Maritimes Museum Hamburg Kreuzfahrtluxus und Sklavenschiffe
Hamburg - "Ich habe einen Fehler gemacht im Leben: Ich habe angefangen zu sammeln", kokettiert Peter Tamm. Ein sechs Zentimeter großes, 50 Pfennig teures Schiffchen aus Blei weckte im damals Sechsjährigen die Leidenschaft zur Seefahrt.
In den folgenden 74 Jahren trug der ehemalige Axel-Springer-Verlagschef, der seine Karriere als Schifffahrtsredakteur begonnen hatte und den seine Mitarbeiter später "Admiral" nannten, die größte maritime Sammlung der Welt zusammen: tausend Groß- und 36.000 Miniaturmodelle, Instrumente, Uniformen, Atlanten, Gemälde, Werkzeuge und Dokumente.
Jetzt hat sich Tamms über Jahrzehnte verfolgter Lebenstraum erfüllt - ein eigenes Museum für die einzigartige Sammlung. Die in zehn Themendecks gegliederte Ausstellung des Internationalen Maritimen Museums ist auf 12.000 Quadratmetern Fläche im ältesten Hamburger Kaispeicher, einem neogotischen Prachtbau von 1878, zu sehen.
Am Mittwochvormittag haben Bundespräsident Horst Köhler, Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust und Museumsgründer Tamm das Haus eröffnet, das eine von Eindrücken überquellende Expedition durch 3000 Jahre Schifffahrtsgeschichte bietet. "Das Schiff ist Träger der Weltgeschichte", stellt Tamm fest, "ich war der Meinung, man müsse diese Sammlung erhalten."
Für das Ausstellungskonzept zeichnet Holger von Neuhoff verantwortlich, der bereits vor elf Jahren mit seiner Titanic-Ausstellung 1,2 Millionen Menschen in die Hamburger Speicherstadt lockte. Den historischen Kaispeicher B, der nun das Maritime Museum beherbergt, hat die Stadt Hamburg für 30 Millionen Euro sanieren und umbauen lassen und der Stiftung für 99 Jahre kostenlos zur Verfügung gestellt.
Vor der Eröffnung sahen sich Tamm und seine Mitstreiter immer wieder Kritik ausgesetzt: Die Linken-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft und eine freie Initiative hatten die millionenschwere Unterstützung der Stadt für das Museum scharf kritisiert, mangelnde inhaltliche Einflussnahme beklagt und Tamm Militarismus vorgeworfen.
"Die Zukunft liegt im Meer"
Jetzt können sich Gegner wie Befürworter ihr eigenes Bild von der Sammlung machen, die von sechs wissenschaftlichen Mitarbeitern betreut wird. "Sieht man das, oder wundert man sich nur über das unmotivierte Stück Holz?", fragte sich einer von ihnen zwei Tage vor der Eröffnung mit Blick auf ein beplanktes Stück Schiffsdeck, auf dem eng an eng schwach konturierte Umrisse von Menschen zu sehen sind - und das ein dunkles Stück Geschichte versinnbildlichen soll: den Sklaventransport, der lange eine lukrative Lebensader des Seehandels war.
Herzstück der Sammlung sind die mehr als 36.000 kleinen und tausend großen Schiffsmodelle, deren größtes die prachtvolle "Wapen von Hamburg" ist, ein Konvoischiff aus dem 18. Jahrhundert. Prachtvolle Großmodelle aus Elfenbein, Bernstein, Silber und sogar eines aus purem Gold zeugen von der Handwerkskunst der Modellbauer, die zuweilen auch unter unmenschlichen Bedingungen tätig wurden - davon legen die aus Tierknochen gefertigten Modelle Zeugnis ab, die Kriegsgefangene der Engländer während der Napoleonischen Kriege anfertigen mussten.
Die mehrere tausend Seh-Stücke und Schiffsporträts umfassende Gemäldesammlung ist um ein Atelier ergänzt, in dem der Marinemaler Uwe Lütgen arbeitet. Mit Originalmobiliar eingerichtete Kabinen der Viermastbark "Sea Cloud II" und des Fünf-Sterne-Schiffs "Hanseatic" zeigen Kreuzfahrtluxus, Hängematten und Segelmacherwerkzeug den harten Alltag der Seeleute.
Karten, Uniformen, Instrumente und Werkzeug machen die Geschichte der Seefahrt lebendig. Auch nautisches Inventar wie Sextanten, Kompasse und Atlanten wie der Atlantis Majoris aus dem Jahr 1657, dem ersten in den Niederlanden gedruckten Meeresatlas, gehören zur Sammlung. Deck 7 dagegen taucht unter die Oberfläche: Es ist der Tiefsee gewidmet. "Auf dem Mond sind wir gewesen - auf dem Grund der Meere noch nicht, das fangen wir gerade erst an", erläutert Tamm, "die Zukunft für uns alle liegt unten im Meer."
Im benachbarten Speicherhaus lagert die Bibliothek des privaten Museums mit 120.000 Büchern, einer halben Million Fotos, 50.000 Konstruktionsplänen - und 15.000 Schiffsspeisekarten. "Ein halbes tausend Doktorarbeiten ruhen noch bei uns", verkündet Tamm überzeugt.