Stadt unter Rekordhochwasser bedroht Venedig

Acqua Alta in Venedig: Bewohner und Touristen in der Lagunenstadt leiden unter dem schlimmsten Hochwasser seit 20 Jahren. Am Montag erreichte das Wasser einen Stand von 156 Zentimetern, fast die ganze Stadt ist überschwemmt.

Venedig - Man kann nicht sagen, dass die Venezianer nicht gerüstet seien für die alljährlichen Hochwasser in ihrer Stadt. Schon im Spätsommer liegen Holzpanelen für die Brückenkonstruktionen bereit, über die Bewohner und Touristen die tiefer gelegenen Stadtgebiete wie den Markusplatz erreichen können - wenn der Alarm für Acqua Alta gegeben ist. Doch das Hochwasser, das am Montag die Lagunenstadt überflutet, übertrifft alle Befürchtungen.

Bereits am Morgen standen fast alle Straßen unter Wasser, Touristen und Bewohner kämpften sich über die Gangways durch die Stadt und durch das knietiefe Wasser auf dem Markusplatz. Venedigs Behörden warnten vor einem Rekordhochwasser: "Dies ist außergewöhnliches Hochwasser", sagte der venezianische Bürgermeister Massimo Cacciari. Die Einwohner sollten möglichst in ihren Häusern bleiben. Seit dem Morgen warnten die Behörden mit Sirenen, über Lautsprecher und per SMS vor dem ansteigenden Wasser. Erschwert wurde die Lage noch durch einen Streik der Vaporettos, der berühmten Wasserbusse. Aber auch die Motortaxis haben ihren Betrieb eingestellt.

Das Hochwasser habe das Rekordniveau von 156 Zentimetern über dem Meeresspiegel erreicht und war damit das schlimmste seit mehr als 20 Jahren, berichteten italienische Medien am Montag. Der durch starke Regenfälle und Wind verursachte Wasserstand sei der vierthöchste seit 1986, als das Acqua Alta auf die Marke von 158 Zentimetern stieg. Das Hochwasserzentrum hatte zuvor damit gerechnet, dass der Meeresspiegel auf bis zu 160 Zentimetern ansteigen und damit den höchsten Stand seit fast 30 Jahren erreichen würde. Doch dann drehte zum Glück der Wind und stoppte damit den weiteren Anstieg.

"Dies ist die zehntschlimmste Flut der letzten 100 Jahre", sagte der Präsident der Region Venetien, Giancarlo Galan. "Und das zuständige Meeresinstitut wusste am Morgen noch nicht, was sich nur zwei Stunden später hier abspielen würde", kritisierte er die unzuverlässigen Flutvorhersagen.

Anhaltender Südwind sowie tagelange starke Regen- und Schneefälle in Norditalien trugen nach Angaben von Experten zu dem ungewöhnlich hohen Anstieg des Wassers am Montag bei. Sie gingen davon aus, dass das Wasser erst am frühen Abend komplett aus den Straßen abgeflossen sein würde. Für den frühen Dienstag sagten sie dann einen erneuten Anstieg um rund einen Meter vorher.

Bisheriger Rekordstand war am 4. November 1966, als das Hochwasser 194 Zentimeter erreichte. Damals litt ganz Italien unter verheerenden Überschwemmungen.

Projekt Mose zu Venedigs Schutz

Venedig, das nur einen Meter über dem Meeresspiegel liegt, ist für seine häufigen Hochwasser bekannt, bei denen oft der gesamte Markusplatz unter Wasser steht. Der Klimawandel könnte das Problem noch verschlimmern, befürchten italienische Forscher schon seit längerer Zeit. Der Meeresspiegel sei bereits um etwa 24 Zentimeter höher als noch vor 100 Jahren und das Wasser steige gegenwärtig im Durchschnitt um drei Millimeter pro Jahr.

Zusätzlich sinke die auf Pfählen gebaute Lagunenstadt langsam ab. So hat es in in den vergangenen Jahren immer häufiger Hochwasser gegeben: Während man im Jahr 1925 lediglich sieben Mal Acqua Alta registrierte, seien es in den letzten Jahren jeweils weit über 50 Mal gewesen.

Zum Schutz der Stadt errichtet Venedig seit drei Jahren ein milliardenteures Schleusensystem an den Hafeneinfahrten. Seit Ende 2004 wird an dem Projekt Mose (modulo sperimentale elettromeccanico) mit 79 Schleusentoren auf dem Lagunenboden gebaut, das 2014 fertiggestellt sein soll. Die Tore sollen bei einem Hochwasser ab 110 Zentimeter über dem Normalpegel per Druckluft aufgerichtet werden.

abl/AFP/dpa/Reuters

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