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Vang Vieng: Ende eines Party-Reiseziels

Foto: TMN

Vang Vieng in Laos Die Party ist vorbei

Früher kamen die Menschen, um sich mit Drogen und Alkohol die Kante zu geben. Manche kamen bei den Exzessen in Vang Vieng ums Leben, deshalb führte die Polizei strengere Regeln ein. Nun hat sich der Ort verwandelt - und lockt eher Outdoor- und Naturfans an.

Vang Vieng - Langsam fließt das dunkle Wasser des Nam-Song-Flusses durch Vang Vieng. Ein paar Kinder werfen ihre Angeln aus. Frauen mit Strohhüten schieben ihre klapprigen Fahrräder über die alte Holzbrücke. Sie kommen von der Arbeit auf den umliegenden Reisfeldern, während hinter den wildromantischen Karstfelsen blutrot die Sonne untergeht. Eine Handvoll Touristen schlürft Gin Tonics und genießt bei ruhiger Chillout-Musik ein Asien wie aus dem Kaffeetisch-Bilderband.

Emily, Jessica und Sophie sind jedoch zutiefst enttäuscht. "Ich verstehe das nicht. Hier ging voll die Post ab. Es war die Mega-Party, und jetzt ist hier kaum noch etwas los", ärgert sich Emily. Die drei Studentinnen aus Sydney waren schon einmal vor zwei Jahren in Vang Vieng. Vor allem australische Studenten, aber auch Backpacker aus den USA und Europa kamen in den Semesterferien hierher, um eine der "wildesten Partys der Welt" zu feiern, wie Jessica versichert.

Vang Vieng liegt mitten in einer dschungelartigen Karstlandschaft im Norden von Laos. Jährlich fielen fast 120.000 jugendliche Partyfans über das Provinzstädtchen her. Eine Bar reihte sich an die andere. Aus den unzähligen Discos schallte Tag und Nacht Partymusik. Mojitos und Whisky mit Cola oder thailändischen Energydrinks gab es gleich aus Plastikeimern. Gras, halluzinogene Pilze und Opiumpfeifen waren an jeder Ecke zu bekommen. Vang Vieng war eine asiatische Version europäischer Partyhochburgen wie Lloret de Mar oder El Arenal mit seinem Ballermann - nur heftiger.

Vom Trinkgelage ins Krankenhaus

Höhepunkt der exzessiven Massenparty war das Tubing. Einige Feiertouristen kamen eigens deswegen nach Vang Vieng. Hunderte von völlig betrunkenen Backpackern ließen sich gleichzeitig in alten Lkw-Reifen den Fluss hinabtreiben. Am Uferrand der knapp vier Kilometer langen Flussstrecke standen alle paar Meter Animateure, die Seile auswarfen, um die Besoffenen in ihren Autoreifen aus dem Wasser in ihre Bar zu ziehen. Die Prozedur war immer die gleiche: Nach einem kostenlosen Tiger-Begrüßungsschnaps gab es in Zehn-Liter-Eimern harte Drinks. Auch Joints und andere Drogen wurden ganz öffentlich an der Theke verkauft, berüchtigt war gepanschter Whiskey.

Nach mehreren Stunden kamen die meisten wie Zombies wieder aus dem Wasser. Aber nicht alle schafften es. Viele knallten von den Wasserrutschen auf Steine, brachen sich Knochen. Andere verletzten sich beim Tubing oder erlitten Alkoholvergiftungen. "Wir mussten früher pro Tag mindestens ein Dutzend Touristen mit Platzwunden und Knochenbrüchen behandeln", sagt ein Arzt des lokalen Krankenhauses.

Nachdem es 2011 in Folge des Exzesses knapp 30 Todesfälle gab, bereitete die Provinzregierung dem Spuk ein Ende. Im Sommer vergangenen Jahres zog ein Heer von Polizisten in Vang Vieng ein, machte Dutzende illegaler Bars und Diskotheken zu. Beamte sorgen nun dafür, dass Touristen beim Tubing nur noch mit Schwimmwesten und ohne Alkohol den Nam-Song-Fluss hinuntertreiben.

"Zuvor hatten wir fast 24 Stunden geöffnet. Nun müssen wir ab 1 Uhr nachts dicht machen, und die Musik muss ab 24 Uhr heruntergefahren werden", beschwert sich Barbetreiber "Mr. Kee" aus der Jungle Bar. "Die Leute wollen feiern. Nun suchen sie sich einen anderen Ort", sagt er beim Blick in seine leere Kneipe. Der Tourismus sei seit dem Durchgreifen der Regierung um 70 Prozent eingebrochen, schätzt er. Auch Emily, Jessica und Sophie, die drei Studentinnen aus Australien, wollen nicht mehr wiederkommen.

"Das passte nicht zusammen"

Vone stört das nicht. Zwar hat auch der 36-jährige Tourveranstalter weitaus weniger Kunden als zuvor. "Doch ehrlich gesagt bin ich froh darüber, dass der Spuk nun zu Ende ist. Das war erstens alles viel zu gefährlich und zweitens weder gut für uns noch für unsere Kinder", sagt Vone.

Die Kriminalität nahm zu, Bauern bestellten nicht mehr ihre Felder, sondern verkauften Alkohol, Kitsch und Sonnenbrillen aus China. Den Kindern wurden schlechte Vorbilder gegeben, kritisiert Vone. "Sie sahen den ganzen Tag betrunkene Jugendliche und halbnackte Mädchen in Bikinis, die wie wild durch die Gegend knutschten", beschreibt er die damaligen Zustände. "Wir Laoten sind ein sehr ruhiges, zurückhaltendes und konservatives Volk. Das passte nicht zusammen."

Auch Vone lebte noch bis zum vergangenen Jahr hauptsächlich vom Tubing-Verleih. Nun konzentriert er sich darauf, für Natur- und Outdoorfans Wanderungen und Klettertouren durch die umliegenden Berge oder Rafting- und Radtouren zu organisieren. Vang Viengs neues Tourismuskonzept scheint aufzugehen. "Die Landschaft hier ist einfach überwältigend. Alles ist noch so ursprünglich", sagt Steffen Kasber. Der 25-jährige Hildesheimer wollte eigentlich nur einen kurzen Zwischenstopp einlegen. "Nun bin ich bereits seit vier Tagen hier. Die Gegend ist ein Traum", schwärmt Steffen.

Mit dem Fahrrad geht es durch Reisfelder und kleine Bauerndörfer in die sieben Kilometer entfernte Höhle von Tham Poukham - ein Meisterwerk der Natur. Eintritt wird hier nicht verlangt. Dafür muss man sich aber auch auf eigene Faust und Gefahr mit Taschenlampen durch ein teilweise unerforschtes Labyrinth aus Gängen, Stalaktiten und Stalagmiten kämpfen.

In der Mitte der ersten Haupthöhle wird eine liegende Buddha-Statue filmreif von der Sonne in Szene gesetzt, deren Strahlen sich durch ein riesiges Loch in der Decke den Weg durch die Dunkelheit suchen. Es geht immer tiefer hinein in die Höhle, und selbst kleinere Nebengrotten nehmen immer noch die Dimensionen von Konzerthallen an. "Ich will wetten, dass die ganzen Partyfans zuvor nicht einmal wussten, was ihnen hier entgeht", sagt Steffen.

Manuel Meyer/dpa/sto
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