Gastro-Tipps Wo London bezahlbare Gourmet-Kost bietet
London - Sehr ungnädig urteilte Englands Gastro-King Gordon Ramsay über das Essen, das ihm als Gast der Queen letztens vorgesetzt wurde: "Kompletter Mist" lautete, zurückhaltend übersetzt, sein Kommentar. Dass englische Küche Besseres zu bieten hat, führt er täglich im eigenen Reich vor als Luxusversion in den Restaurants "Gordon Ramsay" und "Gordon Ramsay at Claridge's", im gehoben bürgerlichen Rahmen in "Maze", "Maze Grill", "Foxtrot Oscar" und "Boxwood Café".
Daneben betreibt er erfolgreich kulinarischen Kolonialismus. Ob in Dubai, New York oder Tokio, Ramsay macht die British cuisine zum Exportschlager. Das neue Selbstbewusstsein der englischen Esskultur hat eine ganze Generation britischer Köche angesteckt. In einem Land, in dem noch vor einigen Jahren der damalige Außenminister Robin Cook chicken tikka massala zum Nationalgericht erklärte, servieren junge Küchenchefs heute mit Stolz heimische Produkte in reizvollen modernen Interpretationen.
So auch Anthony Demetre and Will Smith, die in Londons Viertel Soho bereits erfolgreich das französisch orientierte Restaurant "Arbutus" führen. Für seine britische Küche hat sich das Duo in einem City-Ableger ein passenderes Umfeld geschaffen.
Mit Eichenholzvertäfelung, braunen und schlammfarbenen Polsterbänken und grob gewebten braunen Deckchen statt weißer Tischwäsche scheint das "Wild Honey" jedoch nur auf den ersten Blick ein gastropub zu sein, das Speisenangebot reicht tatsächlich weit über Kneipenformat hinaus. Vor allem die Qualität der Produkte und ihre Präsentation überzeugen.
Trend zum Zweitrestaurant
Ein attraktives Appetithäppchen ist der Rote-Bete-Salat mit frischem britischem Schafsricotta, Honig und Zitronen-Thymian-Vinaigrette. Rosa Grapefruit und Haselnüsse machen die velouté aus Biokarotten zur originellen Versuchung, und die Variation vom Kaninchen begleiten angenehm pikante Wildpilze und Feigen. Von der Weinkarte vorwiegend gehobene Mittelklasse aus Frankreich, Italien und Deutschland werden fast alle Positionen auch offen ausgeschenkt.
Wie im Fall des "Wild Honey" geht der Trend vielerorts zum Zweitrestaurant, um authentischer Küche eine eigene Bühne zu bieten. Gordon Ramsay und Tom Aikens ("Tom Aikens", "Tom's Kitchen"), der zeitweilig noch einen fish &-chips-Laden betrieb, haben es vorgemacht, die Kollegen folgen gern und gut.
Dementsprechend hat sich auch das französisch inspirierte "Pied à Terre" ausdrücklich ein zweites Standbein geschaffen: Im "L'Autre Pied" setzt Küchenchef Marcus Eaves ganz auf britische Grundlagen, obwohl das Ambiente mit den filigranen Blütenbildern an der verglasten Wand eher asiatische Akzente vermuten lässt und die roten Lederbänke und schwarzen Stühle weltläufigen Dinner-Look heraufbeschwören.
Solch stilistische Freiheiten nimmt sich auch der Koch heraus: Dem Krebs von der Salcombe Bay in Devon setzt er eine aufgeschäumte hauchzarte Zaziki-Mousse auf, die Perlhuhnbrust legt er auf Bulgur, der genau den richtigen Biss hat. Ähnlichen Mut beweist die Weinkarte mit Fundstücken aus aller Welt wie einem Garagen-Riesling von Mac Forbes aus dem australischen Victoria oder dem Blaufränkisch von Pittnauer aus dem Burgenland.
Selbst das "The Anchor & Hope", Londons Liebling unter den gastropubs, hat sich mit dem "Great Queen Street" eine Art britisches Bistro an die Seite gestellt. Unkonventionell und herzlich ist der Service, klar und schnörkellos das, was er auf die hellen Holztische stellt: Angenehm zünftig schmecken die Cornwall-Krabben auf Toast, die weißen Bohnen mit Knoblauch-pistou sind deftig, und das Hereford-Rind wird üppig zugeteilt, ob als Minutensteak oder an der Rippe.
Junge Klientel mit guter Laune
Essen in solchem Rahmen wird nicht zelebriert wie bei Hofe, sondern eher vom Volk gefeiert. Das kann bisweilen auch recht laut ausfallen, darum eine Warnung für alle empfindlichen Ohren: Der Geräuschpegel im "Great Queen Street" wird von dem im "The Establishment" noch übertroffen. Vorne sind Bar und Bistro angesiedelt, hinten befindet sich das Restaurant die gute Laune der jungen Klientel aber durchdringt das alte Backsteinhaus gegenüber der U-Bahn-Station Parsons Green vollkommen.
Das Interieur darin ist ganz auf die Siebziger getrimmt: Pop-Art-Tapete an der Wand, braune Designer-Sesselchen, ruhigere hellgrau-weiße Klarheit in der guten Stube dahinter. Die Karte offeriert einen aufgepeppten Bistrostil, etwa Kaninchen-Petersilien-Terrine mit säuerlich eingelegten Karotten und hausgemachtem Sauerteigbrot, als leichten Hauptgang ein gebratenes Brassenfilet von der heimischen Küste auf Chorizo-Linsen und wildem Knoblauch. Die kräftige Alternative ist ein ausgezeichnetes Rippenstück vom Aberdeen-Angus mit Pommes und Sauce béarnaise.
