Seefahrt Das Geheimnis der Perleninsel
Zuerst sah Jim Delgado den Turm. Zentimeter um Zentimeter hob er sich aus der tiefgrünen Brandung des Pazifischen Ozeans: ein schwarzverkrustetes Stück Metall, bedeckt von Muscheln, Rost und Tang, das bei ablaufendem Wasser mit gespenstischer Langsamkeit aus dem Meer auftauchte.
Jim Delgado saß am Strand, auf der Wurzel eines steinalten Stachelrindenbaumes, und starrte gebannt auf das Wasser. Vor ihm wühlten sich Einsiedlerkrebse durch den Sand, in den Baumwipfeln kreischten braune Pelikane, ansonsten war er allein - die einzige Menschenseele auf dieser gottverlassenen Insel namens San Telmo, irgendwo am achten Breitengrad südöstlich von Panama-City.
Die Ebbe kam langsam, schleppend, und dann gab sie dieses mysteriöse Ding frei, von dem ein Fischer ihm erzählt hatte: das rostzerfressene Wrack eines seltsamen Tauchgeräts. Angeblich sei es, so glaubte es dieser Fischer, ein japanisches Spionage- U-Boot, das im Zweiten Weltkrieg den Panama-Kanal angreifen sollte und das dabei in den tückischen Gewässern des Perlen-Archipels gestrandet sei.
Je weiter sich das Wasser zurückzog, desto mehr begriff Delgado, Direktor des renommierten Vancouver Maritime Museums, dass die Geschichte des Fischers nicht stimmen konnte: Das Ding, das da vor ihm aus der Vergangenheit auftauchte, musste älter sein. Viel älter.
Die Konstruktion erinnerte den Forscher an eine "eiserne Zigarre", und unwillkürlich schossen ihm die Bilder der "Nautilus" durch den Kopf, jenes legendären Unterseeboots, das Jules Verne in seinem Roman "20 000 Meilen unter den Meeren" beschrieben hatte. Delgado hatte das Buch als Junge verschlungen.
Aber konnte so etwas möglich sein? Delgado war wie elektrisiert: Als Unterwasserarchäologe hatte er vor Jahren das Wrack des Goldrausch-Schiffes "General Harrison" aus der Bucht von San Francisco gebuddelt, er war auch bei der Hebung der "H. L. Hunley" aus der Hafeneinfahrt von Charleston, South Carolina, dabei - des ersten U-Boots, das jemals ein feindliches Schiff versenkte: 1864 im Amerikanischen Bürgerkrieg.
Und jetzt, ausgerechnet in seinem Urlaub, an diesem völlig einsamen Strand, schien ihm der Zufall auf einem tropischen Eiland den spektakulärsten Fund seiner archäologischen Karriere zu bescheren.
Ohne Ausrüstung, lediglich mit Boxershorts bekleidet, schwamm Delgado zu dem rätselhaften Wrack hinüber. Er fluchte, als er sich das linke Bein am scharfkantigen Metall aufriss und weil er kein Maßband dabei hatte, um die genauen Dimensionen des Gebildes zu dokumentieren. Größe, Form und Beschaffenheit der Kammern passten zu keinem Vehikel, das er kannte. Und er kennt eigentlich fast alles, was jemals schwamm. Aber die Technik dieses Dings schien viel moderner als die der "Hunley". Und die Rumpfform mutete eher phantastisch an wie aus einem uralten Science-Fiction-Buch. Wieso zum Teufel hatte er noch nie von diesem Gefährt gehört?
Als Delgado das Schlauchboot kommen hörte, das ihn zurück auf sein Kreuzfahrtschiff bringen sollte, schoss er noch schnell ein paar Dias mit seiner Touristenkamera und dankte dem Schicksal dafür, dass er nicht mitgefahren war auf diese öde Vogel-Beobachtungstour wie die anderen Passagiere: Die paar Stunden auf dieser einsamen Insel hatten sich gelohnt.
