

Wer Philipp Stratmann fragt, was ihm David Bowie bedeutet, der bekommt keine Antwort, sondern nur eine Geste. Er klopft sich sachte mit der Hand auf die Brust. Dort, wo das Herz schlägt.
Die Nachricht von David Bowies Tod schockte am 10. Januar Menschen auf der ganzen Welt. Er starb nur zwei Tage nach der Veröffentlichung seines letzten Albums "Blackstar". Bowie hatte sein Krebsleiden geheim gehalten. Auf der ganzen Welt trauerten seine Fans, auch Stratmann.
Seitdem haben die Rundgänge des Veranstalters Berlin Music Tours besonders viel Zulauf, sagt Stratmann. Er ist dort Stadtführer, seit zwei Jahren führt er Besucher auf Bowies Spuren durch Berlin. Zur deutschen Hauptstadt hatte der Star ein ganz spezielles Verhältnis: Hier arbeitete er von 1976 bis 1978 an drei Alben, schrieb Hits wie "Heroes" und beeinflusste wesentlich die Popgeschichte. Wie, das zeichnet Stratmann mit seinem "Bowie Berlin Walk" nach.
Normalerweise findet die Führung nur sonntags statt. Aufgrund der großen Nachfrage seit Bowies Tod legte Stratmann diese Woche schon zwei Extra-Touren ein. An diesem Sonntag besteht seine Gruppe aus 16 Teilnehmern. Die meisten stammen aus dem europäischen Ausland. Was sie eint: die Faszination an Bowies Musik. "Wer kennt das Musikvideo zu 'Where Are We Now'?", fragt Stratmann. Alle bejahen.
Manche Teilnehmer sind wie Stratmann eingefleischte Fans, zum Beispiel das Pärchen aus Liverpool. "Ich bin mit Bowies Musik aufgewachsen", sagt die junge Britin. Für ihren Freund ist Bowie "ein großartiger Musiker und eine Inspiration" - er ist selbst Musiker. Ein Pole in der Runde stellt oft Nachfragen, nickt oft, hat sich in Bowies Biografie gut eingelesen.
"Welthauptstadt des Heroins"
Andere tasten sich noch in den Bowie-Kosmos vor, zum Beispiel die Berlinerin Yvonne. "Ich finde es spannend, die Hintergründe über ihn zu erfahren", sagt sie. Das geht allen hier so. Berlin kennen sie. Aber Bowie? Der ist für sie ein weltberühmter Unbekannter. Sie wollen ihm auf dem Rundgang näherkommen.
Die Spurensuche beginnt am Martin-Gropius-Bau in Kreuzberg. Vor zwei Jahren gastierte hier eine David-Bowie-Ausstellung. Die zog weiter, aber Guide Stratmann vermittelt weiter alles Wissenswerte zu Bowies Zeit in Berlin. Alle paar Meter hält er an, zückt alte Fotos in Siebzigerjahre-Optik und erzählt von damals.
Vor allem junge Männer aus der Bundesrepublik seien gern nach West-Berlin gezogen, um dem Wehrdienst zu entgehen, erzählt er. Viele von ihnen hätten sich als Künstler durchgeschlagen, die Lebenshaltungskosten seien niedrig gewesen, Drogen leicht erhältlich. West-Berlin sei die Welthauptstadt des Heroins, soll Bowie mal gesagt haben.
Kuss an der Mauer
Nächster Stopp: die Hansa Studios am Potsdamer Platz. Hier stellte Bowie das Album "Low" fertig, nahm "Heroes" auf und schrieb bedeutende Teile für "Lodger" - die Berlin-Trilogie. Die Studios befinden sich in einem frei stehenden Haus von 1912, zu Bowies Zeiten hatten die Musiker von allen Fenstern aus direkten Blick auf die Berliner Mauer. Heute steht das Gebäude eingekeilt zwischen Neubauten. Unten ist ein Restaurant eingezogen, die Studios mussten sich verkleinern.