Das "Establishment" ist allerdings kein Ableger, dort hat sich aus der jungen Garde Neil Mackenzie erstmals eigenverantwortlich in die Küche gestellt. Solch eine Führungsrolle übernimmt auch Tom Pemberton im "Hereford Road", mit dem er sich nach seiner Zeit im stadtbekannten "St. John Bread and Wine" selbständig gemacht hat. Das Erfolgsrezept hat er von dort mitgebracht: unkomplizierte englische Gerichte. Butterzart geschmorte Lammschulter mit Rüben etwa oder köstliche Desserts wie apple pie oder Reispudding mit Pflaumen einfach, aber gut.
Auch der Rahmen passt, eben ein typisches Nachbarschaftslokal in Notting Hill mit offener Küche vor kleinen halbrunden Nischen im Entree. Der eigentliche Gastraum ist eine Art versenktes Gartenhaus, in das Tageslicht durch eine runde Glasdecke dringt. Selbst die Koch-Importe lassen sich gern von der Qualität der englischen Zutaten inspirieren.
Philipp Vogel und Christian Rosse, Schüler von Dieter Müller und Küchenchefs im Restaurant "Andaman" im neuen eleganten Althoff-Hotel "St. James's", sind vor allem vom Fleisch begeistert, das sie in England bekommen. Dass sie es zu nutzen wissen, beweisen sie mit zartem Lammkotelett mit roter Pfeffermarmelade und aromatischem Knoblauchschaum. Ingwergelee zum Thunfisch, Erbsenpüree zu Scampi kalkuliert streuen die Neu-Londoner weitere britische Elemente in ihr Amuse-Bouche-Menü ein. Davon wären selbst die Queen und Gordon Ramsay beeindruckt.
Gute Adressen in London
Vorwahl England: 0044, vom Ausland die erste 0 der Durchwahl weglassen.
Hotels
Haymarket Hotel: Mitten im Theatre District, ideale Lage zum Shoppen. Ein neu-englischer Designstil ist mit viel Geschmack und in fröhlich bunten Farben umgesetzt. Großer Pool, Gym.
OT St. James's, 1 Suffolk Place, UK-London SW1Y 4 BP, Tel. 020 74 70 40 00, Fax 020 74 70 40 04, haymarket@firmdale.com,
www.firmdale.com, 45 Zi., 5 Suiten, DZ ab Euro 314
St. James's Hotel and Club: Im Herbst eröffnetes Hotel der Althoff-Gruppe mit neu-britischem Chic hinter neogotischer Fassade: schwarz lackiertes Holz, Intarsien in Gold, Samt und Echsenleder. Edler Look auch in den Zimmern. Beliebte Bar, dahinter das Restaurant "Andaman" mit verglaster Küche. Die Vorlage fürs Amuse-Bouche-Menü lieferte Dieter Müller. Sehr aufgeschlossener Service.
OT Mayfair, 7-8 Park Place, UK-London SW1A 1LP, Tel. 020 73 16 16 00, Fax 020 316 16 03,
info@stjameshotelandclub.com
,
www.stjameshotelandclub.com
, 50 Zi., 10 Suiten, DZ ab Euro 280 "Andaman", kein Ruhetag, Gerichte Euro 35-40
The Mandeville Hotel: Flott durchgestyltes Boutiquehotel. Bisweilen kleine Zimmer, aber wohnlich in zarten Grün- oder Rosatönen eingerichtet. Verwegen designte Bar.
OT Marylebone, Mandeville Place, UK-London W1U 2BE, Tel. 020 79 35 55 99, Fax 020 79 35 95 88, reservations@mandeville.co.uk ,
www.mandeville.co.uk, 142 Zi., DZ ab Euro 250
Restaurants
Great Queen Street: Helle Holztische, weinrote Wände, Bar. Schnörkellose zünftige Küche, legerer, herzlicher Service.
OT Covent Garden, 32 Great Queen Street, Tel. 020 72 42 06 22, So und Mo mittag geschl., Hauptgerichte Euro 16-19
Hereford Road: Nettes Nachbarschaftslokal mit offener Küche und einfachen, guten Gerichten. Aufmerksames Personal.
OT Notting Hill, 3 Hereford Road, Tel. 020 77 27 11 44,
info@herefordroad.org
,
www.herefordroad.org
, kein Ruhetag, Hauptgerichte Euro 17-28
L'Autre Pied: Aparte Blumenmalereien hinter der Wandverglasung, rotes und schwarzes Leder, dunkles Holz. Kreative Gerichte und eine interessante Weinauswahl. Nur der Service könnte etwas lockerer sein.
OT Marylebone, 5-7 Blandford St., Tel. 020 74 86 96 96,
info@lautrepied.co.uk
,
www.lautrepied.co.uk
, kein Ruhetag, Hauptgerichte Euro 23-27
The Establishment: Siebziger-Jahre-Einrichtung mit Pop-Art-Tapete. Bar, Bistro und Restaurant mit pfiffig interpretierten britischen Gerichten. Junges Publikum.
OT Parsons Green, 45-47 Parsons Green Lane, Tel. 020 73 84 24 18,
info@theestablishment.com
,
www.theestablishment.com
, kein Ruhetag, Hauptgerichte Euro 16-27
Wild Honey: Eichenholzvertäfelung, Polsterbänke und -stühle in warmen Herbstfarben. Einfallsreiche britische Küche mit geräuchertem Aal und Aprikosenpüree. Engagierter Service.
OT Mayfair, 12 St. George Street, Tel. 020 77 58 91 60, Fax 020 74 93 45 49,
info@wildhoneyrestaurant.co.uk
,
www.wildhoneyrestaurant.co.uk , kein Ruhetag, Hauptgerichte Euro 21-25