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Schwulenszene in Bangkok: Offen, laut, wild

Foto: Ed Norton/ Getty Images

Queeres Bangkok Die Silom Road, ein Stück Freiheit

Drag Queens treffen hier auf Touristen aus aller Welt: Die Silom Road ist das Zentrum von Bangkoks schwulem Nachtleben. Zur White Party vor Silvester zeigt sich die Szene so offen und laut wie sonst nirgends in Asien.

Wenn die anderen Clubs im Umkreis schließen, versammeln sich im G Bangkok alle, die jetzt noch nicht nach Hause wollen.

Hart und laut ballert Techno aus den Lautsprechern über die verschwitzte Menge auf der Tanzfläche. Von Tanzen kann dort kaum die Rede sein, so voll ist der Club. Und heiß ist es, Kondenswasser tropft von der Decke. Die meisten Besucher haben sich ihre T-Shirts längst ausgezogen.

Yu-Hsiang genießt die ausgelassene, aufgeladene Atmosphäre sichtlich. Der 30-Jährige kommt aus Taiwan und macht in Bangkok Urlaub. Zum dritten Mal besucht er die thailändische Hauptstadt, die von seiner Heimat etwa so weit entfernt ist wie Gran Canaria von Deutschland. "Hier sind alle Leute so offen, so open-minded", sagt er begeistert. "Einen Club, in dem so viele Männer ohne T-Shirt tanzen, gibt es in Taipeh nicht."

Keine andere asiatische Stadt hat eine so große und lebendige Schwulenszene wie Bangkok. Die konzentriert sich auf ein Viertel rund um die Silom Road, das früher vor allem für seinen Rotlichtbezirk bekannt war. Gesäumt von Hochhäusern, Shoppingcentern und einem hinduistischen Tempel, führt sie vom Lumphini Park fast direkt an den Fluss Chao Phraya. Männer im Anzug und Frauen im Kostüm eilen tagsüber zum nächsten Termin, der Verkehr staut sich, während über einem Teil der Straße auf Betonstelen die Hochbahn rattert.

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Schwulenszene in Bangkok: Offen, laut, wild

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Nachts aber wandelt sich das Bild. In den von der Silom Road abgehenden Querstraßen, den Sois, bieten Masseurinnen und Masseure ihre Dienste an. Auf einem Nachtmarkt lässt sich Krimskrams kaufen, von T-Shirts über Unterwäsche bis Gürtel und Lederwaren; Garküchen haben Snacks im Angebot, wenn die Cafés längst geschlossen haben. Und nachts treffen sich hier, besonders in den Sois 2 und 4, auch Homosexuelle aus aller Welt, trinken in den Bars und feiern in den Clubs. Für Yu-Hsiang und viele andere verspricht ein Abend auf der Silom Road ein Stückchen Freiheit.

Sehen und gesehen werden

Die meisten Nachtschwärmer beginnen ihren Abend einige Stunden vorher, nur einen kurzen Spaziergang entfernt. Auf beiden Seiten der Silom Soi 4 reihen sich Schwulenbars aneinander. Telephone oder Balcony heißen sie, und alle haben sie ihre Tische und Stühle so aufgestellt, dass die Gäste in Richtung Gasse blicken können. Sehen und gesehen werden ist hier das Motto.

Silom Road - die besten Tipps

Auch Luis und Burak sind auf einen Drink vorbeigekommen. Die beiden Berliner sind ein Paar und besuchen Bangkok zum ersten Mal. Gerade erst sind sie nach zehnstündigem Flug gelandet. Trotz ihres Jetlags zieht es sie sofort hierher. Ihr erster Eindruck: "Zwischen den Tischen durchzulaufen, das fühlt sich an wie auf einem Catwalk." Freunde hatten ihnen die Silom Road empfohlen. "Ich habe auch schon von der Drag Community in Bangkok gehört", sagt Burak.

Die Drag Community ist ebenfalls in der Soi 4 zu Hause, vor allem in der Stranger Bar. Zwei Queens, Meannie Minaj und Kandy Zyanide, stehen davor. In eng anliegenden Kleidern und mit auffällig glitzerndem Schmuck machen sie auf die Show aufmerksam, die in wenigen Minuten beginnen wird. Fans kennen die beiden nicht nur aus dem Silom-Road-Viertel, sondern auch aus dem Fernsehen. Beide sind in der thailändischen Version der US-amerikanischen Reality-Show "RuPaul's Drag Race" aufgetreten.

