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Bessere Infrastruktur, kreative Ideen: Wien will mehr Radfahrer

Foto: Velo-city 2013

Masterplan in Wien Radlfahrer verzweifelt gesucht

Ampeln auf Dauergrün und Radparkplätze vor der Wohnungstür: Wien will mit kreativen Ideen und positiven Slogans den Anteil der Fahrradfahrer in der Stadt verdoppeln. Vorbild dafür ist ausgerechnet eine deutsche Metropole.

Die Voraussetzungen könnten eigentlich kaum besser sein. Wien ist eine flache Stadt, die Distanzen sind überschaubar. Trotzdem spielte das Fahrrad im Leben der Wiener bislang nur eine untergeordnete Rolle. Bei den in der Stadt zurückgelegten Wegen wurde der Drahtesel kaum mehr als zu fünf Prozent genutzt. Zum Vergleich: Amsterdam und Kopenhagen liegen bei über 30 Prozent, Berlin erreichte zuletzt 13 Prozent.

Doch in Österreichs Hauptstadt könnte bald ein neues Mobilitätszeitalter anbrechen. Seit zweieinhalb Jahren regiert eine rot-grüne Koalition im Rathaus, und die hat ein ehrgeiziges Ziel formuliert: "Wir wollen den Radanteil binnen fünf Jahren verdoppeln", sagt Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou , zuständig für Stadtplanung und Verkehr. Mehr Radfahrer bedeuteten weniger Lärm und weniger Feinstaub und machten die Stadt daher lebenswerter.

Seit dem Machtwechsel folgt die Stadt einer Art Masterplan Fahrrad: Schritt für Schritt wurden Radwege ausgebaut - unter anderem am vielbefahrenen Ring um die Innenstadt. Im März dieses Jahres wurde die erste Fahrradstraße eröffnet. Werbestrategen im Rathaus haben das "Radjahr 2013"  ausgerufen. Diese Woche markiert nun den vorläufigen Höhepunkt: Mehr als tausend Fahrradexperten treffen sich im Wien zum internationalen Kongress Velo-City  - Österreichs Hauptstadt präsentiert sich dabei als aufstrebende Radmetropole.

Im Slalom um die Touris

Wer durch die altehrwürdige Stadt radelt, spürt, wie ernst man das Thema "Radl" mittlerweile im Rathaus nimmt. Fast fünf Millionen Euro steckt die Stadt jährlich in den Ausbau der Infrastruktur. Das Radwegenetz ist dicht, auch wenn man sich an die Wegführung mitunter noch gewöhnen muss. Mal wechselt ein Radweg plötzlich die Straßenseite, mitunter sind Radwege beidseitig benutzbar, und man muss mit Gegenverkehr rechnen.

Wien ist vor allem im Zentrum eng bebaut - und das bereitet Stadtplanern und Radlern große Probleme. Wer möglichst schnell quer durch die Innenstadt fahren möchte, fährt am besten außen auf dem Ring um sie herum. An Ampelkreuzungen müssen sich Fußgänger und Radfahrer oft Warteflächen teilen. Erschwerend hinzu kommen große Touristengruppen, die häufig nur Augen für die schönen alten Gebäude haben und gar nicht merken, dass sie auf einem Radweg herumlaufen.

Auf dem Ring ums Zentrum und auch auf den Radwegen außerhalb der Innenstadt kommt man trotzdem gut voran. Hauptmanko ist die mitunter geringe Breite der Fahrradspuren. Noch herrschen in Wien keine Verhältnisse wie in Kopenhagen, Münster oder Berlin-Prenzlauer Berg. Aber wenn schon bald tatsächlich zehn Prozent aller Wege in Wien rauf dem Rad zurückgelegt werden, könnte es eng werden auf den frisch markierten Routen.

Radfahren ist auch Kopfsache

An mehr als einem Dutzend Stellen in der Stadt haben Techniker Sensoren in den Asphalt verlegt, welche die darüber rollenden Radler zählen. Am Karlsplatz und auch am Praterstern verkünden Anzeigetafeln, wie viele Radler an diesem Tag bereits die Zählstelle passiert haben. Von fünfstelligen Zahlen wie in Kopenhagen können die Wiener vorerst nur träumen - aber immerhin haben die Verkehrsplaner nun valide Daten in Echtzeit zur Verfügung - und jeder Radfahrer sieht, dass er kein Einzelfall ist.

"Wir haben uns an zwei Städten orientiert", berichtet Martin Blum, Wiens Fahrradbeauftragter. Die eine Stadt sei München gewesen, die viele Ähnlichkeiten mit Wien habe. Die bayrische Hauptstadt war 2007 Ausrichter der Kongresses Velo-City und hat den Anteil der Radfahrer in den vergangenen Jahren massiv erhöht - nicht zuletzt wegen der erfolgreichen Radlhauptstadt-Kampagne . Aber auch von Kopenhagen habe man sich inspirieren lassen. "Dort wird Radfahren immer positiv kommuniziert", sagt Blum, das habe man übernommen.

Radfahren, das wissen die in dieser Woche in Wien versammelten Experten, ist auch Kopfsache. Infrastruktur allein reicht nicht aus. "Man muss das Bewusstsein der Menschen erreichen", sagt Wiens Vizebürgermeisterin Vassilakou. Deshalb sei die Öffentlichkeitsarbeit auch so wichtig. Wien hat dafür ein eigenes Fahrradlogo entwickelt, den Slogan "Setzt Freude in Gang" stadtweit plakatiert und gleich neben dem Rathaus das Fahrradhaus  eröffnet, wo Wiener beispielsweise an Reparaturworkshops teilnehmen können.

Dauergrün auf autofreien Straßen

Grüne Ampelwellen speziell für Radfahrer wie in Kopenhagen gibt es in Wien zwar noch nicht. Dafür hat die Stadt andere spannende Ideen umgesetzt. Zum Beispiel ein Mietshaus mit hundert Wohnungen in der Nähe des Pratersterns, in dem man sein Rad direkt vor der Wohnungstür abstellen kann. Bike City heißt das mit Geldern der Stadt geförderte Gebäude. Mieter nehmen ihr Rad mit dem Fahrstuhl bis in ihre Etage und schließen es dort an einem Metallbügel an.

Kreativ gelöst haben die Planer auch das Problem, dass Fußgänger wie Radfahrer zu später Stunde rote Ampeln ignorieren, weil weit und breit kein Auto in Sicht ist. In der tagsüber vielbefahrenen Straße Roßauer Lände zum Beispiel registrieren Sensoren im Asphalt, ob überhaupt Autos unterwegs sind. Ist das nicht der Fall, schaltet die Fußgänger- und Fahrradampel quasi auf Dauergrün.

Vizebürgermeisterin Vassilakou geht es bei den Veränderungen in Wien aber nicht zuletzt um den Spaß, den Radfahren bereitet. "Das Lächeln im Gesicht eines Erwachsenen, der zum letzten Mal als Kind Rad gefahren ist, vergisst man nicht."

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