Fotostrecke

Schöne Fassade: Hochgeschaut!

Foto: Roland Fischer

Fotokünstler Roland Fischer Alles nur Fassade

Er hat Metropolen auf der ganzen Welt bereist, den Blick immer nach oben gerichtet. Der deutsche Fotograf Roland Fischer zeigt, was moderne Gebäudefassaden sein können: abstrakte Kunstwerke.

Auf den ersten Blick ist schwer zu erkennen, was man hier eigentlich vor Augen hat. Da sind all die Linien, Kreise, Rauten, Rechtecke und Farben. Betrachtet man ein Gemälde - einen Mondrian oder ein Werk von Vasarely? Oder ist es nicht doch ein Foto? Immerhin steht da die Ortsmarke Chicago, Hong Kong oder München. Und ist da - wenn man ganz genau hinschaut - nicht ein Fenster oder ein Balkon? Fotos oder Gemälde? Roland Fischers  Arbeiten sind mit der Kamera gemacht, doch wirken sie wie abstrakte Malerei.

Seit den Neunzigerjahren bereist der Künstler aus München  die Metropolen dieser Welt und hat den Blick dabei nach oben gerichtet: auf die Fassaden von Banken, Unternehmenszentralen, Versicherungen, Hotels, Schulen oder Museen. In Shanghai, New York, Boston, Brasilia, Paris, Madrid, Mexiko-Stadt oder Melbourne hat Fischer sich auf die Suche gemacht. Auch in München, Kassel und Basel ist er gewesen. Sein Bildband "Façades" - "Fassaden" -, für den Fischer rund hundert Aufnahmen ausgewählt hat, nimmt den Betrachter mit auf eine faszinierende weltumspannende Reise zu urbanen Oberflächen.

Bilder, die von der Veränderung der Welt erzählen

Der Künstler zeigt weder den Himmel über den Gebäuden noch die Straßen, an denen sie liegen oder die Nachbarschaften, in die sie eingebettet sind. Seine Aufnahmen zeigen 30 bis 100 Meter Fassade - streng auf ihre geometrischen Strukturen reduziert. "Die Bilder fügen sich zu einem Kompendium der zeitgenössischen Architektur, zu einer visuellen Grammatik abstrakter Formen... Sie erzählen von der Veränderung der Welt, von einem neuen Paradigma, wo Geld, Technologie, Menschen und Güter nationale Grenzen überwinden", schreibt die Kuratorin Petra Giloy-Hirtz in einem den Bildband begleitenden Essay.

Zur Person
Foto: Matthias Numberger

Der Künstler Roland Fischer, geboren 1958, lebt in München und Peking. Sein fotografisches Werk wird weltweit ausgestellt und ist in bedeutenden privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten. Seine Arbeit an "Façades" begann er vor über 15 Jahren in Shanghai.

Die Idee, Fassaden näher zu betrachten, kam Fischer während eines China-Besuchs im Jahr 1997. "In Shanghai entstand damals auf einer ehemaligen Brachfläche das neue Wirtschafts- und Finanzzentrum der Stadt", sagt der Fotokünstler. "Neben dem alten romantischen Shanghai wirkten die hochmodernen Gebäude eigentlich völlig deplatziert. Dabei machten sie den Beginn der Globalisierung sichtbar."

Eine Entwicklung, die - das zeigen die Fassaden-Fotos - weltweit von einer ganz ähnlichen Architektur begleitet wird. "Das 'Bildrepertoire einer Stadt', ihre 'Repräsentationskategorien' sind übernational homogenisiert", schreibt Giloy-Hirtz. Einerseits sind Bankgebäude oder Unternehmenszentralen funktionale Gebäude, die - so wünschen es sich die Bauherren - gern auch schön aussehen sollen. "Fassaden sind aber auch Camouflage. Dahinter werden Geschäfte abgewickelt, die man oft lieber der Sichtbarkeit entzieht", sagt Fischer.

"Den Blick behält man"

Doch wie kommt es, dass die in den vergangenen Jahren gebauten Fassaden von Konzernzentralen, Banken oder Versicherungen so ähnlich aussehen - egal, wo auf der Welt sie stehen? "Die Architekten haben natürlich auch mal Kunstgeschichte studiert und tragen die Bilder der Moderne mit sich herum, die dann bewusst oder unbewusst in die Fassadengestaltung einfließen", glaubt Fischer. Über seine Arbeit sagt er: "Fotografie bildet immer etwas ab, das in aller Regel irgendwo auf der Welt physisch vorhanden ist. Aber ein Foto hat auch immer eine autonome bildliche Seite."

Auch wenn die Arbeit an seinem Bildband abgeschlossen ist, für die Fassaden in aller Welt interessiert Fischer sich weiter. "Den Blick behält man." Und er freut sich, dass manche, die seine Fassaden gesehen haben, ihm erzählen, dass die Fotos ihnen die Augen geöffnet haben. Für Details beim nächsten Stadtspaziergang.

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