Tourismus Bungee-Jumping für Kuschelbären

Die total verrückte Geschäftsidee: Ein Münchner Paar lässt sich aus aller Welt Kuscheltiere schicken, fährt sie umher, knipst sie vor Sehenswürdigkeiten. Dann gehen sie an den Besitzer zurück - Plüschtier-Fans zahlen für die Rundreise bis zu 150 Euro.
Von Volker ter Haseborg

München - Bine hat sich zum Geburtstag eine Reise gewünscht. Nach München, da wo sie auf die Welt gekommen ist. Meint wenigstens ihre Besitzerin.

Jetzt ist der große Tag da: Aus ihren schwarzen Knopfaugen beobachtet Bine, wie der TÜV-Angestellte Christopher Böhm, 47 Jahre alt, eine Kerze für sie anzündet und ihr ein Geschenk überreicht. Ein Dirndl, rechtzeitig zum Oktoberfest. Das muss natürlich auf einem Foto festgehalten werden.

Was für ein Tag: Zuerst hat Herr Böhm dem Plüschtier die Stadt gezeigt, den Viktualienmarkt, die Frauenkirche, den Olympiapark. Jetzt sind sie im Teddy-Laden "Bärlebnis", wo Bine vor einem Jahr hergestellt worden ist. Nachher geht es noch in einen Biergarten. Die Kamera ist immer dabei, versteht sich. Bines Besitzerin aus Tutzing soll schließlich stolz sein. Und zufrieden, denn sie hat sich den Ausflug für ihren Teddy schon ein bisschen was kosten lassen.

Was - je nach Ansicht - wie eine Geschichte aus dem Kinderbuch oder völlig Gaga klingt, nennt sich "Teddy in Munich" und ist die Geschäftsidee von Christopher Böhm und seiner Freundin Elke Verheugen. Plüschtier-Liebhaber aus aller Welt können ihre puscheligen Lieblinge nach München schicken, dort werden sie von Böhm und Verheugen vor den Sehenswürdigkeiten der bayerischen Haupstadt geknipst.

Auch Wünsche können Teddy-Besitzer anmelden: Teddy beim Bungee-Jumping, Golfen oder Angeln? Kein Problem. Ein Teddy-Freund wünschte sich für seinen Liebling einen Ausflug nach Garmisch-Partenkirchen. Auch dieser Wunsch wurde von den Teddy-Animateuren erfüllt. Einen Plüschtier-Besitzer musste Verheugen allerdings enttäuschen. Er wollte, dass sein Bär in die Oper geht. Das war zu teuer. Die Teddys wären zwar gratis in die Oper gekommen, nicht aber seine beiden Reiseleiter.

"Teddys haben eine Seele"

"Nein, wir sind nicht verrückt", sagt Verheugen, während sie einen Bollerwagen voller Teddys, Bines Reisegenossen, durch die Münchner Fußgängerzone zieht. Vielmehr bediene sie den Spleen von ganz normalen Leuten: Ein promovierter Biologe habe seinen Teddy schon in die Ferien nach München geschickt, ein Professor auch. Sonst seien es zu 90 Prozent Frauen, die das Angebot wahrnehmen. Teddys, so behauptet Elke Verheugen, haben einen Charakter und eine Seele. Die 47-jährige selbständige Marketing-Fachfrau bekam ihr Lieblings-Kuscheltier, einen Plüschhasen, mit zehn Jahren. "Er war da, als ich Schulstress und Liebeskummer hatte und als ich mal ins Krankenhaus musste. Er ist schon so was wie eine Begleitperson", meint sie.

Fotostrecke

Teddys auf Weltreise: Sightseeing in der Münchner City

Foto: Teddy-in-Munich.de

Ähnlich scheinen viele Menschen in allen Teilen der Erde zu denken. Über 50 von ihnen schickten bereits ihre Lieblinge an die Isar. Vor allem aus England, aber auch den USA, Kanada und natürlich Deutschland kommen vor allem in der Urlaubszeit Sommer haufenweise Anfragen. "Mehr Tiere können wir nicht betreuen", sagt Verheugen, die wie ihr Freund das Geschäft mit den Teddy-Reisen als Nebenjob macht.

99 Euro kostet der einwöchige Trip nach München für deutsche Teddy-Fetischisten, Kunden aus dem europäischen Ausland müssen 129 Euro zahlen, der amerikanische Teddy-Fan blecht 149 Euro. "Amerikaner sind so verrückt, da haben wir noch mal 20 Euro mehr genommen, damit ein bisschen was für uns übrig bleibt", meint Verheugen. Nach der Reise bekommen die Teddy-Besitzer ihren Teddy in einer 50 mal 50 mal 50 Zentimeter großen Box zurück. Ein individuelles Fotoalbum samt Reisebericht kommt ebenfalls per Post.

Sehnsucht nach dem Kuscheltier

Bei ihren Reisen müssen die beiden Reiseveranstalter auch mit der Sehnsucht der Teddy-Besitzer nach ihren Tierchen klarkommen. "Viele von ihnen schreiben Emails, rufen an und fragen, ob ihr Tier auch gut angekommen ist und ob es ihm gut geht", sagt Verheugen. Andere schicken auch noch ein Taschengeld mit, für ein Extra-Foto mit einer Maß Bier, einem Eis oder für neue Klamotten.

Eigentlich betrachtet Verheugen das ganze Unternehmen nur als Gag. "Ich wollte mal sehen, ob man so eine Idee vermarkten kann", sagt die Marketing-Expertin. Es klappte. 20 Euro Gewinn machten die beiden pro Gast, sagen Böhm und Verheugen.

Nur aus Spaß und als Hobby will Christopher Böhm die Aktion verstanden wissen. Normalerweise zerfleddert er die süßen Tierchen für seinen Arbeitgeber, den TÜV, weil er feststellen muss, ob die Tiere etwa giftige Stoffe enthalten oder ob für Kinder Verletzungsgefahr besteht. Die Idee kam zustande, weil er München liebt und gerne Sightseeing-Touren durch die bayerische Landeshauptstadt macht. Auch für Teddys.

Am liebsten erzählt er die Geschichte vom Teddy "Little TJ" aus Kanada. Sein Frauchen hatte ihn nach München in die Ferien geschickt. "Sie war von den Fotos so begeistert, dass sie jetzt selbst nach München reisen wird", sagt Böhm.

Bislang hat sich die Münchner Tourismuszentrale noch nicht bei ihm gemeldet und ihm eine Medaille für sein erfolgreiches Werben um Touristen verliehen. Wohl aber ein Verlag, der jetzt einen Reiseführer für München auf den Markt bringen will. Aus der Sicht eines Teddys geschrieben, versteht sich.

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