

Zug- und Flugbegleiterinnen erzählen "Beschimpft, bespuckt, mit Schlägen bedroht"
In der Coronakrise hat sich viel in Bussen, Bahnen, Flugzeuge und U-Bahnen geändert. Eigentlich wäre es die Aufgabe des Personals, ihre Fahrgäste sicher von A nach B zu bringen, ihnen Service zu bieten und eventuell einen Ticketpreis zu kassieren. Jetzt müssen sie sich Tag für Tag mit Maskenverweigerern auseinandersetzen, erleben noch mehr Aggression, noch mehr Gewalt als früher.
Hier erzählen zwei Frauen von ihren Erlebnissen in Regionalzügen und im Flugzeug:
Eine Zugbegleiterin erzählt: "Und? Wo ist Ihr Alufolieschutzhelm?"
Die 48-jährige Zugbegleiterin arbeitet in Regionalzügen der Deutschen Bahn im Norden Deutschlands. Sie möchte anonym* bleiben.
Die Stimmung ist sehr angespannt bei uns. Es sind Ferien, das Wetter ist schön, und alle wollen zu den Inseln und wenigstens Tagesausflüge machen. Die Züge sind rappelvoll, auch mit Fahrrädern und Gruppen. Und unsere Fahrgäste sind teilweise überfordert mit der Situation: Sie sind schlecht gelaunt und aggressiv, weil sie überhaupt keine Lust mehr haben, Masken zu tragen oder sich überhaupt an Regeln zu halten.
Schon vorher nahmen die Übergriffe auf uns Zugbegleiter zu. Jetzt, in der Coronakrise, habe ich das Gefühl, dass die Passagiere noch schneller aus der Haut fahren, auf einen losgehen und auch komplett respektlos sind. Ich werde aufs Übelste beschimpft, bespuckt, mir wurde mit Schlägen gedroht und damit, mich aus dem Zug zu schubsen. Ich weiß von einem Lokführer, der verprügelt worden ist. Er hatte auf dem Bahnsteig einen Fahrgast angesprochen, er möge doch bitte seine Maske aufsetzen. Zum Glück hat die Polizei das mitbekommen und war gleich vor Ort.
Damit fühlen wir uns von unseren Führungskräften ziemlich allein gelassen. Die sitzen alle sicher im Homeoffice und sind telefonisch schwer zu erreichen, Ansprechpartner vor Ort fehlen. Auch Bahn-Chef Richard Lutz schickte uns ein Dankesschreiben, dass wir alle die Stellung halten - aus seinem Homeoffice. Mir wurde sogar die Freigabe verweigert, dass ich meine Autofahrt über Reisekosten abrechnen darf und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit muss. Die Begründung: Ich würde ja sowieso den ganzen Tag in Zügen arbeiten. Aber ich wollte mich ja nicht zusätzlich gefährden.
Wenn ich einen Zug übernehme, sage ich erst mal an, dass es Vorschrift ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, dass sich die Passagiere bitte im gesamten Zug verteilen und möglichst große Abstände einhalten mögen. Das funktioniert aber nicht. Die Leute haben vielleicht die Masken auf, solange ich im Waggon bin. Wenn ich weiter gehe und mich umdrehe, dann ist die Maske wieder unten. Die haben wirklich den Sinn nicht verstanden. Nur etwa ein Drittel trägt die Maske richtig, der Rest bedeckt nur den Mund. Und sieben, acht pro Zug überhaupt nicht.
Wenn ich Passagiere auf die Maskenpflicht hinweise, ist der größte Teil verständnisvoll - die murren und knurren zwar, sagen aber zu mir: "Sie können ja auch nichts dafür." Andere halten das für Quatsch oder sagen, in Deutschland würden ja maximal nur vier Prozent daran sterben. Denen sage ich dann: "Wenn ich Ihnen jetzt hundert Smarties gebe, und davon sind vier vergiftet, würden Sie die trotzdem essen?" Dann sagen die nix mehr und stammeln rum.
