»Aida Nova« in Lissabon: Wegen Coronafällen an Bord war die Kreuzfahrt für rund 3000 Passagiere in Portugal zu Ende
»Aida Nova« in Lissabon: Wegen Coronafällen an Bord war die Kreuzfahrt für rund 3000 Passagiere in Portugal zu Ende
Foto: Soeren Stache / TMN

Reiserecht in der Coronakrise Kann ich meine Kreuzfahrt kostenlos stornieren?

Der Kanaren-Trip wurde vor der Omikron-Verbreitung gebucht – und jetzt kommt ein mulmiges Gefühl auf? Experten erklären, ob und wann eine Seereise ohne Gebühr storniert werden kann.

Eine Kreuzfahrt um die Kanaren im Winter – für viele war das in den Monaten, in denen die Verbreitung des Coronavirus unter Kontrolle schien, eine verheißungsvolle Aussicht. Doch nach und nach mussten Schiffe auch deutscher Reedereien wie Aida Cruises, TUI Cruises und Hapag-Lloyd Cruises rund um die Feiertage ihre Touren vorzeitig beenden – oder sie wurden schon im Vorweg storniert.

Was können nun Verbraucherinnen und Verbraucher tun, die eine Seereisen-Buchung für die nächste Zeit aus Sorge vor Corona am liebsten stornieren möchten?

Die Reedereien selbst verweisen auf ihre bestehenden Regelungen dazu:

  • Bei TUI Cruises zum Beispiel gelten weiter für alle Gäste der »Mein Schiff«-Flotte die regulären Umbuchungs- und Stornoregeln, teilte Sprecherin Friederike Grönemeyer mit. Alle Gäste, die den »PRO-Preis« gebucht haben, könnten ihre Reise einmal kostenlos umbuchen. Das ist bei dieser höchsten von insgesamt drei Preiskategorien des Anbieters bis maximal 50 Tage vor dem jeweiligen Abreisetermin möglich.

  • Aida Cruises wies darauf hin, dass eine einmalige Umbuchung bis 40 Tage vor Reiseantritt kostenfrei möglich ist – aber nur für Reisen, die seit dem 9. Dezember 2021 neu gebucht wurden und bei denen das Schiff bis zum 31. März 2022 ablegt. Für Abfahrten nach dem 31. März gelten andere Regeln. Eine einmalige kostenfreie Umbuchung ist hier bis 60 Tage vor Reisebeginn möglich für Gäste, die den »Aida Premium Tarif« gebucht haben – oder aber dann, wenn Gäste in den letzten zwei Wochen vor ihrem Abfahrtstermin ein positives Testergebnis vorlegen.

  • Bei Hapag-Lloyd Cruises gelten die regulären Stornobedingungen, bei denen ab 29 Tagen vor Reisebeginn 75 Prozent des Reisepreises gezahlt werden müssen. Zwar ist eine Stornokostenversicherung im Preis inbegriffen, die bei Krankheit, Tod, Arbeitslosigkeit und Ähnlichem einspringt – aber nicht bei Erkrankungen während Pandemien, also im Fall von Coronainfektionen.

Nicht übereilt stornieren

Doch was machen Reisende, für die günstigere Regelungen nicht gelten, weil sie andere Tarife gebucht haben oder weil Fristen verstrichen sind? Hier hilft zunächst ein Blick auf die Rechtslage:

Eine Kreuzfahrt ist in aller Regel eine Pauschalreise, weil mehrere Reiseleistungen zusammenkommen, etwa die Verpflegung, der Transport und vielleicht auch die Unterhaltung, sagt André Schulze-Wethmar, Rechtsexperte beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) in Kehl.

Grundsätzlich kann jede Touristin und jeder Tourist vor Reiseantritt nur dann kostenlos vom Reisevertrag zurücktreten, wenn außergewöhnliche Umstände während der Reise am Urlaubsort oder bei der Beförderung dahin zu erwarten sind, sagt der Reiserechtler Paul Degott aus Hannover. Ob dieses europaweit geltende kostenlose Sonderkündigungsrecht bei Kreuzfahrten greift, hänge vom Einzelfall ab, so Schulze-Wethmar.

Verbraucherinnen und Verbraucher sollten in der Regel nicht übereilt stornieren, um nicht auf den Stornokosten sitzenzubleiben, rät Schulze-Wethmar. »Man kann dann zwar noch versuchen, das gerichtlich geltend zu machen, aber das ist recht schwierig«, so der Jurist. Zugleich könnten Verbraucher die Anbieter um Kulanzlösungen bitten.