Stratmann führt in den Hinterhof und zeigt auf ein Fenster im ersten Stock. Im Raum dahinter entstand 1977 der Song "Heroes" aus dem gleichnamigen Album. Das Stück handelt von zwei Liebenden, die im Schatten der Berliner Mauer zusammenkommen. Bowie hatte die Musik schon geschrieben, erzählt Stratmann, nur der Text fehlte ihm noch. Als er aus dem Fenster blickte, sah er seinen Produzenten Tony Visconti und dessen Freundin. Sie lehnten an der Berliner Mauer und küssten sich. Der Text zu "Heroes" war geboren.
I can remember
Standing, by the wall
And the guns, shot above our heads
And we kissed, as though nothing could fall
And the shame, was on the other side
Oh, we can beat them, forever and ever
Then we could be heroes, just for one day
(Zeilen aus "Heroes" von David Bowie)
Als Bowie 1976 nach Berlin kam, war er so gut wie pleite und kokainsüchtig. In Berlin fand er, was er brauchte: Inspiration, ein gutes Studio und Menschen, die ihm halfen, wieder auf die Beine zu kommen. Bowie blieb bis 1978, immer wieder unterbrochen von Tourneen und Reisen. "Er kam pleite und ging reich", fasst Stratmann die Zeit zusammen.
Die Tour endet dort, wo Bowie zusammen mit Punkrocker Iggy Pop wohnte: in der Hauptstraße 155 in Schöneberg. Vor dem Haus ein Meer aus Blumen, Kränzen, Kerzen, Karten. Die bisher gute Stimmung schlägt um. Die Gruppe hält inne. Manche wischen sich ein paar Tränen weg. Das Pärchen aus Liverpool, das bisher so gute Laune hatte, wirkt plötzlich geschockt.
Einige aus der Gruppe kehren noch nebenan im "Neuen Ufer" ein. An den Wänden hängen Bowie-Fotos. Zu dessen Berliner Zeiten hieß die Bar noch "Anderes Ufer" und war eines der ersten Schwulenlokale in Deutschland. "Hier waren schon immer viele Bowie-Fans", sagt der Barmann. "Seit dem 10. Januar kommen noch mehr."
Abschied von David Bowie: Trauer um einen Hero
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Tourguide Philipp Stratmann auf dem Parkplatz am Martin-Gropius-Bau in Berlin-Kreuzberg. Hier startet der "Bowie Berlin Walk".
Die Tour führt an den Hansa Studios vorbei, wo David Bowie an seinen Songs schrieb. Heute ist das Gebäude ins Stadtbild eingebunden - in den Siebzigern stand es frei, die Musiker blickten auf die Berliner Mauer.
Die Hansa Studios sind in einem Altbau aus dem frühen 20. Jahrhundert untergebracht. Sie mussten sich verkleinern, unten ist ein Lokal eingezogen.
Guide Stratmann vor dem Reichstag: 1987 spielte David Bowie an gleicher Stelle. Seine Musik war auch in Ost-Berlin deutlich zu hören.
Immer wieder hält Stratmann an und zeigt Aufnahmen von früher: Durch die Wende hat sich Berlin seit Bowies Zeiten enorm verändert.
In der Hauptstraße 155 in Schöneberg wohnte David Bowie zusammen mit Punkrocker Iggy Pop. Trauernde Fans haben Blumen und Kerzen niedergelegt.
Passanten bleiben stehen und machen Fotos. Die Anteilnahme an Bowies Tod ist groß - Bowie und Berlin, das war zeitlebens eine besondere Beziehung.
In Berlin arbeitete David Bowie von 1976 bis 1978 an drei Alben, schrieb Hits wie "Heroes" und beeinflusste wesentlich die Popgeschichte.
Kleine Botschaften, ein Bild von Bowie als Kunstfigur Ziggy Stardust: Seine Fans werden David Bowie in Erinnerung behalten.
Das Neue Ufer hieß damals noch Anderes Ufer und liegt nur wenige Meter von Bowies ehemaliger Wohnung entfernt. Seine Fans kehren heute gern hier ein.
