Aus dem Leben eines Concierge Der Zauberer von Portofino

Ob Seidenstrümpfe für Liza Minnelli oder 2000 Rosen für einen Casanova - Fausto Allegri, Concierge im legendären Hotel "Splendido" in Portofino, erfüllt berühmten Gästen die ausgefallensten Wünsche. So virtuos, dass er selbst zum Star geworden ist.
Von Tomas Niederberghaus

Nicht wenige Hotelgäste stehen nachts nackt auf dem Korridor. Das liegt daran, dass sie trunken oder schlaftrunken aufstehen und die Tür zum Korridor mit der Tür des Badezimmers verwechseln. Andere finden grundsätzlich nicht wieder heraus aus ihrem Zimmer, wie zum Beispiel jener Amerikaner, der eines Morgens Fausto Allegri anrief und fragte: "Fausto, wie verlasse ich diesen Raum?" - "Durch die Tür", antwortete ihm Fausto, woraufhin der Amerikaner bemerkte: "Es gibt nur zwei Türen. Eine führt ins Badezimmer, vor der anderen hängt ein Schild Bitte nicht stören'."

Nein, dieser Amerikaner sei nicht Bill Gates gewesen. Aber er war nur etwas weniger reich und etwas weniger klug, wie Fausto Allegri mit süffisantem Unterton versichert. Und theoretisch hätte es auch Bill Gates gewesen sein können, denn den kennt Fausto Allegri genauso wie Richard Burton, Elizabeth Taylor, Mel Brooks und Robert De Niro, wie Barbra Streisand und die Spice Girls, wie Pete Sampras und Francis Ford Coppola und all die anderen. Es ist nämlich so: Wann immer ein Vertreter des internationalen Jetsets im Hotel "Splendido" in Portofino absteigt, und irgendwann steigen sie alle hier ab, dann trifft er ganz automatisch auf Fausto Allegri.

Möglicherweise wird jeder dieser Stars zunächst denken: Er ist einer von uns. Denn Fausto Allegri arbeitet in dem Grandhotel zwar als Concierge, er hat aber weder von seinem Charakter noch von seinem Äußeren etwas mit dem leicht verhuschten Charme eines Concierges gemein. Er ist fast 70 und gleicht eher einem in die Jahre gekommenen Popstar. Er trägt das graue Haar schulterlang, der Ausschnitt des Hemdes legt eine schwere Goldkette frei. Er besitzt ein Talent, Hotelgeschichten so zu erzählen, dass man sie nie wieder vergisst.

Es sind Geschichten, die meistens mit dem ausgefallenen Wunsch einer Diva beginnen und mit Fausto Allegri höchstselbst enden. Denn er ist der Mann, der das Unmögliche möglich macht. Um eine seiner Geschichten wirklich zu erfassen, sollte man zunächst einen Blick auf die Bühne werfen, auf der sie spielt: Das Hotel "Splendido" thront als terrakottafarbene Villa in den kräftig grünen Hügeln der ligurischen Küste. Gärtner zwirbeln den Park, unter uralten Olivenbäumen wachsen Lavendel und wilde Kräuter, selbst die Vögel zwitschern vornehm zurückhaltend. Aus der Bar klingt das Piano bis auf die Terrasse, wo Hummer mit gegrilltem Gemüse serviert wird. Von hier blickt man hinunter zum Meer, das im Sommer zuweilen so türkis wie die Karibik schimmert. Mit jeder einlaufenden Yacht landen wieder ein paar Millionen Euro an.

