
Streit über Kletterverbot Ansturm auf den Uluru

348 Meter hoch ragt Australiens markantestes Wahrzeichen aus der Ebene des Red Centre im Nordterritorium. An diesem Hochsommernachmittag am Uluru wirbelt Staub durch die Luft. Nur ein paar Dutzend Touristen trotzen den hohen Temperaturen und spazieren am Fels entlang. Der Aufstieg ist wegen zu starker Winde gesperrt.
"Ich war überrascht, dass es überhaupt noch erlaubt ist, auf den Berg zu klettern", sagt Ulrike Faubert-Thomas, die mit Freunden aus Frankreich zum ersten Mal am Uluru ist. Die kleine Gruppe ist einem Ranger auf den Mala-Walk gefolgt, hat sich Felszeichnungen, Wüstenpflanzen und Tierspuren erklären lassen. "Es gibt doch genug Berge auf der Welt, die man besteigen kann", sagt die gebürtige Bayerin. "Ich finde, die Leute sollten respektieren, dass dieser nicht dazu gehört."
Seit 1985 gehört das Land, in dem der gut 130.000 Hektar große Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark liegt, wieder den Anangu-Aborigines. Die leasten den Park an die Regierung und verwalten ihn seither gemeinsam mit den Parkbehörden. Mindestens ebenso lange wird in Australien debattiert, ob Besucher auf den Sandsteinfelsen, der bis 2002 auch Ayers Rock genannt wurde, klettern sollen oder nicht. Im November 2017 entschied der Parkvorstand, dass ab November 2019 nicht mehr geklettert werden darf.
Heiliger Felsen oder Disneyland?
Der Fels sei ein bedeutsamer Ort und "kein Spielplatz oder Themenpark wie Disneyland", schreibt der Anangu Sammy Wilson, Vorsitzender des Vorstands, in seiner Begründung. Wilson ist ein Enkel von Paddy Uluru, einer der "traditionellen Besitzer" des Berges, die schon in den Siebzigern die Entweihung des Uluru durch Touristen befürchtete. Seitdem fordern indigene Gruppen den Kletterstopp, aus Respekt vor ihren Vorfahren und auch weil er oft Schauplatz für Unfälle, Striptease, Machogebaren oder Golfübungen war.
Auf Schildern am Fuß des Berges bitten die Anangu seit Jahren: "Please don't climb" (Bitte klettern Sie nicht) - "Uluru ist heilig in unserer Kultur. Es ist ein Ort tiefen Wissens, unsere traditionellen Gesetze erlauben nicht, den Berg zu besteigen. Dies ist unser Zuhause. Als Hüter des Landes sind wir für Ihre Sicherheit und Verhalten verantwortlich."
Uluru-Kata-Tjuta ist seit 1987 wegen seiner naturwissenschaftlichen Besonderheit und seit 1994 auch in Anerkennung der kulturellen Bedeutung als Unesco-Welterbe geschützt. Es ist einer von nur 34 Orten der Welt, die für beide Kriterien (Natur und Kultur) berühmt sind.
1873 taufte der englische Einwanderer und Forscher William Gosse den Monolithen nach Henry Ayers, damals Südaustraliens Premierminister. 1993 bekam der Berg - als vermutlich erster Fels der Welt - einen Doppelnamen: Uluru-Ayers-Rock. Seit 2002 wird in Australien vor allem der ursprüngliche Name Uluru benutzt, ein Wort aus Pitjantjatjara, der Sprache der Anangu Aborigines.
Gut 450 Kilometer sind es vom Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark bis nach Alice Springs, 2000 Kilometer fährt man nach Darwin im Norden, knapp 3000 Kilometer nach Sydney im Südwesten. Etwa 300.000 Besucher fliegen im Jahr zum Ayers Rock Airport bei Yulara in der Nähe des Parks.
Denn abgesehen vom Respekt fehlen Touristen oft schlicht Fitness oder gesunder Menschenverstand. Der Felsen ist steil, das Wüstenklima harsch. Seit 1966 eine Stahlkette den Aufstieg "sichert", starben 37 Menschen am Uluru. Dutzende mussten in riskanten Rettungsaktionen nach Stürzen gerettet werden. Auch dafür fühlen sich viele der traditionellen Besitzer verantwortlich.