Ich finde die Maskenpflicht gut und richtig. Nicht nur, weil sie mich schützt, sondern weil ich die Fahrgäste schütze. Ich habe auch schon zu einem gesagt: "Ich habe am Tag Kontakt mit 800 bis 1000 Leuten. Ich weiß nicht, was die alle so haben - aber für Sie nehme ich meine Maske gern ab." Aber die begreifen das einfach nicht und sind beratungsresistent.
Oft sagen mir Passagiere: "Wir können uns nirgendwo hinsetzen, weil da die Maskenverweigerer sitzen." Häufig sind es die ganz Alten, also die, die wir eigentlich schützen wollen. Mit denen habe ich aufgegeben, zu diskutieren - da heißt es immer: "Kindchen, ich habe einen Krieg überlebt, da wird mich so ein Virus nicht umbringen."
Einmal musste ich eine Passagierin aus dem Zug werfen lassen, weil sie sich geweigert hatte, eine Maske aufzusetzen. Eine Stammfahrerin, die wir schon kennen. Sie sagte, dass Corona von der Regierung versprüht würde, um uns gefügig zu machen. Ich habe sie gefragt: "Und? Wo ist dann Ihr Alufolieschutzhelm?" Dann hat sie die anderen Fahrgäste belästigt. Ich habe sie aufgefordert, am nächsten Halt auszusteigen, und als sie sich weigerte, habe ich die Bundespolizei gerufen.
Natürlich überlege ich mir, ob ich die Polizei rufe. Da hat man schnell mal 20 Minuten Verspätung und bekommt Stress mit den anderen Fahrgästen. Bisher hatten wir trotz Hausrecht keine Möglichkeit, die Maskenpflicht durchzusetzen - wir sollten nur freundlich darauf hinweisen. Auch jetzt ist immer noch alles schwammig und intransparent. Die Bundespolizei sagt mir oft, dass das Landespolizeiebene sei, die Landespolizei wiederum sagt, das ist ja ein Bahnhof und dort sind nicht wir, sondern die Bundespolizei zuständig. Haha. Die Bundespolizei setzt die Pflicht ja nicht mal in den Bahnhöfen durch.
Tatsächlich wäre viel mehr Präsenz von DB Sicherheit, der Polizei oder den Ordnungsämtern in allen Zügen gut. Solche verschärften Kontrollen würden sich sehr schnell herumsprechen. Ich verstehe nicht, warum das nicht passiert, obwohl es doch eine Anordnung der Regierung ist.
Jetzt wollen einzelne Bundesländer, darunter auch Niedersachsen, Bußgelder für Maskenverweigerer bis auf 150 Euro erhöhen - das halte ich für sinnvoll. Bei vielen geht das nur übers Portemonnaie, das ist so wie bei der Anschnallpflicht früher. Theoretisch könnten wir das Bußgeld auch einkassieren - so ist es jedenfalls, seit Niedersachsen beschlossen hat, dass in den Zügen kein Alkohol mehr konsumiert werden darf. Wenn die Passagiere aber nicht zahlen wollen, müssten wir wieder die Polizei hinzuziehen.
Ich habe die Fahrkartenkontrolle eingestellt, auch wenn wir das inzwischen wieder machen sollen - weil mir meine Gesundheit wichtig ist. Ich kann den Abstand nicht einhalten, weil zwischen den Sitzreihen keine 1,50 Meter frei sind. Ich weiß nicht, wer welche Krankheiten hat, und dann jetzt noch die ganzen Urlaubsrückkehrer. Wir wissen auch nicht, wohin wir uns im Zug zurückziehen oder wie wir die Hygiene einhalten können.
Die Bahn hat verkündet, dass Hygiene großgeschrieben wird und die Flächen in den Zügen ständig mit Desinfektion gereinigt werden. Ich frage mich, auf welchen Zügen? Bei uns säubert manchmal Reinigungspersonal die Führerstände und das Dienstabteil, aber ich habe nicht gesehen, dass das an den Handläufen, Türtastern oder Ablageflächen in den sieben Wagen passiert. Ich bin ziemlich enttäuscht, wie ich mit meinen Ängsten, Befürchtungen und Fragen von meinem Arbeitgeber alleingelassen werde.