"Wir sprechen hier nicht über Geld"

Fausto Allegri sitzt in der Piano-Bar unter den Schwarzweißaufnahmen der Besucher. Rechts von ihm hängt ein Foto, es zeigt die 1979 verstorbene Woolworth-Erbin Barbara Hutton (sieben Ehemänner, alkoholkrank, anorektisch). Sie trägt ein elfenbeinbeiges Kostüm und einen Sommerhut in der gleichen Farbe. "Barbara Hutton kam mit Entourage und 120 Gepäckstücken ins 'Splendido', sagt Fausto Allegri, "können Sie sich das vorstellen? 120!" (Man könnte hier einwenden, dass Fausto Allegri vielleicht ein wenig übertreibt. Aber selbst wenn es nur 80 Gepäckstücke waren, so sind es immerhin etwas mehr, als jeder gewöhnliche Reisende bei sich hat, und zudem hält es Fausto Allegri wie Oscar Wilde, der einmal gesagt hat: "Wo keine Übertreibung ist, da gibt es keine Liebe, und wo keine Liebe ist, da gibt es kein Verstehen.")

Als sie dann abreisen wollte, sagte sie: "Fausto, übermorgen muss ich nach Nizza, aber die Bahn streikt, was können wir tun?" - "Madame", habe ich sie beruhigt, "ich werde eine Lösung finden." Stellen Sie sich vor: Ich habe einen Zug gemietet, und das während des Bahnstreiks. Wissen Sie, was das damals in den frühen 1970er Jahren hieß - einen Zug mieten? Man konnte nur zum Manager des Bahnhofs gehen und sagen: "Ich brauche einen Zug, übermorgen, bis Nizza." "Signor Allegri", sagte der Manager, "das kostet viel Geld!" Und ich antwortete: "Hören Sie zu, wir sprechen hier nicht über Geld, sondern darüber, dass ich einen Zug brauche."

Am nächsten Tag wurden 120 Gepäckstücke in einen Sonderzug verladen. Und mit ihnen ihre Besitzerin Barbara Hutton. Nach einer solchen Geschichte schaut der Mann der unbegrenzten Möglichkeiten sein Gegenüber erwartungsvoll an. Seine wasserblauen Augen strahlen wie die eines Jungen, der seiner Mutter gerade ein Kunststück vorgeführt hat und ihr dann mit kindlicher Selbstverständlichkeit sagt: Später werde ich ein großer Künstler.

Der italienische Oliver Twist

Allerdings verlief seine Kindheit nicht so reibungslos, wie man denken könnte. Die Eltern lebten in der Nähe von Parma, bettelarm. Irgendwann stellten sie fest, dass sie ihre beiden Söhne nicht versorgen konnten und beschlossen, einen von ihnen abzugeben. Sie entschieden sich für Fausto. Der Junge hatte den kräftigen, energischen Geist eines Oliver Twist, und ähnlich wie die Dickens'sche Hauptfigur brachte ihn ein Kirchspieldiener in ein Heim, wo ihn eine Hotelbesitzerin aus Santa Margherita, dem Nachbarort von Portofino, entdeckte und Gefallen an ihm fand. Er fragte sie, ob er in ihrem Hotel arbeiten dürfe. Das war 1947.

Ein Jahr später wurde Fausto Allegri eingestellt, um täglich die Treppe zum Eingang des Grandhotels "Miramare" sauber zu halten. Auf dieser Treppe putzte er sich nach oben. Auch andere Hoteliers erkannten seinen Eifer, sein freundliches, kommunikatives Wesen und seine Tugend, Zugesagtes bis ins Kleinste einzuhalten. Das brachte ihm neue Jobs ein. Zunächst den als Kofferträger, dann wurde er Concierge. Er lernte Englisch und Französisch, arbeitete in verschiedenen Grandhotels, in London und Paris und an den italienischen Seen, bis er am 21. September 1963 nach Portofino zurückkehrte, als Chefconcierge im Hotel "Splendido".

