

Antje Blinda/ DER SPIEGEL
Kreuzfahrt in der Coronakrise Fiebertest beim Check-in
Die erste Hochseekreuzfahrt für Deutsche nach der Corona-Zwangspause - und kaum jemand ist da. Der Freitagmorgen im Cruise Center in der Hamburger HafenCity beginnt unspektakulär. Am Kai ragt die MS "Fridtjof Nansen" der norwegischen Reederei Hurtigruten auf. Heute werden nur 160 Passagiere einchecken - 350 hätten auf dem 530-Personen-Schiff mitfahren dürfen. Am Nachmittag brechen sie Richtung norwegische Fjorde, Lofoteninseln und Nordkap auf und legen 15 Tage später wieder in Hamburg an.
Die norwegische Reederei Hurtigruten hätte gern ihr brandneues Expeditionsschiff der Presse vorgeführt, das wie das erst vor einem Jahr in Dienst gestellte Schwesterschiff "Roald Amundsen" mit seinem Hybridmotor eine Besonderheit unter den Neubauten ist. Das war eigentlich schon für den 1. April geplant. Dann kam Corona. Auch heute wollte die Hamburger Hafenbehörde die wenigen Journalisten und die Pressesprecher nicht an Bord sehen, der Kapitän darf das Schiff nicht verlassen und zur Pressekonferenz auf dem Kai am schwarz-roten Bug kommen. Immer noch Corona.

"MS Fridtjof Nansen" von Hurtigruten: Zum Nordkap und zurück
Und aufgrund des Virus, dessen Verbreitung auch in Deutschland noch immer nicht gestoppt ist, muss Hurtigruten mit seinen Sicherheitsmaßnahmen werben. Wer auf Kontaktsuche während der Kreuzfahrt geht, hat schlechte Chancen: Abstand muss jederzeit gewahrt bleiben. Die "Fridtjof Nansen", kaum aus der Werft, hat daher schon die ersten kleinen Umbauten hinter sich.
An der Rezeption sind jetzt Plastikabtrennungen installiert, wie auf Fotos zu sehen ist, auf dem Boden weisen Aufkleber auf den Abstand hin ("1 m"). "Ich habe jeden einzelnen Aufkleber auf dem Schiff selbst angebracht", sagt Hotelmanager Florian Kibgilka, "kein Witz!" Jeder zweite Tisch in den Restaurants sei blockiert, sagt er, die Bar geschlossen, Büfetts gibt es nicht mehr. In Sauna, Pool und Fitnessräumen gelten Kapazitätsbeschränkungen. Die norwegischen Gesundheitsbehörden halten eine Maskenpflicht an Bord dagegen für nicht notwendig, nur, wo es eng werden könnte.
Fiebertest beim Check-in
"Supergut" fühle sie sich vor Antritt ihrer Kreuzfahrt, sagt Mechthild Schäfer. Sie habe keine Bedenken, an Bord zu gehen: "Ich weiß, dass Hurtigruten hohe Standards hat." Die 66-Jährige ist seit 2003 mit den Norwegern unterwegs. Zusammen mit ihrem Mann ist sie aus Nidda angereist und steht jetzt mit zwei großen Koffern vor dem Terminal. Eigentlich wollten sie auf die "Fram" im Sommer - wegen Corona abgesagt. Dann mit der "Fridtjof Nansen" nach Island - abgesagt.
Jetzt ist das Paar unter den ausschließlich deutschen Passagieren, die erst einen Corona-Fragebogen ausfüllen und den Fiebertest beim Check-in bestehen müssen, bevor sie sich in den 264 Kabinen und drei Restaurants des 140 Meter langen Schiffs verteilen dürfen. Zwischen rund 4900 und 15.000 Euro haben sie dafür pro Person bezahlt.
161 Crewmitglieder sind für sie da, davon allein 18 zuständig für Unterhaltung und Ausflüge. Landgänge allerdings wie sonst etwa in Bergen, Tromsö oder am Nordkap sind auf dieser ersten von sechs Touren ab Hamburg nicht möglich. Bis 15. Juli gelten in Norwegen noch die Quarantäneauflagen für Deutsche.
