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Japan-Reise mit Kind: Zeichentrick und Kaffeekunst

Foto: Caroline Schmidt-Gross

Japan mit Teenager Teezeremonie oder Pikachu-Rausch?

Hello Kitty, Pokémon und Playstation: Fabian kennt Japan wie viele andere deutsche Kinder vor allem durch Spielzeug. Mit seiner Mutter begibt sich der 13-Jährige auf die Spuren von Pikachu und Co. - eine Reise, die für beide einige Überraschungen birgt.
Von Caroline Schmidt-Gross

Kaum sind wir in Tokio gelandet, katapultiert uns ein Aufzug innerhalb von 50 Sekunden wieder in die Luft. "Der Sky Tree ist der höchste Fernsehturm der Welt", hat Fabian kurz zuvor per Smartphone herausgefunden. "Da müssen wir rauf!" Oben wandeln wir in einer geschwungenen Glasröhre wie durch Luft, am Horizont sehen wir den Berg Fuji und die Hochhäuser in den Geschäftszentren Shibuya und Shinjuku. Die Plattform in 450 Metern Höhe  ist der perfekte Ort für eine erste Orientierung in der japanischen Hauptstadt, in deren Großraum mehr als 35 Millionen Menschen leben.

Die Situation ist typisch für unsere Reise: Fabian saugt die Informationen blitzschnell aus dem Netz, während ich seit Tagen mit Klebezetteln und meinem dicken Reiseführer kämpfe. Ganz oben auf unserer To-do-Liste stehen deshalb nicht die alten Tempel und mystischen Schreine, die ich gerne sehen möchte, sondern das International Manga Museum  in Kyoto, ein Pokémon Center  in Tokio und das Ghibli-Museum .

Anders als ich kennt Fabian fast alle Protagonisten aus den Anime-Filmen des Oscar-Preisträgers Hayao Miyazaki: Totoro, Ponyo und Chihiro sind mitverantwortlich dafür, dass er unbedingt nach Japan reisen wollte - genau wie seine treuen Wegbegleiter Playstation und Nintendo DS. Als wir beide feststellen, dass auch der Fernseher, mein Auto und die Fotokamera japanische Produkte sind, hat er mich davon überzeugt, gemeinsam ins Land der aufgehenden Sonne zu fliegen.

Plüschbus, Taschenmonster und kreischende Verkäufer

Im Ghibli Museum  können wir anhand von Kulissen und unzähligen an die Wand gepinnten Zeichnungen nachvollziehen, wie die Figuren und Geschichten des Zeichentrickfilmstudios Ghibli entstanden sind. Hauptattraktion ist der lebensgroße Katzenbus aus Plüsch aus dem Film "Mein Nachbar Totoro". Als wir vorbeikommen, bewirft sich eine Horde Kinder gerade mit Hunderten von schwarzen flauschigen Bällen, den sogenannten Rußmännchen. Anders als im Film zerfallen die Kugeln leider nicht zu Staub, wenn man sie fängt.

Noch bunter - und lauter - ist es im Pokémon Center , das wir danach besuchen. Zu den berühmtesten "Taschenmonstern" gehört Pikachu. Er wurde sogar zum WM-Maskottchen für die japanische Fußballnationalmannschaft auserkoren und ist hier auf Waschlappen, Bechern oder Socken zu finden. Dazu dröhnen aus den Lautsprechern Töne von Kampfszenen und aggressive Melodien, während ein Verkäufer schreiend umherläuft, um neue Sonderangebote anzupreisen. Ich verfluche das moderne Japan - Fabian ist begeistert.

Als unerwartetes Abenteuer entpuppt sich für uns beide die Übernachtung: "Die Klobrille ist beheizt", ruft mein Sohn aus dem Bad. Tatsächlich sieht die Toilette aus wie ein Schleudersitz. Einer der vielen verschiedenen Knöpfe ist fürs Po-Abspülen - für uns Luxus, hier Standard. Kaum Komfort und wenig Platz bietet dagegen der Rest des Kapselhotels: eine Jugendherberge auf Japanisch. Günstig, aber eng.

