
Reise in die Diktatur: Für den Heiligabend nach Nordkorea
Weihnachtsreise nach Nordkorea Fest der Liebe in Kims Reich
"Wird Santa Claus dich besuchen, wirst du Truthahn mit einem Hauch Ginseng genießen oder traditionellen Weihnachtsliedern lauschen?" Wie feiern die Nordkoreaner die festlichen Tage?, fragt Stuart Leighton rhetorisch in einer Pressemitteilung. Der Brite aus Nottingham, der in China lebt, will Lust auf eine Reise in die Diktatur machen - ausgerechnet zu Heiligabend.
Leighton ist mit seiner kleinen Reiseagentur Taedong Travel der Erste, der so eine Reise ins Programm nehmen darf. Bislang waren die Feiertage am Jahresende tabu für Touristen in Nordkorea. Erst im August 2013 haben das Regime und seine staatliche Agentur KITC angekündigt, das Land nun ganzjährig dem Tourismus zu öffnen. Der Grund: Nordkorea braucht Devisen.
Der gewiefte Manager nutzt die Gelegenheit, seinen meist männlichen Kunden den vermeintlich ultimativen Kick anzubieten. Solchen Reisenden, denen Leightons dreitägige Schnuppertouren in die Hauptstadt oder in die entmilitarisierte Zone an der Grenze zu Südkorea nicht spannend genug sind. Die vielmehr ein besonderes Abenteuer in dem paradox erscheinenden Konzept vermuten: ein christliches Fest in dem Land zu verbringen, das praktizierende Christen in Arbeitslager steckt und mit dem Tode bedroht.
Verfolgt, verhaftet, hingerichtet
Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sind 150.000 bis 200.000 Menschen in Lager eingepfercht, auch Christen sollen darunter sein. In diesem Jahr belegt Nordkorea bereits zum elften Mal in Folge den letzten Platz im Christen-Verfolgungsindex des evangelikalen Hilfswerkes Open Doors.
Die Regierung in Pjöngjang spricht von rund 15.000 Christen im Land, das aber lässt sich nicht nachprüfen. Offiziell herrscht Glaubensfreiheit, in Wirklichkeit jedoch wird keine Religion außer der eigenen politischen Juche-Ideologie toleriert. Die Propaganda zelebriert die kommunistische Erbdynastie der Kims einer Religion ähnlich, mit der Dreifaltigkeit des Staatsgründers Kim Il Sung und seinen Nachgeborenen Kim Jong Il und Kim Jong Un.
Zwar existieren ein paar Kirchen, nach Einschätzung von Beobachtern, wie Bernhard Seliger von der Hanns-Seidel-Stiftung, sind solche Gotteshäuser jedoch nur "eine Art Kirche", eine Fassade also, um Religionsfreiheit vorzutäuschen. Es gibt auch buddhistische Glaubensattrappen: Im Chilbo-Gebirge wird der uralte "Kaesim"-Tempel für Reisende vor allem aus China in Schuss gehalten.
Echtes christliches Gemeindeleben soll es nur in Hauskirchen im Untergrund geben: Wie der Informationsdienst "Asia News" unter Berufung auf nordkoreanische Quellen berichtete, entdeckten Sicherheitsbehörden Mitte Mai 2010 eine Hausgemeinde in Kuwal-dong im Westen des Landes. 23 Christen hatten sich demnach dort zu einem Gottesdienst versammelt. Drei sollen hingerichtet worden sein. Solche Berichte lassen sich jedoch nicht überprüfen.
Kontakt zu Einheimischen nicht erwünscht
"Wie feiern die Nordkoreaner die festlichen Tage?" - die Frage des Reiseveranstalters Stuart Leighton wirkt angesichts dieser Berichte zynisch. Seine Antwort ist nicht viel besser: "Das weiß keiner - dies ist die erste Gelegenheit, Weihnachten in Nordkorea zu verbringen, kein Tourist durfte das jemals zuvor." Allerdings werden Urlauber auch an diesen Weihnachtstagen keinen Kontakt zu Nordkoreanern mit Ausnahme ihrer staatlichen Aufpasser knüpfen können, schon gar nicht mit Untergrundchristen.
Zumal das Programm der fünftägigen Weihnachtstour zum Preis von 740 Euro nichts verspricht, was es nicht sonst auch gibt: Sehenswürdigkeiten in Pjöngjang, wie den Juche-Turm oder den Märtyrerfriedhof, dazu eine Fahrt an die südliche Grenze, nahe der zuletzt geschlossenen Sonderwirtschaftszone Kaesong. Und natürlich gehören die obligatorischen Huldigungen der politischen Führer an unzähligen Kim-Il-Sung-Statuen fest zum Pflichtprogramm.
Das Regime hat kein Interesse, das Thema Weihnachten durch tannenbaumselige Touristen aufkommen zu lassen. Die ganzjährige Öffnung des Landes ist vielmehr Teil der Strategie, den bislang unbedeutenden Tourismus zu einem wichtigen Devisenbringer aufzubauen und der Wirtschaft neben der Rüstungsindustrie endlich ein zweites Standbein zu verschaffen. Dazu gehören geplante Skigebiete für reiche Chinesen und die eigene Elite, neue Luxushotels an den Küsten und die jetzt erlaubten Trips aus China nach Sinuiju.
Warum gerade jetzt die neue "Charme-Offensive" im Tourismus? Zu seinem Amtsantritt Ende 2011 hatte Pjöngjangs junger Machthaber Kim Jong Un seinem Volk versprochen, den Lebensstandard zu verbessern. Nach Einschätzungen von Experten, unter anderem der Stiftung Wissenschaft und Politik, hat er dabei auf ganzer Linie versagt. Zwar hat sich die Ernährungslage sichtbar verbessert, allerdings ist das eine Folge der besseren Ernten dank besseren Wetters. Tiefgreifende Wirtschaftsreformen aber hat es bisher nicht gegeben.
Nicht missionieren!
Die wirtschaftliche Lage ist weiterhin so angespannt, dass das Regime die politischen Daumenschrauben fest angezogen hält. Vor allem fürchtet es die christlichen Hilfswerke und Kirchen aus Südkorea und den USA, die Nordkoreanern bei ihrer Flucht über China nach Seoul finanziell und organisatorisch unter die Arme greifen. Und es fürchtet Missionare aus dem Ausland, die den Menschen im Land christliche und damit regimefeindliche Ideen ins Ohr flüstern könnten.
Reiseveranstalter Leighton warnt deshalb seine Reisenden: "Nordkorea-Besuche für Gläubige sind kein Problem. Aber Touristen dürfen keinesfalls ihre Führer oder andere Nordkoreaner zu beeinflussen oder gar zu konvertieren versuchen." Denn dann dürfte aus dem bloßen Nervenkitzel eine reale Gefahr für jeden Nordkorea-Reisenden werden. Besser also die Weihnachtsseligkeit zu Hause lassen - und über andere Themen sprechen.