Die reine Spekulation, dass es zum Beispiel einen Coronaausbruch an Bord geben könnte, reicht in der Regel nicht aus für einen kostenlosen Rücktritt: »Wenn ich jetzt vor einer gebuchten Kreuzfahrt sitze und das dumpfe Bauchgefühl habe ›Das geht auch bei mir schief‹, dann wird mir das leider nicht helfen«, sagt Degott.

Das zeigten laut dem Experten auch Urteile aus den Coronajahren 2020 und 2021. Gerichte hätten dabei genau hingeschaut, ob ein kostenloser Rücktritt von einer Reise zu gewähren war oder nicht. Das sei nur dann der Fall gewesen, wenn handgreifliche Gründe dafür sprachen.

Kostenloser Rücktritt bei Coronaausbruch auf gebuchtem Schiff

Doch was wären solche Gründe?

Degott nennt ein fiktives Beispiel: Ein solcher Grund läge vor, wenn Reisende in der Folgewoche auf ein Schiff gehen sollen, das noch unter Quarantäne liegt. Dann könnte es sein, dass sich ein Risiko so verdichtet hat, dass den Reisenden die Kreuzfahrt nicht zuzumuten sei. »Das kommt aber immer auf den Einzelfall an.«

Wenn aber konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass dort, wo die Kreuzfahrt stattfindet, außergewöhnliche Umstände vorliegen, wäre das ein wichtiger Anhaltspunkt für eine mögliche kostenlose Stornierung.

»Mein Schiff 6« in Dubai: Auch das TUI-Cruises-Schiff brach seine Reise wegen Coronafällen unter der Besatzung und den Gästen ab

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Foto:

LOUISA GOULIAMAKI / AFP

Schulze-Wethmar nennt beispielhaft dafür einen plötzlichen unerwarteten Coronaausbruch der Omikron-Variante am Ausgangsort der Reise oder vielleicht auf demselben Schiff. Bei der Argumentation helfen könnten Reisenden unter Umständen auch Hinweise des Auswärtigen Amtes , das derzeit von bestimmten Kreuzfahrten abrät.

Der Reiseveranstalter oder die Reederei könnte jedoch einwenden: »Wir bringen Sie ja direkt mit dem Bus zum Schiff.« Man dürfe auch nicht vergessen, dass es die Coronapandemie schon längere Zeit gibt, sagt Verbraucherschützer Schulze-Wethmar.

Schon jetzt argumentierten viele Veranstalter damit, dass das Coronarisiko gar kein außergewöhnlicher Umstand mehr sei, zumindest wenn man während der Pandemie gebucht hat. »Und im Zweifel streitet man sich dann wirklich vor Gericht.«

Abwarten und informieren

Am besten sei es für den Verbraucher, wenn der Veranstalter von sich aus storniert – »dann bekommt man das Geld ganz sicher zurück«, sagt Schulze-Wethmar.

Sagt der Anbieter nicht ab und hat man nicht selbst frühzeitig storniert, sollte man so lange wie möglich warten und die Lage im Auge behalten. »Das ist natürlich für den Verbraucher ein heißes Eisen, wenn er länger abwartet.« Denn liegen aus Sicht des Anbieters keine außergewöhnlichen Umstände vor und führt er die Tour durch, bleiben Reiseunwillige meist auf hohen Stornokosten sitzen.

Besorgte Reisende sollten sich direkt mit dem Anbieter in Verbindung setzen und gezielt nach den Maßnahmen zum Infektionsschutz an Bord fragen, rät Degott. Vielleicht ließen sich so zumindest die Sorgen minimieren.

Um Probleme zu vermeiden, sollte man sich nach Empfehlung der Experten schon bei der Buchung für ein Angebot entscheiden, bei dem der Anbieter von sich aus ein kostenloses Stornorecht einräumt. Es gebe Reiseveranstalter, die gegen Aufpreis ein zusätzliches vertragliches kostenloses Rücktrittsrecht einräumen.

Oder man schließt eine entsprechende Versicherung ab. Hier sollte man aber die Konditionen prüfen. Bei Beschwerden gegen Reiseanbieter im EU-Ausland bietet das EVZ kostenlos eine außergerichtliche Unterstützung an.

Wer die Reise dann antritt, hat auch Anspruch auf die komplette Durchführung. Gelingt dem Anbieter dies nicht, können Kundinnen und Kunden den Reisepreis zurückverlangen – zumindest für jene Tage der Reise, die sie am Ende nicht hatten. Zudem können Minderungsansprüche für die Tage davor gelten, sagt Degott – etwa, wenn wegen Maßnahmen an Bord das Programm abgespeckt wurde oder man sogar in der Kabine bleiben musste. »Dabei kommt es auf ein Verschulden des Anbieters nicht an.«

abl/Peter Löschinger, dpa
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