Grand Hotel von Budapest Großes Kino
In Zubrowka, einem Land im Herzen Europas, steht das Grand Budapest Hotel: eine Herberge, in der sich Adel und Bourgeoisie verlustieren, bevölkert von wunderlichen Charakteren, bedroht von einem bald ausbrechenden Krieg. Hollywoodregisseur Wes Anderson zeigt in seinem Film, der am Abend mit Glück einige Oscars abräumen wird, eine exzentrisch-schrille Welt.
Gerne würde man hier einchecken, um teilzuhaben am märchenhaften Liebes-, Versteck- und Detektivspiel rund um Concierge M. Gustave H. und den Pagen Zero. Doch: Das Grand Budapest Hotel ist leider Fiktion. Unter diesem Namen zeigen Suchmaschinen im Internet nur polnischen Wodka an. Gedreht wurde der Film in Sachsen, vor allem in einem Jugendstil-Warenhaus in Görlitz.
In Ungarns Hauptstadt gibt es allerdings tatsächlich eine Unterkunft, deren Geschichte so filmreif ist wie die auf der Leinwand. Und Tibor Meskál ist das Gedächtnis der Herberge. Der Duty-Manager und Gästeführer im Corinthia Budapest schaut hoch zur Fassade. Die Standfiguren über dem Hauptportal symbolisieren eigentlich die vier Jahreszeiten. Doch für Meskál sind die steinernen Damen die Schutzengel des Gebäudes.
Sie hätten ihre Hand über das Haus gehalten, in guten wie in schlechten Zeiten, und deswegen sei es immer wieder auferstanden. "Dieses Hotel hat so viele Leben wie eine Katze", sagt Meskál. Er erzählt die Geschichte des Grandhotels. Und seine eigene: wie er als 18-Jähriger hier als Kellner anfing, aus Ungarn flüchtete und 40 Jahre später zurückgekehrte - nach Hause, in sein "Royal".
Zerstört im ungarischen Volksaufstand
Das 1896 eröffnete Grand Hotel Royal war einst laut Eigenwerbung das "größte, vornehmste und modernste Haus der Haupt- und Residenzstadt". Es hatte 350 Zimmer auf fünf Stockwerken, es hatte Aufzüge, elektrisches Licht und Telefon. Palmen vom Mittelmeer empfingen die ersten Besucher, die zur Tausend-Jahr-Feier Ungarns nach Budapest gereist waren und mit Silberbesteck speisten.
Auch in den folgenden Jahrzehnten stieg im größten Grandhotel Europas ab, wer Rang und Namen hatte. "Die Bälle im Royal waren die prunkvollsten der Stadt, in der Bar spielten die besten Pianisten des Kontinents, im Kaffeehaus trafen sich Autoren und Künstler zum Diskutieren und um Mäzene zu finden", erzählt Meskál.
Der erste Film der Brüder Lumière hatte hier seine Ungarn-Premiere. Auch Josephine Baker kam für einen Auftritt aus Paris nach Budapest. Der Tanz der ziemlich nackten "Schwarzen Venus" brachte das Blut eines Verehrers in Wallung und hatte dramatische Folgen. Ein ungarischer Kavallerieoffizier schickte ihr Rosen und Liebesbriefe ins Hotel, bis es Bakers Mann zu viel wurde: Er forderte den Nebenbuhler mit dem Säbel zum Duell.
Später marschierten Soldaten durch die drei Drehtüren in die Lobby: Das Royal wurde vom Militär requiriert. Anders als viele Hotels am Ufer der Donau überstand es zwar den Zweiten Weltkrieg, wurde aber schwer beschädigt. 1956, nur Jahre nach dem Wiederaufbau, verbarrikadierten sich hier die Organisatoren des Ungarischen Volksaufstands. Sowjetische Panzer schossen auf das Gebäude, bis es in Flammen aufging.
Als Flaggschiff der staatlichen Hungar Hotels wurde das Royal 1961 zum dritten Mal neu eröffnet - und schloss 30 Jahre später, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, als sich kein Investor für die dringend nötige Renovierung fand. Nach zehn Jahren Leerstand wäre die Ruine wohl abgerissen worden, hätte sich nicht eine maltesische Firma für Neueröffnung Nummer vier engagiert. Nur Fassade und Ballsaal haben die Jahre des Wandels überlebt. Doch weil sich die Architekten am den Plänen von einst orientiert haben, spürt man noch etwas von der historischen Aura.
Der diskrete Concierge
Das alte Grand Hotel - inzwischen Corinthia Budapest - hat sich auf neue Gäste eingestellt. Manche verdiente Mitarbeiter gehören dagegen zum Inventar - so wie Meskál, der bereits bei der Eröffnung 1961 dabei war. "Damals habe ich hier als Kellnerlehrling angefangen: Das Royal war wieder das beste Haus der Stadt und eine gute Schule", erzählt er.
Später wurde es ihm in Ungarn aber z

"Grand Budapest Hotel" und das Original: Filmreife Geschichten
u eng: Er türmte über Jugoslawien nach Italien, nahm ein Schiff nach Australien und servierte dort Königin Elisabeth II. bei der Eröffnung des Opernhauses von Sydney. Unter einer Bedingung: "Ihrem Butler hat meine wilde Haarpracht nicht gefallen. Ich musste also zum Friseur und auch meinen Schnurrbart abrasieren."
In aller Welt hat Meskál anschließend gearbeitet, doch mehr als 40 Jahre nach seinem Debut im Royal war er zurück, als 2002 die Wiedereröffnung anstand. "Jetzt bin ich 72. Eines Tages werde ich wohl in Ruhestand gehen, aber soweit ist es noch lange nicht." Zwar gebe es eine Frau in seinem Leben, "doch eigentlich bin ich mit dem Royal verheiratet".
Auch Chef-Concierge Tamás Ungár ist ein Urgestein, seine Laufbahn begann er als Page. "Ich habe mich ums Gepäck gekümmert und Besorgungen erledigt." Wie Lobby-Boy Zero in Wes Andersons Film ist auch er zum Concierge aufgestiegen. Ungár verlässt sich nicht auf Google, wenn er Gäste berät, kennt 150 Telefonnummern auswendig und baut auf die Unterstützung von Kollegen, wenn Not am Mann ist: Er trägt zwei Anstecker mit goldenen Schlüsseln am Revers, die Insignien der internationalen Concierge-Vereinigung Les Clefs d'Or.
"Im Kino sieht man, wie die Concierges eine Flucht vor der Polizei organisieren. Ganz so dramatisch geht es bei mir nicht zu", sagt Ungár. "Aber ich habe immerhin einer schwangeren Frau einmal zu einem Flug ins Krankenhaus verholfen. Später kam dann ein Brief mit einem Foto des Babys: Das Kind trägt als Dank nun meinen Namen."
M. Gustave H., der schillernde Concierge des "Grand Budapest Hotel", bezirzt gerne reiche Damen und kennt alle Marotten und Wünsche seiner Gäste. Tamás Ungár, Hauptdarsteller im echten Grandhotel von Budapest, hat ungleich strengere Vorschriften, was den Umgang mit Klienten betrifft. Aber ebenfalls ein gutes Gedächtnis. Wenn jemand von der Grandezza eines Grandhotels, von Vorlieben und Pläsierchen berühmt-berüchtigter Stars und Sternchen zu berichten vermag, dann er.
Macht er aber nicht. "Als Concierge muss man diskret sein."