Tschechien Stippvisite in Südböhmen

Das hügelige Land an der jungen Moldau, eine Autostunde von Passau entfernt, ist eine der reichsten Kulturlandschaften Europas. Klostersiedlungen säumen die Flüsse, Burgen und Schlösser bekrönen die Hügel, und im Hinterkopf des Reisenden klingen die Kompositionen von Smetana.
Von Hilke Maunder

Rund 100 Kilometer braucht der tschechische Nationalfluss von seiner Quelle am Fuße des Berges Cerna hora im Böhmerwald nach Cesky Krumlov (Krummau). Weit geschwungen umschließt die junge Moldau das Unesco-Weltkulturerbe, trennt den historischen Stadtkern von der Burg mit der darunter liegenden Siedlung Latran. Das Plätschern des Wassers, das allerorten kleine Stromschnellen bildet, begleitet die Besucher. Kanu- und Kajakfahrer erkunden die Stadt von der Wasserseite aus, geräumige Terrassen konkurrieren um die schönste Sicht auf die "krumme Au". Den besten Blick jedoch haben seit der Renaissance die Herren von Rosenberg für sich reserviert: Ihre Residenz bildet nach dem Prager Hradschin die größte Burganlage Böhmens.

Am Zusammenfluss von Maltse (Maltsch) und Vltava (Moldau) liegt die Hauptstadt Südböhmens: Ceske Budejovice (Budweis). In der Heimat des "Budvar", des Budweiser Bieres, lädt an einem der schönsten und größten Marktplätze Europas das Hotel Zvon seit 1533 zu Einkehr und Unterkunft. Wer aus den Fenstern der Suiten auf den Namesti Premysla Otakara II. blickt, wähnt sich in Italien: Alle den Platz umgebenden Häuser säumen Laubengänge. In seiner Mitte trifft sich Budweis. Unter der monumentalen Skulptur von Samson wird seit Jahrhunderten gelacht, gelebt, geflirtet und erzählt. Der Brunnen ist das Herz, der Platz der Corso.

Wer nicht im "Zvon" wohnt, kann vom Schwarzen Turm aus 72 Meter Höhe einen luftigen Blick auf das Altstadt-Idyll werfen. Gen Süden, knapp eine Viertelstunde zu Fuß, kann Europas ältester Bahnhof besichtigt werden: die Station der ersten "Eisenbahn", der Pferdebahn von Linz nach Budweis (1827). Gen Norden lädt die berühmte Budweiser Brauerei zum Besuch. Die einstündige Tour endet mit einem Probetrunk, nach anderthalb Stunden warten Essen und Geschenk auf die Gäste.

Nördlich von Ceske Budejovice erhebt sich das "Windsor" der Tschechen: das weiße Schloss der Schwarzenbergs in Hluboka nad Vlatvou (Frauenberg). Einst als Burg gegründet, in Renaissance, Barock und Historismus aus- und umgebaut, lockt das monumental-märchenhafte Ensemble mit seinen elf Türmen und Basteien, der lichten Orangerie und den exotischen Bäumen im Schlosspark heute nicht nur Brautpaare und Besucher, sondern auch Filmemacher hierher.

Salz, das weiße Gold des Mittelalters, bescherte Prachtice (Prachatitz) außerordentlichen Reichtum. In einem Majestätsbrief hatte Vaclav IV. verfügt, sämtliche Salzeinfuhren Böhmens müssten über die Stadt am "Goldenen Steig" abgewickelt werden. Dieses Monopol währte gut 300 Jahre und sorgte für eine der schönsten Stadtkulissen des Landes.

Überall in der Altstadt schmücken Sgraffiti die Fassaden der prachtvollen Bürgerpalais, kunstvolle Gemälde, die auf schwarzem oder roten Untergrund in den hellen Putz geritzt wurden. Biblische und antike Motive waren während der Renaissance besonders en vogue; andere Malereien entstanden nach Motiven Hans Holbeins. Zu den schönsten Bauten zählen das alte Rathaus von 1571, erbaut als italienischer Palazzo, das ehemalige Salzhaus von 1573 sowie das Rumpalhaus, oberhalb des Laubengangs mit Sgraffiti unzähliger Schlachten übersät.

Stille Einkehr und tiefer Frieden prägen Rimov, den frühbarocken Wallfahrtsort im Bergland südlich von Budweis. Im Ambitengang betrachtet eine ältere Frau versunken die 34 Bilder mit Szenen aus dem Leben der Madonna von Rimov. Ein paar Pilger wandern auf dem sechs Kilometer langen Kreuzweg mit seinen 25 Stationen über sanft gewelltes Land. Doch das Idyll trügt: 1994 entwendeten Unbekannte wertvolle Statuetten und Gemälde aus dem Kloster. Seitdem sind Kloster, Kirche und Lorettokapelle verschlossen, werden Besucher nur noch nach Voranmeldung eingelassen.

Kontraste bestimmen nicht nur Kunst und Kultur, sondern auch die Natur im Süden Böhmens. An der Grenze zu Deutschland und Österreich säumen urwaldähnliche Wälder mit 300 bis 400 Jahre alten Fichten und Tannen die mehr als 1000 Meter hohen Berge des Nationalparks Böhmerwald. "Sumava" - der Rauschende lautet sein Name in der Landessprache, und nicht minder bildhaft hat Adalbert Stifter, 1805 in Horni Plana (Oberplan) geboren, in Werken wie "Der Hochwald" den Reiz dieser eigentümlichen Landschaft festgehalten.

Eine Autostunde nördlich erstrecken sich Tausende Teiche zwischen Budweis und Trebon. Durch Kanäle verbunden, liefern sie seit dem 13. Jahrhundert den fetten Fisch, der auf keiner Speisekarte Südböhmens fehlt: Karpfen. Stets serviert mit Knödeln und Kraut voller Schmalz, endet ein solch opulentes Mahl nicht ganz stilecht mit einem Gläschen "Becherovka" - denn der Schnaps stammt nicht aus Südböhmen, sondern ist ein Klassiker aus Karlsbad.

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