Eine Stewardess erzählt: "Mundschutz als Schlafmaske"

Flugbegleiterin (Symbolbild): Nach der Landung von der Bundespolizei in Empfang genommen
Foto: WIXTRÖM PETER/Aftonbladet/ imago images/TTEine Stewardess, 32, erzählt von ihren Erlebnissen an Bord. Auch sie möchte dabei anonym* bleiben.
Nach wie vor müssen Passagiere bei uns Masken tragen. Keine Visiere, einen klassischen Schutz für Mund und Nase. Eine feste Regelung, wann jemand von der Pflicht befreit ist, gibt es bei meiner Airline nicht. Viele Purser, also die ranghöchsten Flugbegleiter und meine Vorgesetzten während des Fluges, lassen Passagiere nicht an Bord, wenn sie keine Maske tragen. Egal ob sie ein Attest haben oder nicht.
Atteste werden mittlerweile so leicht ausgestellt, da sind wir skeptisch geworden - und sehr konsequent. Viele Passagiere empfinden es als ungerecht, wenn sie Maske tragen müssen, andere aber nicht. Schlechte Presse, dass unsere Airline Gäste ohne Maske mitfliegen lässt, können wir uns gerade einfach nicht erlauben - also bleiben die draußen, die keinen Schutz tragen.
Gerade Jugendliche und ältere Leute haben ihr Risikobewusstsein für Corona mittlerweile häufig komplett verloren. Sie sind froh, wenn sie ihre Maske zum Essen direkt abnehmen können. Seit einigen Wochen dürfen wir die Flieger wieder voll besetzen. Mindestabstände einzuhalten, das ist dann ohnehin unmöglich. Wir bitten nicht nur vor dem Flug um Rücksicht, auch beim Aussteigen sagen wir an, dass die Passagiere der Reihe nach den Flieger verlassen sollen - eigentlich klappt das nie. Man muss die Leute oft regelrecht anmeckern, damit es mal funktioniert.
Manche Passagiere sind sehr penibel, andere machen sich über uns lustig, wenn wir sie darauf hinweisen, dass im Flieger Maskenpflicht herrscht. Viele Menschen beschweren sich auch, lassen uns über den Rufknopf kommen und sind aufgebracht, dass der Sitznachbar die Maske nicht richtig trägt oder der Mittelplatz neben ihnen nicht frei bleibt.
Ich hatte schon Menschen an Bord, die den Mundschutz nur über die Augen tragen und als Schlafmaske nutzen. Als ich einen Mann, etwa 40, nett darum gebeten habe, dass er seinen Schutz doch bitte über Mund und Nase tragen solle, zog er ihn über die Stirn, fragte, ob ich nun zufrieden sei - und lachte mich aus.
Wenn sich jemand absolut weigert oder sogar aggressiv und handgreiflich wird, dann ermahnen wir die Leute mehrfach. Wollen sich die Passagiere partout nicht beruhigen, müssen wir sie wissen lassen, dass wir auch andere Mittel haben. Einige nehmen unsere Ansagen auch dann noch nicht ernst - sie werden dann am Boden von der Bundespolizei vor den Augen der anderen Passagiere in Empfang genommen. Viel folgt daraus nicht - aber es ist den Leuten häufig wenigstens unangenehm.
Ich selbst fühle mich an Bord nicht besonders gut geschützt. Zu Beginn von Corona haben wir noch FFP3-Masken getragen, jetzt nur noch einen dünnen Einmalschutz. Ob wir Handschuhe nutzen, dürfen wir selbst entscheiden. Zwar wurden in den Fliegern generell die Reinigungen erhöht, aber wer sich darüber bewusst ist, wie widerlich schon vor Corona gesäubert wurde, dass für Toilette und Handgriffe manchmal das gleiche Reinigungszeug genutzt wird, den beruhigt das nicht.
Es geht nicht in meinen Kopf hinein, dass viele Passagiere sich und ihre Mitmenschen so wenig schützen wollen - würde jede und jeder ein bisschen mehr Verantwortung übernehmen, dann wäre doch alles in Ordnung.
*Anmerkung der Redaktion: Auf Wunsch der Gesprächspartnerinnen geben wir ihren Namen nicht an und haben die Altersangabe etwas verändert. Die inhaltlichen Aussagen sind davon nicht betroffen. Dem SPIEGEL sind Personen, Namen und Alter bekannt.