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Jerusalems Biblischer Zoo: Oase des Friedens

Foto: Jerusalem Biblical Zoo

Biblischer Zoo in Jerusalem In Tierliebe vereint

Im Biblischen Zoo von Jerusalem herrscht Frieden. Juden, Muslime, Christen, Gläubige und Nichtgläubige amüsieren sich einvernehmlich. Wie das funktioniert, erzählt diese Weihnachtsgeschichte.
Von Caroline Schmidt-Gross

Jerusalem - In einem Gehege im Zoo von Jerusalem lebten einst Wolf und Schaf zusammen, weil der Gründer, Aharon Shulov, sich von einer Prophezeiung Jesajas aus dem Alten Testament hatte inspirieren lassen. Die besagt: "Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten." Leider musste das Schaf jeden Tag ersetzt werden, und das Projekt schien im Anfangsjahr 1940 bereits gescheitert. Seit aber der Wolf alleine lebt, ist der Zoo ein großer Erfolg.

Rund 130 Tierarten werden in der Bibel erwähnt. Viele sind inzwischen ausgestorben, einige davon bedroht, andere wiederum im Biblischen Zoo von Jerusalem  zu beobachten. Zum Beispiel Krokodile, Antilopen, Schlangen und Bären. "Weil wir aber ein richtiger Zoo sein wollen, haben wir natürlich auch Giraffen und Elefanten", sagt Direktor Shai Doron. Seit 20 Jahren leite er den Tierpark "in dieser sehr komplizierten Stadt", sagt er, und an erster Stelle stünden für ihn die Besucher.

Geöffnet ist der Zoo an jedem Tag im Jahr, sogar am Sabbat. Dabei verkehren am Samstag in Jerusalem, wo inzwischen die Hälfte der Bevölkerung aus orthodoxen Juden besteht, keine öffentlichen Verkehrsmittel. Trotzdem kommen selbst streng religiöse Juden, die sonst kaum ihre Siedlungen verlassen, gern in den Zoo.

"Mit ihrem Besuch danken sie Gott für die Großartigkeit der Schöpfung, und die verkörpert für sie beispielsweise der Elefant", sagt Direktor Doron. "Viele sind total wissbegierig. Um sie nicht vor den Kopf zu stoßen, erklären wir hier nirgends, dass der Mensch vom Affen abstammt. Wir schreiben nur, was für außergewöhnliche Fähigkeiten die Schimpansen haben."

"Dies ist kein Schwein", besagt ein Schild in vier Sprachen

Egal, welchem Glauben die Besucher anhängen oder woher sie stammen - alle sollen sich willkommen fühlen. Niemand soll sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt fühlen, und nirgends finden sich Informationen, die einer Glaubenslehre widersprechen - wissenschaftliche Fakten werden notfalls verschwiegen. "Wenn ich ganz sichergehen will, ziehe ich auch schon mal den Rabbi zu Rate", fügt Doron hinzu.

Rücksicht genommen wird auf alle gleichermaßen. Deshalb sind auf den Hinweistafeln sämtliche Informationen und Bibelzitate auf Hebräisch, Arabisch und Englisch zu lesen, mit einer Ausnahme. Am Gehege des Pekari aus Lateinamerika steht sogar auf Jiddisch in roten, fetten Lettern: "Dies ist kein Schwein." "Wir sind der einzige Zoo auf der ganzen Welt, der schreibt, was ein Tier nicht ist", sagt Shai Doron. Schweine gelten bei Juden und Moslems als unrein.

Der respektvolle Umgang mit Gläubigen wie mit Tieren stimmt nicht nur die Besucher friedlich. Der typisch israelische Kulturmix funktioniert auch unter den Mitarbeitern. So kümmern sich zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Männer um das 55 Jahre alte Hippo, die Nashörner, die Zebras und alle anderen Grasfresser: Rushdy Alian, 28-jähriger Araber, und Gilad Moshe, 34-jähriger Jude.

Beide stammen aus Jerusalem. Sie pflegen nicht nur gemeinsam die Tiere, sondern haben sich sogar einen Kleingarten mit Tomaten und Pfefferminze angelegt. Dort, hinter den Ställen, zwischen abgestoßenen Geweihen und schwarzen Futtereimern, trinken sie während der Pause ihren Kaffee. Jetzt im Winter allerdings nehmen sie ihn drinnen in ihrer kleinen Küche.

