Yucatan Die Sonnenschlange von Kukúlkan

Wird beim rituellen Ballspiel der Gewinner oder der Verlierer geopfert? Rätselhaft sind manche Traditionen der Maya-Hochkultur noch heute. Von den Badeorten an Yucatans Karibikküste sind die wichtigsten Maya-Stätten wie Tulum, Chichén Itzá oder Uxmal nicht weit.

Cancun - In ungefähr sieben Metern Höhe hängt ein Ring, dessen innerer Durchmesser höchstens 50 Zentimeter groß ist. Die schrägen steinernen Wände bieten kaum Halt für einen Anlauf, um den Kautschukball da hindurchzubefördern. Außerdem durfte dieser Ball wohl nur mit Knie, Hüfte, Brust und Arm gespielt werden. Rätselhaft ist das rituelle Ballspiel der Maya noch heute, und die Ballspielplätze in ihren Städten auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan bieten genauso wie viele andere Hinterlassenschaften des geheimnisvollen Volkes viel Platz für Spekulationen.

Von den Badeorten an Yucatans Karibikküste wie Cancun, Playa del Carmen oder von der neu entstehenden Riviera Maya aus sind die wichtigsten Maya-Stätten nicht weit. Tulum zum Beispiel liegt nur gut eine Stunde Busfahrt von Cancun entfernt. Den herrlich auf einer Steilküste über dem Meer gelegenen Ruinen muss man sich zu Fuß nähern - und das ist auch gut so. Parkplätze für Mietwagen oder Busse würden den Blick auf die Tempel und Pyramiden verstellen.

El Castillo, Tempel des herabstürzenden Gottes

Tulum ist auch gut von der Insel Cozumel - Hafen für Kreuzfahrtschiffe vor allem aus den USA und Kanada - zu erreichen. Und so kann es vorkommen, dass man Hunderte von sonnenverbrannten Touristen in den Ruinen herumklettern sieht. Wer also mit sich und den Geheimnissen der Maya allein sein will, der fährt in den frühen Morgenstunden nach Tulum und steht staunend vor dem El Castillo genannten größten Gebäude, dem Tempel des herabstürzenden Gottes und dem Tempel der Fresken, der Architekturstile verschiedener Epochen der Maya-Kultur miteinander vereint.

Gut 50 Kilometer landeinwärts liegt hingegen Cobá. Bis hierher schwappt die Welle des Maya-Massentourismus noch nicht. Im 6. bis 9. Jahrhundert war Cobá eine der größten und bedeutendsten Niederlassungen in Yucatan. Unterirdisch gespeiste Seen sorgten für Wasser auch in Trockenperioden, ein gut ausgebautes Straßennetz verband Cobá mit Chichen Itzá und Tulum.

Besucher von Cobá können sich fühlen wie Entdecker, denn die Ruinen von einst rund 20.000 Bauten sind zum größten Teil noch vom Dschungel überwuchert. In vier Gruppen liegen die wichtigsten Bauten versteckt unter Schatten spendenden Bäumen und müssen zu Fuß, mit einem Leihfahrrad oder mit einem Fahrrad-Taxi erreicht werden. 120 Stufen führen hinauf zur Tempel-Plattform der 42 Meter hohen großen Pyramide, die einen phantastischen Ausblick auf grünen Urwald und daraus hervorragende weitere Pyramiden bietet.

Maya-Stadt Chichén Itzá beherbergte spanische Eroberer

Keine Yucatan-Rundfahrt, die nicht Station in Chichen Itzá macht. Das Geheimnis, das die Maya-Kultur umgibt, teilt sich nicht ohne weiteres mit. Die Rekonstruktion historischer Bauten ist hier aber am weitesten fortgeschritten und vermittelt so ein klareres Bild von einer Maya-Stadt der späten Epoche.

Im Gegensatz zu anderen Städten war Chichén Itzá nie in Vergessenheit geraten und diente den spanischen Eroberern im 16. Jahrhundert sogar als erste Niederlassung im Norden Yucatans. Das bekannteste Bauwerk ist die 25 Meter hohe Pyramide des Kukúlkan im Zentrum Chichén Itzás, die um 800 entstand und in ihren Abmessungen wichtigen Eckpunkten des Maya-Kalenders entspricht. Zweimal im Jahr lässt sich ein erstaunlicher Effekt beobachtn: Zum Frühjahr- und Herbstbeginn wirft die Sonne einen Schatten auf die Stufen der Pyramide, der so aussieht, als würde sich eine Schlange die Treppen hinauf, beziehungsweise hinunter bewegen. Am 21. März schlängelt sich der Schatten die Stufen der Pyramide hinunter. Am 21. September kriecht die "Schlange" nach oben.

Vom Kukúlkan führt in gerader Linie ein Weg zur berühmten Cenote, ein unterirdischer Hohlraum, der als Trinkwasserreservoir diente. Der Tempel der Krieger mit der mittlerweile als Symbol der Maya-Kultur bekannten liegenden Figur des Chacmol ist für Touristen nicht mehr zugänglich.

Der Regengott Chac ist überall

Eine führende Rolle in der Welt der Maya spielte einst auch Uxmal, das in seinen Bauten verschiedene Epochen der rund 1500 Jahre dauernden Maya-Kultur widerspiegelt. Kolossale Anlagen, die fast an mittelalterliche Klöster erinnern, prägen das Bild in Uxmal. Überall taucht das Bild des Regengottes Chac auf, der auch in der eindrucksvollen Show "Sound & Light", die allabendlich das Leben in einer Maya-Stadt lebendig werden lässt, eine große Rolle spielt.

Auch wer sich zuvor in die Welt der Maya vertieft hat, wird während einer einwöchigen Rundreise nicht alle Rätsel der geheimnisvollen Hochkultur verstehen: War Kukúlkan, der höchste Gott der Maya, wirklich ein gestrandeter Wikinger? Und wurde beim rituellen Ballspiel nun der Sieger oder der Verlierer geopfert?

Von Ditmar Hauer, ddp

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