Foto: Cafe Komine

Süße Weltreise durch Berlin Noch ein Eclair? Einen Cupcake oder etwas Baklava?

In Berlin werden mehr als hundert Sprachen gesprochen – und auch die »süße Szene« der Hauptstadt ist vielfältig. Ein Bummel zu japanischen Confiserien, portugiesischen Bäckern und syrischen Konditoren.
Von Schokoladenkennerin Tanja Dückers

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Wer Süßes mag, kann sich in der deutschen Hauptstadt rund um die Welt schlemmen, nach Japan, Syrien, Frankreich oder in die USA etwa. Und einen Vorteil haben die Berliner Patisserien, Confiserien, Bäckereien und Konditoreien in der Coronakrise: Als Lebensmittelgeschäfte bleiben sie geöffnet, ihre Köstlichkeiten machen ein weihnachtliches Gefühl im Bauch, auch wenn der Lieblingsweihnachtsmarkt in diesem Jahr geschlossen ist. Und tröstlich ist: Man kann dort immer wieder Nachschub holen, wenn die Feiertage längst vorbei sind.

Hier ist ein Bummel zu sieben Manufakturen in Berlin – und wer süchtig ist, kann sie an einem Tag mit S- und U-Bahn ansteuern:

Konditorei Komine des Japaners Shin Komine, der erst Cellist war und jetzt Patissier ist

Konditorei Komine des Japaners Shin Komine, der erst Cellist war und jetzt Patissier ist

Foto: Cafe Komine

Die süße Tour beginnt in Schöneberg mit der großartigen Konditorei Komine: Hier zaubert der Japaner Shin Komine seit 2016 mit französischem Patisserie-Handwerkskönnen und japanischen Zutaten wie Yuzu-Gelee wunderbare Törtchen, aufgeschnittene Biskuitrollen, Eclairs und andere süße Kreationen.

Allein der Anblick der Vitrine ist ein Traum. So gibt es etwa ein raffiniertes Törtchen Mont Blanc in der Form eines herabfallenden, geriffelten Rokokokleids. Die Geschichte hinter diesem süßen Berg steht sinnbildlich für die französisch-japanische Freundschaft.

Eigentlich ist Mont Blanc ein französischer Klassiker. In den Dreißigerjahren brachte ein japanischer Unternehmer namens Sakota, der sich daran nicht sattsehen und -essen konnte, diese Delikatesse von einer Europareise nach Japan. Dort stieß sie auf begeisterten Zuspruch. In seiner Heimatstadt Jiyugaoka wird dieses Törtchen noch heute im Café Mont Blanc verkauft und erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Shin Komine hat von klein auf in Japan dieses Törtchen kennen und lieben gelernt.

Europa hat ihn immer gereizt. In Tokio lernt der ausgebildete Cellist an der renommierten französischen Kochschule Le Cordon Bleu. Seine Ausbildung zum Patissier schließt er mit Bestnote ab. Danach zieht es ihn ins plüschig-gemütlich-süße Europa. In Berlin kommt ihm die Idee eines kulinarischen Crossovers. Er gründet die erste und einzige französisch-japanische Konditorei der Hauptstadt: Komine. Eine seiner Spezialitäten ist die Forêt-noire-Torte (Schwarzwälder Kirschtorte), deren Zubereitung er in Tokio gelernt hat.

Café Komine . Welserstraße 13–15, 10777 Berlin; Tel. (030) 224 779 55

Konditorei Damaskus: Pistazien aus der Türkei, Butter aus den Niederlanden

Konditorei Damaskus: Pistazien aus der Türkei, Butter aus den Niederlanden

Foto: Anton Landgraf

Vom Komine aus geht es mit der U-Bahn nach Neukölln, auf die Sonnenallee, zur Konditorei Damaskus. Der Inhaber dieses süßen Schatzkästchens, Tamim al-Sakka, stammt aus einer alten Konditorenfamilie. In Damaskus und in Homs besaß al-Sakka 25 Geschäfte, 150 Mitarbeiter waren für ihn tätig. Die hochwertigen Süßigkeiten wurden nach eigenen Rezepten hergestellt. In Syrien sind der 48-Jährige und seine Familie im ganzen Land bekannt. Doch der Krieg zwang Tamim al-Sakka, mit Frau und Kindern sein Heimatland zu verlassen.