Eine ruhige Oase im umstrittenen Gebiet

Durch die Fenster schauen sie dabei in die Weite der Westbank - inklusive Checkpoint auf der einen Seite und einem dicht bebauten Jerusalemer Stadtteil auf der anderen. Ihr Zoo, im Tal dazwischen gelegen, ist eine ruhige Oase im umstrittenen Gebiet, mit Wasserfällen, Vogelgezwitscher und Kletteraffen, die lässig kopfüber am Schwanz über dem künstlichen See hängen. Im Sommer spenden tropische Pflanzen Schatten, wenn Schnee fällt, wie in diesem Jahr, dürfen die Tiere in ihren beheizten Häusern bleiben, und der Eintritt kostet nur die Hälfte.

Für die zwei Tierpfleger ist es kein Thema, woher sie kommen oder was sie glauben. Rushdy, ein Hüne mit leuchtend grünen Augen, trat bereits mit 15 Jahren dem Youth Movement des Zoos bei und arbeitete als Freiwilliger mit. Drei Jahre später wurde er fest angestellt. "Wir haben Mitarbeiter, die aus der Westbank kommen und selbst während der Intifada keinen Tag gefehlt haben", sagt Shai Doron. Das liegt auch daran, dass der Zoo zu allen religiösen Feiertagen Veranstaltungen anbietet, zum Lichterfest Chanukkah genauso wie zum Fastenbrechen am Ende des Ramadan.

Ausgelassen ist die Stimmung immer. Jungen und Mädchen, ob mit Kippa oder Kopftuch, rennen durcheinander. Mittendrin schieben die Eltern die Kleinsten im Kinderwagen. Gerade für Familien lohnt sich der Besuch, weil der Ticketpreis ab drei Kindern nicht mehr steigt. Manche Palästinenser und orthodoxe Juden haben deutlich mehr Nachwuchs im Schlepptau. Sie rasten auf den Rasenflächen und packen Plastikschüsseln aus mit Humus, Hühnchen, Falafel, Halva oder Bageln - Picknicken ist ausdrücklich erlaubt.

Nahost-Konflikt gelöst - in zwei Minuten

Überleben kann der Zoo dank einer alten jüdischen Tradition. Demnach legen die Bauern bis heute täglich ein Zehntel ihrer Ernte für die Rabbiner zurück. Weil diese die Abgabe nicht mehr brauchen, geht sie direkt an den Zoo: Erdbeeren, Mangos oder Kartoffeln, was immer die Saison gerade bietet. Daneben gibt es viele Spender. Jüdische Geldgeber aus aller Welt werden auf Tafeln genannt. "Wir haben aber auch sieben sehr wohlhabende Palästinenser, die uns großzügig unter die Arme greifen. Deren Namen darf ich leider nicht nennen", sagt Shai Doron.

In Frieden leben, sich frei bewegen können, ohne Zäune und Kontrollen - viele Menschen in Israel und den besetzten Gebieten träumen davon. Für das Damwild des Jerusalemer Zoos dagegen ist es Realität, sie kommen in den Genuss von Artenschutz und Auswilderung. Die Spezies war in Israel schon ausgestorben, als vier Exemplare 1978 mit der letzten El-Al-Maschine aus Iran nach Tel Aviv ausgeflogen wurden. Die Gründertiere haben sich fleißig vermehrt, inzwischen lebt eine große Herde im Zoo, die nach und nach ausgewildert wird.

Ob der Zoo zur Versöhnung unter den Besuchern beiträgt? Shai Doron sagt: "Man darf nicht vergessen, wir sind nur ein Zoo." Für die rund 120 Mitarbeiter - davon 70 Juden und 50 Araber - funktioniert es immerhin. "Gib uns fünf Minuten, den Nahost-Konflikt zu lösen", sagt Shai Doron. "Das klären wir während der Mittagspause in zwei Minuten. Und drei Minuten bekommt ihr zurück." Vielleicht sollten die nächsten Friedensverhandlungen in den biblischen Zoo von Jerusalem verlegt werden.


Anfahrt: Der Zoo liegt am südwestlichen Rand der Stadt, unter der Adresse Derech Aharon Shulov 1, Jerusalem. Zu erreichen ist er auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, darunter verschiedene Buslinien  und Züge . Wer ein Zugticket vom selben Tag vorweisen kann, bekommt Rabatt beim Eintritt.

Öffnungszeiten: Sonntag bis Donnerstag: 9 bis 17 Uhr, Freitag und an Tagen vor Feiertagen: 9 bis 16.30 Uhr, Samstag und an Feiertagen: 10 bis 17 Uhr. Der Ticketschalter schließt eine Stunde vor Betriebsschluss.

Eintrittspreise: Erwachsene ab 18 Jahren: 50 Israelische Schekel, Kinder ab 3 Jahren: 40 Schekel, Kinder unter 3 Jahren: Eintritt frei. Senioren, Studierende, Soldaten, Polizisten und Behinderte: 40 Schekel.

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