kategorie »iTravelled« bewertet, in der Smartphonebilder ausgezeichnet werden.

Wer mal Glühwürmchen in einer dunklen Nacht sah, vergisst das Funkeln nie wieder. Dieses wunderbare Foto fängt einen glänzenden Moment in einer Sommernacht in der japanischen Präfektur Yamagata ein. Aufgenommen hat es Kazuaki Koseki, der über Glühwürmchen sagt: »Sie sind wie Weihnachtsbeleuchtung. Sie leben nur zehn Tage, aber in dieser Zeit leuchten sie so hell.«