Nicht nur deshalb ist die Stranger Bar für Drag-Enthusiasten ein Muss: "Wir haben die Drag Shows in der Soi erst populär gemacht", erzählt Meannie Minaj, bevor sie Backstage verschwindet, weil die Show beginnt.

Auf einer hohen Veranda treten Meannie Minaj, Kandy Zyanide und weitere Queens nacheinander auf, steigen eine steile Treppe zu den Gästen herunter, bis sie mitten unter ihnen stehen. Zwischen poppigen Lip-Sync-Nummern bekommen die Besucher mit schlagfertigen Sprüchen ihr Fett weg, auch untereinander machen sich die Queens pausenlos übereinander lustig - bevorzugt darüber, wer beim Drag Race zuerst und aus welchem Grund rausgeflogen ist.

Eine Art zweites Wohnzimmer

Gegen Mitternacht, wenn die Stimmung gelöst und viele Gläser geleert sind, zieht die kleine Karawane aus Partygängern weiter, in die Soi 2, zur DJ Station. Dieses verschachtelte Konglomerat aus Bars und Diskotheken, aus denen mal House und mal K-Pop schallt, wird Nacht für Nacht zum zentralen Treffpunkt der schwulen Community. Unter den Gästen ist Dominic. Der Bangkoker ist bekannt für seine Kurzvideos auf Instagram , mit denen er seine Fangemeinde zum Lachen bringt.

In der DJ-Station trifft er pausenlos Freunde und Bekannte. An seinen ersten Besuch kann sich der 25-Jährige noch genau erinnern. Er hatte seinem 20. Geburtstag entgegengefiebert, dem Mindestalter, um am Türsteher vorbeizukommen. "Ich war sehr aufgeregt und wollte endlich das Nachtleben kennenlernen", sagt er.

Schnell wurde die DJ Station für ihn zu einer Art zweitem Wohnzimmer, außerhalb des Elternhauses. Freitags, samstags, sonntags, wann immer er Zeit hatte, kam er her. "Für mich geht es hier vor allem darum, Freunde zu treffen", erklärt er. Mittlerweile kommt er aber nur noch einmal in der Woche. Es ist ihm zu voll geworden. "Man findet kaum noch Platz, um sich zu unterhalten oder zu tanzen", sagt er. Das liegt auch an den vielen Touristen aus aller Welt.

Yu-Hsiang aus Taiwan weiß es zu schätzen, dass die Bars und Clubs der Silom Road nicht nur am Wochenende brummen. "Bangkok ist immer nonstop, ganz egal ob am Wochenende oder unter der Woche." Seinen nächsten Thailand-Urlaub hat er schon geplant. Zu Songkran, dem thailändischen Neujahrsfest im April, will er auch seinem Freund endlich "sein" Bangkok zeigen, inklusive Nachtleben natürlich.

"Es hat etwas Befreiendes"

Inzwischen hat auch das thailändische Fremdenverkehrsbüro (TAT) die Bedeutung und vor allem das Potenzial des queeren Tourismus erkannt. Die Tourismusindustrie ist der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes. Seit dem vergangenen Jahr wirbt die TAT nun ganz gezielt um schwule und lesbische Touristen - etwa indem die Organisation als Sponsor von Großveranstaltungen wie der White Party  auftritt. An den fünf Tagen bis Silvester zieht dieses Event mit verschiedenen Mottopartys jeden Abend bis zu 6000 Gäste an.

Blue Satittammanoon, der Organisator der White Party, freut sich über die offizielle Unterstützung. "Es hat etwas Befreiendes, wenn Tausende Schwule hier zusammenkommen, um miteinander zu feiern." Anders als in Europa oder Amerika sei das in Asien bislang keine Selbstverständlichkeit. So sind homosexuelle Handlungen im Nachbarland Malaysia beispielsweise strafbar.

Zwar werden die Gesetze nur selten angewandt, doch machte im vergangenen Jahr der Fall eines lesbischen Paares Schlagzeilen, das zu einer Prügelstrafe verurteilt worden war. Schwulenbars haben zwar auch in einigen Städten Malaysias geöffnet. Doch eine laute, offene und wilde Community wie in Bangkok gibt es dort nicht.

Kritiker wie die Menschenrechtsorganisation Equal Asia Foundation werfen der thailändischen Regierung zwar vor, dass sie schwule Touristen gern willkommen heiße, asylsuchenden Transsexuellen jedoch keinen Schutz gewähre. Doch Bangkoker wie Dominic sind trotzdem stolz auf ihre Heimatstadt: "Ich freue mich, dass die Leute hier sie selbst sein können."

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