Ihre lange Irrfahrt endet in der Flüchtlingsunterkunft in der Nähe von Berlin. Nach einem Jahr hält al-Sakka ein B1-Sprachzertifikat in der Hand, doch zu Hause herumsitzen und Sozialleistungen beziehen? Dazu hat der ehemalige Unternehmer keine Lust. Al-Sakka besucht viele Konditoreien, doch die arabischen Süßigkeiten in Berlin sind für ihn eine herbe Enttäuschung. Und schon entsteht seine Geschäftsidee: eine Konditorei für hochwertige arabische Süßigkeiten. Auf der Sonnenallee findet er einen leer stehenden Laden – eine gute Lage mit viel Laufpublikum!

Doch nun müssen die besten Zutaten gefunden werden. Lange sucht er Händler, die Produkte mit konstant hoher Qualität liefern können. Walnüsse, Pistazien, Mandeln, Datteln, Feigen, Gelee, Marmelade, Honig, Butter, Rosenwasser und Zucker sind die wichtigsten Zutaten für die orientalischen Leckerbissen. Pistazien lässt er sich aus der Türkei, die Butter aus den Niederlanden liefern.

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Süßes Berlin: Ein Bummel von Tanja Dückers

Foto: Anton Landgraf

Mittlerweile beschäftigt al-Sakka zehn Mitarbeiter. Alle sind ehemalige syrische Flüchtlinge. Zunehmend finden sich auch deutschstämmige Kunden ein, die auf den Geschmack der orientalischen Spezialitäten gekommen sind. Tamim al-Sakka sagt, er habe schon erkannt, dass überschwängliche Anerkennung in Deutschland meist nur aus wenigen Worten bestehe. Ein knappes »Sehr gut« bedeute, dass man Hervorragendes geleistet habe.

In den vergangenen Jahren wurden wiederholt rechtsextremistisch motivierte Anschläge auf die Konditorei Damaskus verübt, zuletzt im Herbst 2020. Ein Grund mehr, die Konditorei mit einem Einkauf zu unterstützen.

Konditorei Damaskus . Sonnenallee 93, 12045 Berlin; Tel. (030) 703 707 11

Von Neukölln aus lässt es sich unkompliziert mit der U8 vom Hermannplatz in den Wedding fahren. Hier warten zwei Tempel des Süßen auf nimmersatte Leckermäuler:

Du Bonheur: Hannoveranerin mit Leidenschaft für französische Spezialitäten

Du Bonheur: Hannoveranerin mit Leidenschaft für französische Spezialitäten

Foto: Anton Landgraf

Ein Stück Paris mitten in Berlin gefällig? Dann sind Sie im Du Bonheur (»Vom Glück«) genau richtig! Inhaberin und Patissière Anna Plagens stammt aus Hannover; im Elsass erlernte sie die Grundlagen des französischen Konditorhandwerks. Danach arbeitete sie fünf Jahre lang an der Seite des Pariser Patissier Pierre Hermé. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit war die Entwicklung neuer Rezepturen.

Nach ihrer Prüfung zur Konditormeisterin eröffnete sie in Deutschland mit dem ehemaligen Küchenchef des Restaurants Uma (Hotel Adlon) Stephan Zuber das Du Bonheur. Das Angebot orientiert sich an der klassischen Pariser Patisserie; dazu gehören regionale Spezialitäten wie Cannelés Bordelais, Kouign-amann oder Kougelhopf. Die Patisserie bietet ausschließlich Stückdesserts an wie Mille-feuille, Éclair, Fraisier und saisonal wechselnde Tartelettes, die Plagens' Einfallsreichtum beweisen.

Einen größeren Kontrast als den zwischen der abgerockten Brunnenstraße und den perfekt zubereiteten kleinen französischen Patisseriewunderwerken von Du Bonheur kann man sich kaum vorstellen. Doch Plagens möchte, »dass man die Welt um sich herum für einen Moment vergisst. Ich möchte kleine Fluchten aus dem Alltag schaffen, wie es die Franzosen beim Essen erleben. Dort sitzt man stundenlang um den Tisch zusammen, zelebriert das Essen und lässt es sich gut gehen. Diese Lebensart hat mich inspiriert und geprägt«.

