
Oman: Wandern und wundern in der Wüste
Wandern mit Kamelen in Oman Das schönste Wüsten-Souvenir
Widerwillig richtet sich Milha auf. Sie schnauft, glotzt in die Ferne und weigert sich loszulaufen. Doch Kamelführer Monir gibt nicht nach. Er zieht so lange an den Zügeln, bis sich das Dromedar in Bewegung setzt. "Wir müssen los, um rechtzeitig unser erstes Nachtlager zu erreichen", sagt er und geht langsam voraus.
Ein letzter Schluck Wasser, noch einmal das Gesicht mit Sonnencreme einschmieren, Schirmmütze auf - Milha soll ruhig einen Vorsprung haben. Immerhin ist das Tier schon 15 Jahre alt. Und so gemächlich wie es voranschlendert, hat man es sowieso in ein paar Minuten eingeholt. Oder?
Los geht die Fünf-Tages-Tour ans Arabische Meer. Der feine Sand knirscht unter den Wanderschuhen. Manchmal knackt es auch, wenn man auf Muschelreste tritt, die die Monsunwinde vom nahen Ozean herüberwehen. Mal bläst ein frischer Wind, mal ein heißer Fön.

Oman: Wandern und wundern in der Wüste
Das Wandern im Sand ist extrem anstrengend. Ein Wüstenhase schießt plötzlich aus seinem Bau und holt den Besucher aus der Lethargie. Immer wieder der Versuch, zu Milha aufzuschließen, um eine Wasserflasche aus dem Stoffsack zu nehmen, der auf ihren Rücken geschnürt ist. Doch nach einer Stunde ist Milha immer noch nicht eingeholt. Das träge wackelnde Tier hat den Abstand sogar vergrößert, ohne selber schneller geworden zu sein. Monir muss auf seine Gäste warten.
Dabei hatte er den ersten Tagesmarsch bewusst erst um 16 Uhr gestartet - da steht die Sonne nicht mehr so hoch am Himmel. Aber selbst im Winter ist die Wahiba-Wüste im Nordosten Omans um diese Zeit ein Brutkasten. 37 Grad Celsius, der tiefe Sand und die glühende Hitze machen den Wanderern zu schaffen.
Sehnsuchtsziel: Feldbett
Es wird Abend. Der Himmel färbt sich gelblich, dann rosa und blutrot. In der Ferne sieht man auf einer Anhöhe ein kleines Feuer. Zwei Begleiter waren mit dem Geländewagen vorausgefahren, um schon mal das Zelt aufzubauen und ein Abendessen vorzubereiten: Fisch mit Reis und Gemüse. Serviert wird auf einem Teppich im Sand vor dem Zelt, der Duft von Kardamom liegt in der Luft. Die Trekkingtouristen fallen nach dem Essen völlig erledigt auf ihre Feldbetten - und dürfen bis zum Sonnenaufgang schlafen.
Ein langer Wandertag liegt vor der Gruppe. Bei Omani-Kaffee und warmem Fladenbrot mit Erdbeermarmelade schauen die Wanderer von der Anhöhe zum Horizont. Die Nacht war frisch. Tau liegt noch auf den kleinen Büschen rund ums Zelt. "Wir müssen die kühlen Morgenstunden nutzen", sagt Monir und geht mit Milha wieder voran.
Absolute Stille herrscht in den Weiten der Wüste. Kein Handy, kein Straßenlärm, kein Gequassel - nur ein eher wortkarger Kamelführer und ab und zu ein Schnauben. Nach einer Stunde dann die erste Fata Morgana. Oder steht da tatsächlich eine schneeweiße Moschee in den goldgelben Sanddünen? Ja, sie ist echt. Doch für wen wurde sie erbaut, hier, in der scheinbaren Einsamkeit? "Neben den Wahibas leben zahlreiche Beduinen-Stämme in der Umgebung", sagt Monir. Viel zu sehen ist von ihnen nicht. Vereinzelt lassen jedoch Ziegen- oder Kamelherden auf die Existenz von Nomaden und Beduinen-Hirten schließen.
Die Wahiba-Wüste ist mit 15.000 Quadratkilometern nicht einmal die größte des Landes. Von Norden bis Süden erstreckt sie sich über rund 250 Kilometer, von Osten nach Westen sind es 80 Kilometer. Im Westen und Nordosten verhindern die großen Wadis, häufig Wasser führende Täler mit ihrer Oasenvegetation, die weitere Ausdehnung der Wüste. Im Osten reichen die Dünen bis an den Indischen Ozean.
20 verschiedene Dünenformationen
Gerade weil sie überschaubar ist, wurde die Wahiba-Wüste interessant für Reiseveranstalter - und für Wissenschaftler. 1985 kam erstmals die britische Royal Geographical Society und entdeckte fast 200 Säugetiere, Vögel und Reptilien, 180 verschiedene Pflanzenarten und Zigtausende wirbellose Käfer, Schlangen und Skorpionarten. Deshalb rät Monir auch immer, morgens gründlich in die Wanderschuhe zu schauen, bevor man sie anzieht.
Die Wüstenforscher machten auch mehr als 20 verschiedene Dünenformationen aus. Im nördlichen Teil der Wüste bestimmen hohe rötlichorangefarbene Dünen die Landschaft. Im Süden und Richtung Ozean dominieren hingegen kleinere, fast weiße Sicheldünen.
Die Sandberge werden immer gewaltiger, weit mehr als 100 Meter hoch. Monir treibt das Kamel einen steilen Kamm hinauf. Oben haben die Begleiter das Camp am Rande eines tiefen Dünenkraters aufgebaut und Äste für das Lagerfeuer gesammelt. Einer steckt sich eine Pfeife an, es gibt Tee. Auf einer Düne am Horizont tauchen die Silhouetten von Kamelen auf - und die Wüstenromantik lässt die Strapazen vergessen.
Es ist windstill, die Sterne funkeln in die Nacht, niemand will im Zelt schlafen. Langsam geht das Feuer aus, es wird frisch. Am Morgen ist die Decke klitschnass, Nebel liegt über den Dünen. Zwischen den Zähnen knirscht der Sand.
Auf der letzten Tagesetappe kann man bereits die salzige Meeresluft riechen. Nach sechs anstrengenden Kilometern über haushohe Dünen sieht man ihn dann endlich - den Indischen Ozean. Schuhe aus, Hemd vom Leib, Rucksack ab und schnell ins Wasser. Badezeit für alle - auch für die Kamele.
Doch während sich Schweiß und Sand von fünf Tagen Wandern abwaschen lassen, ist da noch immer diese Ruhe im Kopf. Das schönste Souvenir aus der Wüste.