Das war vor fünf Jahren, und jetzt ist klar, dass dem Unterwasserwissenschaftler Delgado eine historische Sensation geglückt ist: Er hat die verschollen geglaubte "Sub Marine Explorer" entdeckt - eines der ersten funktionstüchtigen Unterseeboote der Welt, konstruiert von einem genialen deutschen Ingenieur, dem seine Erfindung schließlich einen qualvollen Tod brachte.
Das guterhaltene Wrack vor den Gestaden von San Telmo ermöglicht einzigartige Blicke in die Nebel der Vergangenheit - denn obwohl der Beginn der bemannten Unterwasserschifffahrt nach historischen Maßstäben noch gar nicht lange zurückliegt, ist die Pionierzeit der U-Boote eine Geschichte voller offener Fragen: Alte Baupläne weichen oft von den tatsächlichen Konstruktionen ab, viele Boote gelten als verloren oder zerstört. Und oft ist unklar, wie genau - und ob überhaupt - die Vehikel funktionierten.
Der Fund von San Telmo könnte Antworten geben auf viele Fragen zu den ersten U-Booten. Kollegen Delgados halten das Wrack im Pazifik für ein einzigartiges Exemplar jener Handvoll erhalten gebliebener, submariner Prototypen, in denen sich tollkühne Männer im 19. Jahrhundert in die unbekannte Welt unter der Wasseroberfläche wagten - als "Spaceshuttle"-Piloten ihrer Epoche. Lediglich fünf Tauchapparate aus den Jahren vor 1870 haben die Brandung der Zeit überstanden:
- die 1850 gebaute "Brandtaucher" des deutschen Erfinders Wilhelm Bauer, heute in einem Museum in Dresden;
- ein namenloses U-Boot der Konföderierten aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg von 1862, ausgestellt in New Orleans;
- die 1863 konstruierte "H. L. Hunley", die derzeit in Charleston restauriert wird;
- die "Intelligent Whale", ein weiteres US-U-Boot aus dem Jahr 1866, jetzt in einem Museum in New Jersey,
- und eben die "Sub Marine Explorer" vor San Telmo im Pazifik, gebaut 1865.
Ausgestattet mit einem ausgeklügelten System von Ballastkammern und Presslufttank, das einen Druckausgleich und durch zwei unter dem Rumpf angebrachte Luken sogar das Aussteigen von Tauchern unter Wasser ermöglicht, markiert die "Explorer" einen Höhepunkt maritimer Ingenieurkunst - wenn auch einen tragischen: Als das Boot vor rund 130 Jahren den Meeresgrund vor Panama erforschte, war die berüchtigte Taucherkrankheit noch weitgehend unbekannt. Das Leiden kann bei zu schnellem Auftauchen aus tiefem Wasser einen jämmerlichen Tod verursachen. Der technische Fortschritt hatte den medizinischen auf fatale Weise überholt - und im Fall der "Explorer" ihre Mannschaft wie auch ihren Erfinder Gesundheit und Leben gekostet.
Doch von den Tragödien, die sich einst in diesem eisernen Sarg bei den Perlengründen vor Panamas Küste abgespielt haben müssen, ahnte Delgado noch nichts, als er am Abend nach seiner Entdeckung leicht überdreht im Speisesaal des Kreuzfahrtschiffs saß. Er konnte nicht aufhören, seiner Frau Ann immer wieder die Details des seltsamen Wracks zu schildern.
Daheim in Vancouver ließ der Wissenschaftler die auf San Telmo geschossenen Dias entwickeln und mailte sie - versehen mit einer Beschreibung und der Frage, ob jemand etwas mit dem Boot anfangen könne - an Kollegen in aller Welt.
Einer konnte: Richard Wills, Experte für U-Boote des amerikanischen Bürgerkriegs, meldete später einen Volltreffer - Delgados Daten stimmten perfekt mit einer Beschreibung überein, die Wills in einem wissenschaftlichen Aufsatz von 1902 entdeckt hatte. Die Publikation enthielt sogar eine exakte Zeichnung des weitgehend unbekannten Tauchgeräts. Die Merkmale passten perfekt - so viel Zufall konnte es gar nicht geben: Das Boot musste die "Sub Marine Explorer" sein.