Ihre Kultur wird bestimmt von Tjukurpa - der Schöpfungsgeschichte der Region, die nicht nur erzählt wie der Fels entstand. "Tjukurpa schließt alles ein", schreibt Anangu Wilson, "die Bäume, Gräser, Landformen, Hügel, Felsen, alles." In diesen Begriffen müsse denken, wer verstehen wolle, dass das country (das Land) eine Bedeutung habe, die respektiert werden müsse. "Wer hier umhergeht, wird das lernen und verstehen. Wer klettert, ist dazu nicht in der Lage."
Er erklärt die Entscheidung weiter: "Das Land hat Gesetze und Kultur (Tjukurpa). Wir wollen an unserer Kultur festhalten, wenn wir es nicht tun, könnte Tjukurpa in fünfzig oder hundert Jahren völlig verschwinden." Die Geschichte hat für Wilson keinen monetären Gegenwert. "Geld ist vergänglich, es kommt und geht wie der Wind." Tjukurpa hingegen sei unvergänglich. Touristen seien nach wie vor am heiligen Berg willkommen. Den Aufstieg zu sperren sei nichts, worüber man sich ärgern sollte, sondern ein Grund zum Feiern.
Lichterspektakel, Kamelritt oder Astro-Tour
Es gebe schließlich viele andere Arten, Uluru zu erleben, sagt Wilson. Und ja, der drei Kilometer lange Inselberg beeindruckt auf Augenhöhe viel mehr, als wenn man über ihn mit Füßen trampelt. Zum Beispiel bei Abendstimmung im Sunset-Viewing-Park: Busse biegen links ab, Autos werden nach rechts dirigiert. Hunderte Fahrzeuge reihen sich auf dem riesigen Parkplatz aneinander. "Die Massen von Leuten sind schon verrückt", sagt Ulrike Thomas-Faubert. "Aber wenn die Abendsonne den Berg in tiefes Rot taucht, wird es plötzlich still - das ist überwältigend schön."
Kaum weniger beeindruckend ist das Farbenspiel der aufgehenden Sonne am Wasserloch Mutitjulu. Bei Nacht bestaunen Astronomie-Fans den südlichen Sternenhimmel auf Astro-Touren. Monate im Voraus buchen andere Kerzenlicht-Dinner mit Bergblick oder lassen sich von den 50.000 Lichtern der Installation "Fields of Lights" verzaubern. Teenager steigen auf Kamele oder umrunden den Berg per Rad oder Segway - eine komplette Spaßbremse sind die neuen Regeln der Parkbehörde also kaum.
Doch nicht allen genügt das. Nach Ankündigung des Kletterstopps kam es zeitweilig zu einer Art Torschlusspanik, nachdem die Zahlen zuletzt kontinuierlich gesunken waren: In den Neunzigerjahren wollten noch Dreiviertel der jährlich 300.000 Parkbesucher auf den Berg, 2015 war es kaum jeder Fünfte, etwa 50 bis 140 pro Tag.
Im Oktober 2018 berichteten Tour-Guides plötzlich von bis zu 500 Besteigern täglich, vor allem Australiern, die noch einmal hinauf wollten, "ehe es zu spät ist". Sie schimpften auf den "Nanny-Staat", der alles regulieren wolle, fühlten sich bevormundet und drohten der Tourismusbranche mit einem "bösen Erwachen". Der Berg ist für sie das "Wüstenherz des Landes, ein Nationalpark, der allen gehört". Seine majestätische Präsenz, die ständig wechselnden Stimmungen oder das Lichterspiel zur Dämmerung von ebener Erde aus zu bewundern, ist für diese Kletterfans nur das halbe Vergnügen.