Fausto Allegri verkörpert eine Hotelära. In dieser Ära waren Hoteliers noch Hoteliers und keine Kapitalgesellschaften, und ein Concierge in goldbetresstem Gehrock trug weder Ring noch Uhr. Er stand hinter einem leicht als solches erkennbaren Concierge-Desk und wusste die Privatsphäre der Gäste wie ein stummer Diener zu wahren. Unaufgefordert kamen ihm nur Worte über die Lippen wie "Guten Tag" und "Auf Wiedersehen". Heute bombardiert man Gäste am Morgen mit Fragen (Haben Sie gut geschlafen? Wie geht es Ihnen heute?) und spricht sie mit Namen an. Aus Gründen der Diskretion ist das nicht jedem recht. Es sei denn, man heißt Magic Johnson, der ja nicht mit 20 bis 25 Bodyguards in Portofino anreist, um unerkannt zu bleiben, sondern um seinen Auftritt zu inszenieren. "Früher", sagt Fausto Allegri, "kamen reiche Leute, heute kommen Leute mit viel Geld."

Strümpfe für Liza Minnelli, 2000 Rosen aus der Luft

Doch inzwischen passt sich das kostspielige Haus in vornehmer Lage dem Wunsch der Gäste mit viel Geld an. Wie in anderen Hotels dieser Güte gibt es auch hier keine Kleiderordnung mehr. Es kann vorkommen, dass man einen Mann sieht, der in Boxershorts, mit weißen Söckchen und Sandalen aus einem der mit antikem Mobiliar und Seidentapeten ausgestatteten Zimmer kommt, der in diesem wenig anmutigen Outfit über die Perserteppiche des Foyers zur Terrasse läuft, um dort an einem Tisch - weißes Tuch, Silberbesteck - zu frühstücken.

Wahrscheinlich ein Amerikaner. Ein guter Concierge hat ein offenes Ohr. Er weiß Gästen zuzuhören und nimmt sich für ihre Bedürfnisse Zeit. Wer Fausto Allegri einmal dabei beobachtet hat, wie er sein Gegenüber fixiert, wie seine gekräuselte Stirn ein Indiz dafür ist, dass er die Wünsche seiner Gäste speichert, wer einmal gehört hat, wie er eine Bitte mit einem "Selbstverständlich, Sir" beantwortet, der kann sich gut vorstellen, dass Liza Minnelli ihn einst bat, ihr ein paar Strümpfe zu besorgen. Burt Lancaster fragte ihn nach einem Sonnenhut. Nur als ein Casanova vor wenigen Jahren vor ihm stand und nach Blumen fragte, perlte Schweiß auf Fausto Allegris Stirn.

"Fausto, kannst du ein paar Rosen besorgen?", fragte der Herr. "Wie viele, Sir? Sind 50 in Ordnung?", entgegnete Fausto. "Nein, mehr." "100?" "Fausto, nicht so bescheiden." "200?" "Bitte, Fausto, was sind 200 Rosen?" "Möchten Sie 500?" "Hör zu, Fausto, ich brauche 2000, und ich brauche sie ohne Stiel, und dann benötige ich noch einen Helikopter." (Fausto Allegri reißt beim Erzählen noch einmal so erstaunt die Augen auf, wie er es damals, als der Casanova vor ihm stand, getan haben muss. Ein Kellner hat mitbekommen, worum es geht und bittet den Gast, gut zuzuhören, denn dieses sei "das Coolste", was es in der Geschichte des Hotels "Splendido" gegeben habe.)

"2000", stammelte Fausto, "ohne Stiel. Mit Helikopter. In Ordnung, Sir. Morgen früh um elf Uhr." Er habe sämtliche Rosen der Märkte und Geschäfte an der ligurischen Küste aufgekauft. Er habe nach vielen Telefonaten einen Helikopter bekommen. Am nächsten Tag habe der Casanova um Punkt elf Uhr seine Freundin gebeten, ein paar Bahnen zu schwimmen. Kaum war sie ins Becken gestiegen, sei der Hubschrauber erschienen. Fausto sagt: "Er flog sehr tief, und als er über dem Pool war, regneten 2000 rote Rosen auf die Dame herab." Einer der Gäste sei ein wenig konsterniert gewesen. Fausto Allegri sagte ihm nur: "Der Mann ist einfach sehr verliebt."

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