Schnarchende Mitbewohner statt ferne Galaxien

Die Gäste werden getrennt nach Männern und Frauen in 25 Bettröhren pro Schlafsaal untergebracht, jede etwas größer als ein Kernspintomograf. Fabian und ich haben erst das Gefühl, per Raumschiff in ferne Galaxien aufzubrechen. Nachts holt uns das Türgeklapper und Schnarchen unserer "Mitbewohner" in die Realität zurück. Ein Tipp: immer ein Bett in der obersten Reihe in der Mitte buchen.

Am nächsten Tag quengelt Fabian: "Einmal müssen wir aber auch Sushi essen." Ich lehne erst ab, zu teuer. Doch mein Sohn belehrt mich eines Besseren. Dank seiner Suchanfrage "how to eat sushi cheap in tokyo". Nicht mehr als 15 Euro kostet uns das Essen, Sushi satt, mit Miso-Suppe und Nachtisch - geordert per Bildschirm, serviert über eine Schiene, auf der das frisch zubereitete Nigiri oder Sashimi direkt an den Platz saust. "Siehst du", sagt Fabian. "Japan muss nicht teuer sein."

Während ich mir Wissen über die traditionelle Teezeremonie anlese, entdeckt er auf Youtube eine andere landestypische Spezialität: Latte Art  - aus Milchschaum hergestellte Bildchen auf dem Cappuccino. Der Meister dieser Zunft heißt Kazuki Yamamoto. Auf seinen Spuren muss ich verschiedene Designs ausprobieren, Pandabär, Schneemann, ein Mädchen mit Hut - bis mir ein Koffeinschock droht.

Durch 5000 Tore zum Gipfel

Nach Kyoto reisen wir mit dem Schnellzug Shinkansen . Auf die Minute pünktlich schafft er rund 500 Kilometer in etwas mehr als zwei Stunden. "Thank you for travelling with Japanische Bahn", denke ich. In dem Bus zum Manga-Museum  lernen wir Saki kennen, die Deutsch studiert. Wie alle Japaner, die wir treffen, ist sie sehr hilfsbereit. "Ihr müsst unbedingt auch den Fushimi-Inari-Schrein  ansehen", empfiehlt sie beim Aussteigen. Kurz darauf sind wir Facebook-Freunde. Und sie hat recht: Die Tempelanlage ist beeindruckend.

Der vier Kilometer lange Rundweg führt durch 5000 orangefarbene Holztore. Eine Wohltat nach all der Kinderzimmerkultur und dem Kommerz. Auch Fabian gefällt's, kurz vor dem Gipfel droht er jedoch keuchend: "Nur wenn ich jetzt ein Eis bekomme, gehe ich weiter." Jedes Tor wurde von einem japanischen Unternehmer gespendet - kein Wunder, dass der Schrein umgeben ist von Souvenirgeschäften.

Hier entdecken wir die Vorliebe der Japaner für "Kawaii", was "niedlich" heißt. Alles ist irgendwie süß: Kleidchen, Anhängerchen, Hello-Kitty-Schnickschnack, winzige Radiergummis in der Form von Törtchen, Tieren oder Früchten. Ich kenne diese japanischen Radierer nur zu gut: Bei uns zu Hause liegen mindestens 200 Stück in einem Schuhkarton.

Radiergummis in Form von Törtchen, Tieren und Früchten

Als Fabian die Internetseite von Iwako, einem in Japan führenden Hersteller , besucht, sieht er, dass es jedes Wochenende eine Führung durch die Fabrik  gibt. Sofort melden wir uns an. Wir sind die einzigen Ausländer zwischen 26 Kindern und Erwachsenen. Zwar verstehen wir kein Japanisch, die Besichtigung ist aber trotzdem ein Highlight.

"Wie klein die Maschinen sind", wundert sich mein Sohn. Es riecht süßlich nach Gummi, und neben mir werden sekündlich kleine Pferdeköpfe ohne Mähne in einen Karton gespuckt. Im Fabrik-Shop schlagen wir anschließend ordentlich zu. 17 Cent kostet hier umgerechnet ein Radiergummi - in Deutschland müssen wir fast zwei Euro zahlen.

Was wir noch im Koffer mit zurücknehmen? Eine große Sympathie für ein Land und seine Menschen, deren Produkte uns seit Jahren fast unbemerkt im Alltag begleiten - und natürlich Hello-Kitty-Brotdosen für die fünfjährige Schwester und einen Glücksanhänger aus dem Tempel für mein Auto.

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