Crowdfunding gegen das Kletterverbot
Der australische Geologe Marc Hendrickx ist einer von ihnen. Für ihn war der Felsen immer Teil seiner "eigenen australischen Geschichte" schreibt er in seinem "Guide to Climbing Ayers Rock". Er zitiert darin auch Paddy Uluru, der in einem Interview in den Siebzigern sagte, Klettern habe keine spezielle Bedeutung für die Ureinwohner. Kommentare, die Ulurus Enkel Sammy Wilson vom Nationalpark-Vorstand für aus dem Zusammenhang gerissen hält.
Doch Hendrickx fühlt sich im Recht, er hat einen Blog und eine Crowdfunding-Kampagne "Save the Climb" gegründet. Die brachte bisher allerdings nur 1350 der erhofften 260.000 Australischen Dollar (163.000 Euro) ein, mit denen er gegen das Verbot vor Gericht ziehen will. Die Chancen, dass der Berg ab dem 27. Oktober 2019 wirklich frei von Stahlseil, Rettungshubschraubern und der menschlichen Ameisenstraße ist, stehen also nicht schlecht.
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Inselberg in der Wüste: Der Uluru ragt 348 Meter aus seiner Umgebung heraus, ist etwa drei Kilometer lang und zwei Kilometer breit.
Eine Bitte und ein paar Regeln: Die Anangu bitten die Besucher, ihren heiligen Berg nicht zu besteigen. Ohnehin geschlossen ist er bei starken Winden, schlechtem Wetter und bei zu großer Hitze.
Eine der "traditionellen Besitzerinnen" des Berges, Judy Trigger, stellt Körbe her, die sie an die Touristen verkaufen will. Seit den Siebzigerjahren fordern die Anangu ein Kletterverbot.
Klettertour: In den Sechzigern wurde eine Stahlkette auf dem Uluru angebracht - dennoch fehlt vielen Besuchern die Fitness für die Besteigung. Bisher starben 37 Menschen bei Stürzen, Dutzende mussten gerettet werden.
Manchen Besuchern fehlt es vielleicht nicht an Fitness, sondern an Respekt vor den Bitten der Aborigines.
Andere dagegen - wie diese Umweltaktivisten - demonstrieren gegen Touristen, die den Inselberg besteigen wollen.
"Unsere traditionellen Gesetze erlauben nicht, den Berg zu besteigen. Dies ist unser Zuhause. Als Hüter des Landes sind wir für Ihre Sicherheit und Verhalten verantwortlich", schreibt Nationalpark-Vorstand Samuel Wilson in seiner Begründung für das Kletterverbot.
Ab 27. Oktober 2019 wird Schluss sein mit den Besteigungen. Touristen seien nach wie vor am heiligen Berg willkommen, sagt Wilson.
Den Aufstieg zu sperren sei nichts, worüber man sich ärgern sollte, sondern ein Grund zum Feiern, sagt Wilson. Es gebe schließlich viele andere Arten, den Uluru zu erleben.
Zum Beispiel am Wasserloch Mutitjulu: Hier soll der Legende nach eine uralte Wasserschlange leben. Die Höhlen hier werden von den Anangu benutzt.
Sonnenuntergang am Uluru: "Wenn die Abendsonne den Berg in tiefes Rot taucht, wird es plötzlich still - das ist überwältigend schön", sagt die Touristin Ulrike Thomas-Fauber.
Fields of Light: 2016 hat der britische Künstler Bruce Munro 60.000 LED-Leuchten am Fuß des Uluru installiert, die nachts in verschiedenen Farben strahlen. Das Kunstwerk wurde immer wieder verlängert - jetzt soll es bis Dezember 2020 leuchten.
Ende vergangenen Jahres berichten Bergführer von einem plötzlichen Ansturm - vor allem von Australiern, die noch einmal hinauf wollten, "ehe es zu spät ist". Doch Kampagnen gegen das Kletterverbot scheinen wenig erfolgreich.
Die lokalen Aborigine-Stämme, die Anangu, erzählen viele Legenden über den Berg, in mehreren Höhlen erzählen Felszeichnungen von den Traumzeitgeschichten. Ab Ende 2019 ist der Berg frei von der Touristen-Ameisenstraße.
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