Du Bonheur.  Brunnenstraße 39, 10115 Berlin; Tel. (030) 565 919 55

dilekerei im Wedding: Dilek Topkara zaubert einen Mix aus Londoner, türkischer und deutscher Backkunst

dilekerei im Wedding: Dilek Topkara zaubert einen Mix aus Londoner, türkischer und deutscher Backkunst

Foto: Anton Landgraf

Den Namen dilekerei hat sich Dilek Topkara ausgedacht: Er ist ein deutsch-türkisches Wortspiel aus ihrem Vornamen und Leckerei. Topkara, in Berlin aufgewachsen, teilt mit ihrem Vater, einem Koch, die Begeisterung für gutes Essen. Nach einem Studium der Lebensmitteltechnologie spezialisierte sie sich in London auf Cake-Design.

Nach Jahren in London und New York ging sie zurück in ihre Heimatstadt und gründete 2013 dilekerei im Wedding. Dort verzaubert sie die Gäste mit majestätischen Meisterwerken wie dem White-Choc-Cake mit Brombeere und Pistazien, der Karamell-Nuss-Tarte mit Ganache oder der Orange-Maracuja-Mandel-Torte. Den Einfluss ihrer Londoner Jahre schmeckt man in klassischen Rezepten der britischen Backkunst wie Banana Loaf oder Victoria Sponge.

Topkara nimmt auch türkische Traditionen auf, deutsche Klassiker interpretiert sie neu. Sie legt Wert auf hochwertige Lebensmittel, deren Herkunft sie kennt: Obst kommt von einem Bauern aus Brandenburg, Haselnüsse aus dem Garten ihrer Großeltern in der Türkei. Die Marmeladen kocht sie im Sommer selbst ein. In der dilekerei sehen nicht nur die Speisen bezaubernd aus, das Café ist im nostalgischen Ambiente mit Antiquitäten eingerichtet. Die süßen Preziosen werden auf Porzellantellern oder türkischen Silbertabletts serviert.

dilekerei . Eulerstraße 11 b, 13357 Berlin; Tel. 0152 296 34 351 / (030) 929 001 22

Einmal am Bahnhof Gesundbrunnen in den Ring, in die durch den Mauerbau unterbrochene und im Jahr 2002 wieder hergestellte Ringbahn, gestiegen, und schon ist man einen Bezirk weiter östlich, im Prenzlauer Berg (»Schönhauser Allee«).

Sugafari: Süßes aus Kenia, Mexiko und der Sahelzone

Sugafari: Süßes aus Kenia, Mexiko und der Sahelzone

Foto: Anton Landgraf

Der wunderschön mit Weltkarten und Reisekoffern eingerichtete Laden Sugafari – kuriose Süßigkeiten aus aller Welt in der Kopenhagener Straße ist unbedingt einen Besuch wert! Süßes aus fast allen Kontinenten kann man hier kaufen; unterteilt wird in Westeuropa, Osteuropa, Amerika, Afrika, Ozeanien und Australien. Die süßen Überraschungen, oft farbenprächtig und exotisch, werden in alten Reisekoffern und Bananenkisten feilgeboten.

Für kulinarisch Interessierte ist Sugafari eine Fundgrube. Hier sind Bonbons aus der Sahelzone, Cracker aus Indien, Lollies aus Mittelamerika, Kaugummi aus Kenia und pikante Lutscher aus Mexiko zu entdecken, Bani-Keksbärchen aus Tschechien und sehr leckere Melonen-Mandarinen-Orangen-Bonbons, die es nur in den USA gibt. Empfehlenswert für Unentschiedene sind die Wundertüten. Aufschriften wie »Deutsche Kindheit« oder »American Way of Life« lassen erahnen, was an Süßem oder Saurem darin schlummert.

Ein Tipp für Experimentierfreudige: die Kawaii-Tüte mit japanischen Süßigkeiten. Etwas speziell sind neben den Süßigkeiten auch die Öffnungszeiten – unbedingt vorher nachschauen!

Sugafari . Kopenhagener Straße 69, 10437 Berlin; Tel. (030) 956 097 13

Von hier aus geht es gemütlich zu Fuß weiter zur wunderbaren Bekarei.

Bekarei: »Wir sind Portugal, wir sind Griechenland, und wir sind Berlin«

Bekarei: »Wir sind Portugal, wir sind Griechenland, und wir sind Berlin«

Foto: Anton Landgraf

»Wir sind Portugal, wir sind Griechenland, und wir sind Berlin«, sagt das Bäckerpaar aus der Dunckerstraße. Die Portugiesin Paula und ihr griechischer Mann George leben seit über 20 Jahren in Berlin. In ihrer Bekarei werden in feinster Handarbeit vor allem portugiesische und ein paar griechische Backwaren hergestellt. Die Auslage ist gefüllt mit so vielen süßen Leckereien, dass man gar nicht weiß, wofür man sich entscheiden soll. Man fühlt sich wie in einer Pastelaria in Lissabon oder Porto.

