Wracktauchen Schatzsuche im Bermuda-Dreieck

Berichte über spurlos verschwundene Schiffe und Flugzeuge machten das "Bermuda-Dreieck" weltberühmt. Tausend Wracks sollen im flachen Wasser vor den Riffen der Inseln im Atlantik ruhen. Sie locken inzwischen Schatzsucher aus aller Welt, denn einige der gesunkenen Schiffe hatten Gold an Bord.

Hamilton - Spanische Galeonen nutzten im 16. Jahrhundert Bermuda auf ihrem Rückweg in die Heimat als Wegmarke, um in den Weiten des Atlantiks den nordwärts fließenden Golfstrom zu verlassen und mit ihren Schätzen gen Osten zu segeln. Da konnte es leicht passieren, dass ihnen die Korallen plötzlich den Weg verbauten. Dicht an dicht reihen sich nun gesunkene Frachter und Passagierschiffe, Dampfer, Fregatten und Galeonen aus fünf Jahrhunderten wie ein Ring um die Inseln.

"An manchen Tauchplätzen liegen die Wracks sogar übereinander", sagt Tauchlehrer Terry Pryse, während er den Motor seines Bootes startet. Behutsam schippert er das Boot durch die schmalen Passagen von "Ely's Harbour", einer Bucht im Südwesten Bermudas. Die Bucht wirkt aufgeräumt. Strahlend weiße Yachten liegen in der Sonne im türkis-grünen Wasser. Dann dreht Terry bei und lenkt das Boot in Richtung Meer, denn im Außenriff liegt das berühmteste Wrack Bermudas: die im Zweiten Weltkrieg gesunkene "Constellation".

Auf Fragen nach den Geheimnissen des Bermuda-Dreiecks reagiert Terry mit einem Lächeln. Die Eckpunkte des Dreiecks seien Bermuda, Florida und Puerto Rico in der Karibik, erklärt Terry. Dies sei eine riesige Fläche, in der laut Statistik nicht mehr Schiffe untergingen als etwa in der Nordsee. Eine spektakuläre Erklärung haben Geologen formuliert: Die Wissenschaftler vermuten im Tiefseeboden große Methangas-Vorkommen. Durch Erschütterungen in der Erdkruste könnten Blasen aufsteigen, die so groß sind, dass sie Schiffe verschlucken. Tief fliegende Flugzeuge könnten sogar in den Gaswolken explodieren.

Bermuda liegt auf dem Gipfelplateau eines mächtigen, etwa 50 Millionen Jahre alten Vulkans, der sich steil aus der Tiefsee erhebt. Während die Inseln selbst sehr eng zusammenliegen und nur einen kleinen Teil dieses Plateaus einnehmen, erstrecken sich die Rücken der Korallenbänke nahe der Wasseroberfläche über ein Gebiet, das etwa 40 Mal größer ist als Bermuda selbst.

Routiniert lenkt Terry das Boot durch das Labyrinth des Außenriffs. Hier und dort brechen sich Wellen an den scharfen Kanten der Korallenblöcke. Weiter hinten ragt das Riff nur bis knapp unter die Oberfläche, viele Hindernisse sind nur schemenhaft zu erkennen. Wie Stockflecken beschmutzen olivgrüne Korallenringe die makellose blaue Wasserfläche. In der Mitte schimmern sie hellblau, an den Rändern braun. "Nacht-Tauchgänge können wir hier leider nicht machen", sagt Terry. Bei Dunkelheit ist es zwischen den Riffen zu gefährlich.

Schließlich legt Terry an einer Boje an, die den Tauchplatz markiert. Dunkel heben sich in zwölf Metern Tiefe bereits die Umrisse des Wracks vom hellen Sandgrund ab, das Wasser ist glasklar. "Im Winter kannst Du hier im Wasser 60 Meter weit schauen", sagt Terry - und taucht ab. Gemächlich pendeln die grün-violetten Fächer der Hornkorallen im Takt der See, Papageienfische schwimmen vorbei.

Die Korallenriffe Bermudas sind die nördlichsten des Atlantiks. Sie verdanken ihre Existenz dem Golfstrom, der warmes Wasser aus der Karibik herbei transportiert. Die wenigen Korallen- und Fischarten, deren Larven die fast dreiwöchige Reise von den nächst gelegenen, etwa 1700 Kilometer entfernten Riffen bei den Bahamas überlebt haben, gedeihen dafür im Überfluss.

Die "Constellation" sank im Juli 1943 auf dem Weg nach Venezuela. Zur Fracht des Vier-Mast-Schoners zählten Zementsäcke, Schottischer Whiskey und Medikamente - vor allem Ampullen voller Morphium. Die Drogen an Bord machten das Schiff berühmt. Denn Peter Benchley, der seinen Bestseller "Der Weiße Hai" hier auf Bermuda schrieb, erkor den Kampf um die wertvolle Fracht zum Thema seines Romans "Die Tiefe".

Heute liegt der Holzrumpf des Viermasters in Teile zerfallen über dem Riff verteilt, die Aufbauten hat die See gefressen, die Reste der Ladung haben Wellen zerschlagen. Einzig der Zement trotzt dem Zerfall: Wie Kissen aus Stein ruhen die ausgehärteten Säcke im Sand und stapeln sich meterhoch. Direkt daneben liegen die Reste des Schaufelrad-Dampfers "Montana". Das Schiff ging bereits 1863 unter. Die stählernen Gerippe der umgekippten Schaufelräder ragen ins freie Wasser. Sie sind groß genug, um hindurch tauchen zu können.

Am Wrack der "Constellation" durchwühlt derweil Terry den Boden. Er sucht Morphium-Ampullen. Doch nicht Schmerzmittel, sondern Sand und Scherben füllen seine Hände. Unaufhaltsam rinnt ihm der Sand durch die Finger. Die Bruchstücke der zerbrochenen Glasampullen scheinen dagegen noch einen Moment im Wasser schweben zu wollen, bevor auch sie zu Boden tänzeln.

Einen wahren Glücksgriff tat Teddy Tucker, als er 1955 das 400 Jahre alte Wrack der spanischen Galeone "San Pedro" plünderte. Er grub im Sand und hielt plötzlich ein mit sieben Smaragden besetztes Goldkreuz in den Händen. Der Wert des "Tucker Cross", wie es seitdem heißt, wurde damals auf mehr als 200.000 US-Dollar - seinerzeit rund 840.000 Mark - geschätzt. Damit gilt es als das wertvollste Einzelstück, das je in den Gewässern der Neuen Welt gefunden wurde.

20 Jahre später sollte das Kreuz ausgestellt werden, denn die britische Königin Elizabeth II. hatte sich angekündigt. Sie wollte der Kolonie einen Besuch abstatten und bei der Gelegenheit auch einen Blick auf das goldene Stück werfen - doch so weit kam es nie. Denn das Schmuckstück verschwand auf dem Weg ins Museum. Trickdiebe hatten das Original gegen ein Imitat vertauscht. Der Fall ist bis heute rätselhaft - wie so vieles im Bermuda-Dreieck.

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