Oktoberfest-Legende "100 Jahre möchte ich pfeifen"

Zwitschern, quieken, tirilieren – der Pfeifer auf dem Oktoberfest ist längst Kult. Seine Pfeiferl stellt Horst Berger aus Zinkblech, Wachspapier und einer Membran selber her. Auch nach 30 Jahren auf der Wiesn schaut die Prominenz gerne vorbei - und mopst auch mal.

München - Schon von weitem hört man ihn zwitschern wie eine Amsel, wiehern wie ein Pferd. Mit breitem Grinsen steht Horst Berger in seinem Holzverschlag auf der Wiesn. Er lüftet kurz seinen roten Filzhut mit der Fasanenfeder und pfeift dazu, als sitze ein Vogel auf seinem Kopf. Im nächsten Moment stößt der 67 Jahre alte Oberbayer schrille Schreie aus und bohrt einem künstlichen Gorillakopf in der Nase. Die Menschen grinsen - der Vogelpfeifer hat sein Ziel erreicht: "Die Leute sollen lachen, wenn sie von meinem Stand weggehen." Dieses Jahr feiert der Rentner mit dem weißen Schnauzbart sein 30. Wiesn-Jubiläum.

Auf einem Holzschild steht zwar "25 Jahre", doch das ist laut Berger veraltet. Mittlerweile ist Sohn Tobias in das Geschäft eingestiegen, gemeinsam erzählen sie Witze und verkaufen Pfeiferl. Der mit künstlichem Tannengrün und Bayernfahnen geschmückte Laden kurz vor der Bavaria ist längst Kult. "Es ist das kleinste Geschäft - und das interessanteste", sagt der 67-Jährige stolz.

Bei Berger ist immer was los. Seine größten Fans sind Amerikaner, aber auch Prominenz schaut gerne vorbei. Mit rotem Gesicht berichtet Berger von Politikern wie Edmund Stoiber, Christian Ude und Franz Josef Strauß - sie alle hätten sich bei ihm schon Pfeiferl besorgt, wobei Strauß das Geld schuldig geblieben sei: "Der hat a Packerl mitgenommen und nicht bezahlt", erinnert sich Berger.

Für die Wiesn nahm Berger Urlaub

Sohn Tobias fügt hinzu: "Der Moshammer war auch mal da." Der Münchner Modezar habe wie ein König der Menge zugewunken. "Er wollte unbedingt in den Stand, seine Bodyguards mussten vor der Tür warten", sagt der 38-Jährige. "Das war eine Mordsgaudi." Der Vater nickt: "Das hätte man ihm gar nicht zugetraut."

Die Pfeiferl sind sein Leben: Bereits mit drei Jahren hat Berger im Wald den Vögeln zugehört und ihren Gesang imitiert. "Das Lebensgefühl habe ich von meiner Mutter", sagt der 67-Jährige. Von ihrem Lebensgefährten habe er später den grünen Laden übernommen. Berger arbeitete früher als Maschinenbautechniker bei einer Flugzeugfirma, für die Wiesn hat er sich immer Urlaub nehmen müssen.

Seit seiner Pensionierung hat er viel Zeit für sein Hobby. Zu Hause stellt er die Pfeiferl selbst her, sie bestehen aus Zinkblech, Wachspapier und einer Membran. Gerade hat Berger zudem seine vierte CD veröffentlicht: "Ein Vogelpfeiferl und ein kühles Bier".

"Jeder kann pfeifen"

Er will die bayerische Tradition am Leben halten. "Jeder kann pfeifen", sagt der Rentner. Er nimmt ein Blättchen in den Mund und quiekt wie ein Schwein. "Man muss es auf die Zungenspitze legen wie beim ersten Kuss." Dann müsse man die Zunge hinter die Zähne drücken und "Schuh, Schule, Schneider" sagen, rät er. Die Übung sei auch gut für Sprachbehinderte, um die Stimmbänder besser zu durchbluten.

An seinem Stand kosten zwei Pfeiferl drei Euro. Reich wird Berger damit nicht. "Ich mache das mehr zur Gaudi", sagt er. Allerdings müsse er auf der Wiesn mehrere tausend verkaufen, um seine Kosten wieder reinzubekommen. Jeden Tag steht der 67-Jährige von Mittag bis in die Nacht hinein an seinem Stand: "Das ist harte Arbeit." Dennoch vergingen die 16 Tage Oktoberfest viel zu schnell, klagt er. Seine Frau wolle immer, dass er kürzer trete. Aber das kommt für Berger nicht in Frage: "100 Jahre möchte ich pfeifen."

Kathrin Hedtke, ddp

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