Fans malten in der vergangenen Woche ein Tribut an Bowie in den Schnee: "Let's Dance." Der schwarze Stern bezieht sich auf sein letztes Album, "Blackstar".
Eine Ikone der Pop-und Rockmusik ist tot: David Bowie - hier eine Aufnahme von 1996.
Eine frühe Aufnahme: Bowie im März 1965 - damals trug er noch Pilzkopf und sang unter seinem Namen Davy Jones.
Bowie rüttelte mit seinen Selbstinszenierungen auch immer wieder an klassischen Geschlechterkonstruktionen: Hier sieht man ihn bei einem Shooting zu Hause in Kent mit seiner damaligen Frau Angie 1971.
Der größte Verwandlungskünstler der Popmusik: Immer wieder veränderte Bowie sein Aussehen und wurde damit auch stilprägend für viele seiner Kollegen. Hier eine Aufnahme, die den Briten ca. 1973 in New York zeigt.
Bowie im Mai 1973: Er wurde damals zu dem Star des Glamrock.
Der Gestaltwandler Bowie bei seinem letzten Auftritt als "Ziggy Stardust" in London 1973 - damals inszenierte er den Bühnentod der von ihm geschaffenen Bühnenpersona.
Als David Robert Jones kam er zur Welt, als David Bowie erreichte er Starruhm - und perfektionierte seine Inszenierung: Hier steht er mit Sängerin Marianne Faithfull auf der Bühne. 1973 spielten sie live im Londoner The Marquee Club Songs vor geladenen Gästen ein.
Zwei Legenden: Bowie mit Leinwandgöttin Elizabeth Taylor 1975. Mehr Glamour geht nicht.
Der "Thin White Duke" 1976, hier in Helsinki. Drei Jahre, bis 1978, lebte er in Westberlin, und produzierte in dieser Zeit legendäre Alben wie "Low", "Heroes" und "Lodger".
Diese Aufnahme zeigt Bowie im Mai 1983. In den Achtzigerjahren feierte der Brite große Erfolge in den Charts durch Hits wie "China Girl" oder "Let's Dance".
Gelegentlich war er auch als Schauspieler aktiv: Hier ist er 1983 am Set zu Tony Scotts "The Hunger" an der Seite von Catherine Deneuve zu sehen.
Auch Bowie gehörte zu den Künstlern, die im Juli 1985 im Londoner Wembley-Stadion am Konzert "Live Aid" von Bob Geldof teilnahmen.
Bowie und Iman 2006 beim Tribeca-Festival in New York. Sie haben eine gemeinsame Tochter - Alexandria Zarah.
Die Bühne gehört ihm: Bowie 1995 bei einem Auftritt in Hartford im US-Bundesstaat Connecticut.
Auf der Bühne war Bowie immer in seinem Element - hier 1996 bei einem Gig in Athen. Doch 2004 erlitt er beim Hurricane-Festival in Scheeßel (Niedersachsen) einen Herzinfarkt. Danach trat er kaum noch bei Konzerten auf.
Auch in späteren Jahren kehrte Modekenner Bowie immer wieder zu extravaganten Bühnenoutfits zurück: Hier beim Glastonbury-Festival 2000
Bowie bei seiner "Reality"-Tour im Jahre 2003 (das Foto entstand in Manchester).
Hier ist Bowie im Juni 1997 bei einem Festival auf dem Lübecker Flughafen Blankensee zu sehen. Nach den großen Erfolgen der Achtzigerjahre geriet er in den Neunzigerjahren in eine Schaffenskrise.
Diese Aufnahme zeigt Bowie mit seiner Ehefrau, dem Model Iman Abdulmajid. Beide waren seit 1992 verheiratet, es war seine zweite Ehe.
Das Comeback: 2013 feierte mit "The Next Day" ein viel beachtetes Comeback nach fast zehn Jahren Pause. Mit "Blackstar" erschien ein weiteres Album erst Anfang Januar.
Bowie 2013 an seinem Geburtstag, dem 8. Januar. Von seiner Krebserkrankung wussten offenbar nur wenige Vertraute.
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