Tschechien Kultur kompakt in Cesky Krumlov
Das hügelige Land an der jungen Moldau, eine Autostunde von Passau oder Linz entfernt, besitzt eine der reichhaltigsten Kulturlandschaften Europas. Klostersiedlungen des Bistums Passau säumen die Flüsse, Burgen und Schlösser der Witigonen und Schwarzenberg bekrönen die Hügel, und im Hinterkopf reisen die Klänge von Smetanas Moldau mit. Rund 100 Kilometer braucht sie von ihrer Quelle im Böhmerwald, muss erst am Oberlauf den einsamen Lipno-Stausee durchfließen, ehe sie Cesky Krumlov erreicht, wo ihr Doppelmäander den alten historischen Stadtkern von der Burg mit der darunter liegenden Siedlung Latran trennt. Die Burg zählt mit ihren fünf Höfen und 40 Gebäuden zu den größten Komplexen, die Europa bieten kann. Seit 1992 ist die mittelalterliche Stadt Unesco Weltkulturerbe.
Burgbären wachen über dem Burggraben
Das Plätschern des Wassers, das allerorten kleine Stromschnellen bildet, begleitet die Besucher. Kanu- und Kajakfahrer erkunden die Stadt von der Wasserseite aus, geräumige Terrassen konkurrieren um die schönste Sicht auf die "krumme Au". Den schönsten Blick jedoch haben seit der Renaissance die Herren von Rosenberg für sich reserviert: Ihre Residenz bildet nach dem Prager Hradschin die größte Burganlage Böhmens. Vier Bären als Wappentiere bewachen im Burggraben den Eingang. Führungen zeigen die schönsten Schätze der 320 Innenräume - so eine goldene Kutsche, die nur einmal zum Einsatz kam, und das 1767 gegründete Schlosstheater, das zu den ältesten Europas zählt. Ein Unikum: der Bühnenmechanismus. Ungewohnt und überraschend ist das Ritual der Mittagspause. Pünktlich um 12 Uhr schließen die Schalter - Einlass ins Schloss wird erst wieder am Nachmittag gewährt.
Wer die Zeit bis dahin überbrücken möchte, sollte einen Abstecher zum Wenzelskeller machen. In diesem weiß gekalkten Gewölbe zeigt eine sehenswerte Keramik-Ausstellung von Mai bis Oktober Vasen, Schalen und freie Objekte internationaler Designer. Der "Schmalzkasten", eine Galerie im zweiten Schlosshof, konzentriert sich auf tschechische Kunst. Beim Internationalen Musikfestival im August verwandelt sich die gesamte Schlossanlage zur grandiosen Bühne. Gespielt wird nahezu überall: in der Reithalle, in den fünf Innenhöfen, auf den Gartenterrassen, in den Klosterkirchen der Umgebung und im berühmten Maskensaal. Heiter und bunt von Josef Lederer 1748 mit 135 Figuren aus der Krummauer Gesellschaft und der Commedia dell'Arte ausgemalt, bildet der Saal alljährlich auch den festlichen Rahmen für ein internationales Piano-Festival.
Sommerliche Spektakel auf der Schlossbühne
Ein Unikum im weitläufigen Schlosspark ist die Freilichtbühne: Nicht die Bühne, sondern die 658 Zuschauer auf der Tribüne drehen sich beim Szenenwechsel. Mozart, Shakespeare und Dvorak bestimmen den Spielplan des Südböhmischen Theaters. Kultur kompakt: Dazu gehört in Cesky Krumlov auch die Malerei. Seit neun Jahren hält das Egon-Schiele-Zentrum mit Aquarellen und Zeichnungen, Fotos und Erinnerungsstücken das Andenken an den Maler fest, der trotz seiner Liebe zu der Stadt, aus der seine Mutter stammte, es nur ein Jahr lang hier aushielt: Seine freizügigen Aktzeichnungen widersprachen so sehr den Krummauer Vorstellungen von Sitte und Anstand, das diese ihn 1911 von hier vergraulten.
Heute gibt sich die Stadt freizügiger, wie ein Bummel durch die zahlreichen Galerien beweist - Akte in Öl und Aquarell, käuflich für Tausende Kronen. Bodenständiger: das Angebot an böhmischem Glas. In einem Gewölbe-Shop an den Stufen zum Schloss (Latran 11) werden erstklassige Repliken historischer Gläser von Renaissance bis Jugendstil angeboten, deren Originale in Museen zu finden sind. Einzelstücke aus mundgeblasenem böhmischen Kristallglas sind ab 100 Kronen erhältlich, seltene Stücke erreichen Preise von mehreren tausend Kronen.
Opulente Speisen und Kräuterlikör
Am Abend, wenn die Busse der Tagestouristen die Stadt verlassen haben, zeigt Cesky Krumlov sich von seiner romantischen Seite. Fahles Licht aus alten Lampen erhellt die Gassen, hell erleuchtet thront die Burg über der Moldau. Im Gewölbekeller der Ritterstube "Markéta" flackert die Glut im Kamin. In dunklen Tonbechern wird mährischer Wein, auf rustikalen Holzbrettern Steaks vom offenen Feuer serviert. Dunkles Eggenberger Bier, in Krumlov gebraut, wird in der urgemütlichen Hospoda "Na Louzi" serviert. Das Lokal, original in der Einrichtung von 1932 erhalten, ist bekannt für seine Hausmannskost. Und das heißt in Tschechien Knödel und Kraut. Die Semmel- oder Kartoffelknödel, stets von der Stange in Scheiben geschnitten, werden zu allen Gerichten gereicht - zu Sauer-, Rinder-, Schweinebraten, Ente oder Fasan, Kompott oder Karpfen. Die fetten Fische, in mehr als 1000 Teichen der Umgebung seit dem Mittelalter gezüchtet, werden auf einer Moldau-Insel an blank gescheuerten Holztischen der Rybárská "Na Ostrove" fangfrisch serviert. Den klassischen Abschluss nach solchem opulenten Mahl bildet ein milder Kräuterlikör: "Becherovka" - auch wenn er nicht aus Krumlov, sondern aus Karlsbad stammt.