Der portugiesische Galão ist einfach vorzüglich. Dazu gibt es Herrlichkeiten wie Pastel de Nata (den Klassiker gibt es hier auch in veganer Variante), Leite Creme (die portugiesische Variante der Crème brûlée), Pastel de Noz, Bolo de Arroz, Pastel de Nata Brasileiro, Natas do Céu (ein mehrschichtiges Dessert), Pão de Deus (»Gottes Brot«, eine feuchte, briocheähnliche, mit Kokosstreuseln überzogene Teigrolle), und Toucinho do Céu (»Speck aus dem Himmel«) – dieser mit Schweineschmalz hergestellte Mandelkuchen wurde von den Nonnen des Klosters Santa Clara im Norden Portugals kreiert.

Nicht zu vergessen die Maria-Kekse und Backwaren wie Zimtschnecken, Laugengebäck, Croissants sowie internationale Spezialitäten, zum Beispiel New York Cheesecake, Lemon Meringue Pie, Éclairs. Den griechischen Hefezopf Tsoureki und das Naschwerk Bougatsa kann man hier ebenfalls erstehen.

Bekarei . Dunckerstaße 23, 10437 Berlin; Tel. (030) 994 043 590

Cupcake – fluffiger und süßer als Muffins

Cupcake – fluffiger und süßer als Muffins

Foto: Marlene Fulde / Cupcake Berlin

Von der nahe gelegenen Danziger Straße wird die Straßenbahn M10 zu einem Bezirk weiter östlich, nach Friedrichshain genommen (Grünberger Straße).

Wer Cupcakes liebt und gern eine große Auswahl kosten möchte, geht zum Cupcake, dem ersten Laden in Deutschland nur für dieses Gebäck. Natürlich wurde er von einer US-Amerikanerin eröffnet. Dawn Nelson hat es im Jahr 2007 der Liebe wegen von Philadelphia nach Friedrichshain verschlagen. So gut es ihr in Berlin gefiel, so sehr vermisste sie gute Cupcakes.

Was genau sind Cupcakes? Hier kann Dawn Nelson eine umfassende Antwort geben: Cupcakes sind keine Muffins! Der Teig hat eine leichtere Textur, ist viel fluffiger, auch süßer als bei Muffins; sie werden in einer kleinen, tassenartigen Form gebacken – und sie haben ein Buttercreme-Topping. Muffins haben kein Topping, sind daher eher schnelle Begleitware zum Coffee to go als für den hingebungsvollen Genuss geeignet.

Der erste Cupcake-Laden Berlins wartet mit besonders leckeren Buttercreme-Sünden auf. Ob Erdnussbutter, Schokolade, salziges Karamell oder Minze – hier findet jeder etwas Passendes. Die Besten: The King (Schokoladenkuchen mit Erdnuss-Buttercreme und Bananensplittern), Sugar-'n'-Spice-Cupcake mit Möhre oder der Klassiker Caramel Sea Salt. Die Küchlein gibt es auch in vielen veganen Varianten. Wer sich fürs Handwerk interessiert: Von der Theke aus kann man in Zuckerbäckerei schauen und vielleicht sogar einen Blick auf die Queen der Cupcakes, Dawn Nelson, bei der Arbeit erhaschen.

Auf das Cupcake in Friedrichshain ist längst auch die Filmbranche aufmerksam geworden. Der Filmpark Babelsberg gehört zu den Kunden. Für Dawn Nelson ist es mittlerweile normal, für Stars zu backen. »Viele der Schauspieler, Musiker und Künstler, die hier in Berlin arbeiten, sind Amerikaner, und sie mögen eben Cupcakes«, sagt sie. Tom Cruise, Katie Holmes, Jared Leto und Celine Dion waren schon hier.

Cupcake Berlin . Krossener Str. 12, 10245 Berlin; Tel. (030) 257 686 87

Noch mehr Tipps finden sich in Tanja Dückers Buch »Das süße Berlin«, erschienen im Insel Verlag, aus dem die Autorin auch diesen Bummel durch die Stadt zusammengestellt hat.

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Titel: Das süße Berlin: Die Schokoladenseiten der Hauptstadt (insel taschenbuch)
Label: Insel Verlag
ca. 12,95 €

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05.06.2023 16.48 Uhr

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