Solange besteht das Bordprogramm vor allem daraus, aus dem Fenster oder von Deck aus auf Fjorde, Berge und das Meer zu blicken. Dazu gibt es Workshops und Vorträge, Schlauchbootausflüge, Stand-up-Paddling und Kajakfahren. "Und Aquavit-Tastings", sagt Kibgilka. Nur Kreuzfahrtschiffen anderer Reedereien, die sonst den Mittsommer am Polarkreis ausnutzen, wird die "Fridtjof Nansen" nicht begegnen. Mechthild Schäfer stört das nicht: "Stadtbesuche brauchen wir nicht, Hauptsache Natur", sagt sie.
Hurtigruten mit ihrem Staatsvertrag für die Postschiffe hat den Betrieb nie ganz eingestellt - während Aida, TUI Cruises, MSC und alle anderen Reedereien weltweit nach und nach Hiobsbotschaften und Absagen verkündeten und Schiffe wie die "Diamond Princess" in Tokio oder "Mein Schiff 3" in Cuxhaven mit infizierten Passagieren oder Crews an Bord in Quarantäne waren. Die Coronakrise beendete den Boom der gesamten internationalen Kreuzfahrtbranche. Gerade erst hat die spanische Reederei Pullmantur unter dem Ex-TUI-Cruises-Chef Richard Vogel Insolvenz angemeldet, sie ist nicht die erste.
Kreuzfahrten hat aber auch Hurtigruten lange nicht durchgeführt, nur die Postschiffe hatten einige Passagiere an Bord. Erst seit dem 16. Juni können Norweger wieder mit Schiffen wie der "Finnmarken" ab Bergen auf Fahrt entlang der Küste gehen. Von den Erfahrungen mit den Corona-Maßnahmen dort profitiere die Reederei, sagt Kibgilka.
Auch andere Reedereien wollen wieder starten
Hurtigruten will zunächst bestimmte Schiffe und bestimmte Routen zur Sicherheit nur für überwiegend eine Nationalität anbieten - als erste waren die Norweger (und Dänen) dran, jetzt sind es die Deutschen. Wer danach mit in die Fjorde cruisen darf, ist noch unklar. Nur 350 der 530 Kojen der "Fridtjof Nansen" werden vergeben - auch wann sich das ändert, hängt vom Verlauf der Coronakrise ab.
Andere Reedereien wie TUI Cruises würden ebenfalls gern wieder loslegen, die Hamburger kündigten Mini-Kreuzfahrten auf der Nordsee mit ihren Schiffen an, die bis zu 3000 Personen beherbergen können. Doch zurzeit steht ein Beginn erst ab 17. Juli im Raum, genauso bei Hapag-Lloyd Cruises. Aida hat alle Fahrten bis mindestens 31. Juli abgesagt, MSC und Costa ebenso. Lediglich Kreuzfahrten auf Flüssen sind inzwischen wieder im Angebot, etwa bei Nicko Cruises oder Arosa. Und alle Anbieter und ihr Verband Clia rotieren, um Maßnahmen gegen Sars-CoV-2 zu beschließen und zu etablieren.
"Es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass Kreuzfahrt wieder möglich ist", sagt Heiko Jensen, VP Sales Europe bei Hurtigruten, am Hamburger Kai, "zumindest die Expeditionsfahrten mit den kleineren Schiffen." Auf der MS "Fridtjof Nansen" mit Ziel Nordkap hätten heute doppelt so viele Passagiere mitfahren können, mehr haben sich seit Buchungsbeginn vor zehn Tagen nicht angemeldet.
Die kommenden fünf Fahrten aber seien stark nachgefragt, sagt Jensen, die Buchungslage für 2021 sei sogar sehr gut. Die Reederei reagiert auf das hohe Interesse in Deutschland und stationiert ab Januar die "Otto Sverdrup" (jetzige "Finnmarken") in Hamburg. Die Absagen durch Corona scheinen die Nachfrage eher zu befeuern.
Passagier Jörg Schatzschneider hat vor dem Aufbruch zu den "schönsten Fjorden unter der Mitternachtssonne", wie Hurtigruten fabuliert, gemischte Gefühle. Er freue sich auf die Ruhe und das Abschalten auf seinem Balkon. Eigentlich arbeitet er an der Rezeption von Aida-Schiffen und ist jetzt im Zwangsurlaub. Das Hybridschiff interessiere ihn, sagt er, und wie Hurtigruten die Maßnahmen zum Infektionsschutz umsetze. Nein, sagt er und lacht, Aida habe ihn nicht zum Ausspähen bei den Norwegern entsandt.