Über ihren Konstrukteur wusste man da noch nicht allzu viel. Er hieß Julius H. Kroehl und war ein aus Deutschland in die USA emigrierter Erfinder. 1856 hatte er in Harlem einen eisernen Feuer-Wachturm errichtet, bevor er erfolglos versuchte, im Auftrag des New Yorker Magistrats ein Riff zu sprengen, das die Schifffahrt im East River behinderte. Aber wie kam der mysteriöse Deutsche dazu, ein derart fortschrittliches Tauchboot zu konstruieren?
Delgado beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen: Recherchen in historischen Archiven ergaben, dass die "Sub Marine Explorer" zuletzt einer Firma namens Pacific Pearl Company gehört hatte, die in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts vor Panamas Küste nach Austern schürfen wollte. Bereits in den Zeiten der Konquistadoren hatte man hier in den Tiefen des "Archipiélago de las Perlas" reiche Beute gemacht. Hier hatten schwarze Sklaven einst die legendäre Perle "Peregrina" aus den Fluten gefischt, eine mattschimmernde Pretiose von sagenhaften 50 Karat.
Mit den Muscheln war auch in der Neuzeit ein Vermögen zu verdienen, wobei nicht nur die Perlen Profit abwarfen, sondern vor allem das Perlmutt. Für die Mode jener Epoche war das Material ein begehrter Luxusartikel.
Unter den Teilhabern des Unternehmens, das unweit der New Yorker Wall Street firmierte, fand sich nach alten Geschäftsberichten auch ein gewisser W. H. Tiffany, offenbar ein Spross der gleichnamigen Schmuck- und Lampendynastie.
Die Sache wurde immer spannender - und nach zwei weiteren Ortsterminen auf San Telmo in den Jahren 2002 und 2004 hatte Delgado schließlich so viel Material zusammen, dass er die Zeit gekommen sah, eine Expedition zusammenzustellen, die die letzten Geheimnisse der "Explorer" und ihres Erfinders lüften sollte.
Begleitet von SPIEGEL und SPIEGEL TV brach das internationale Forscherteam am 18. Februar in die Gewässer des Perlen-Archipels auf. Expeditionsleiter Delgado hatte, wie er sagt, "die besten Leute zusammengebracht": etwa den Australier Michael McCarthy, 58, einen Unterwasserarchäologen von Weltruf; den gleichaltrigen Kollegen Larry Murphy, einen Spezialisten für Korrosionsstudien, sowie den Metallurgen Don Johnson, 79, einen ausgewiesenen Experten für Materialforschung und Rostprozesse. Sie sollten vor allem die drängende Frage klären, wie lange das einzigartige Wrack noch das ständige Auf- und Abtauchen im Salzwasser überstehen würde. Und: Aus welchem Material war es überhaupt gebaut? Wie funktionierte es?
Mit Navigationsempfängern des Global Positioning Systems, mit Multi-Parameter-Sonden und lasergesteuerten Entfernungsmessern rückten die Forscher der archaischen Technik des 19. Jahrhunderts zu Leibe. "Es war", schwärmt Delgado, "als würde man ein Portal in eine vergessene Zeit aufstoßen." Immer wieder wurden sein Team und er verblüfft von der Konstruktionsweise des Bootes und den technischen Feinheiten.
Die obere Hälfte der doppelten Rumpfhülle etwa, die einst den Presslufttank beherbergte, war aus druckresistentem Gusseisen gefertigt, während die untere Hälfte aus schmiedeeisernen Platten bestand, die mit Nieten verbunden waren. Die Nietenköpfe zeigten dabei nach innen - offenbar, um das Boot, das sich mit einer durch Muskelkraft betriebenen Schraube fortbewegte, stromlinienförmig zu halten.
In der feinen Sandschicht, die den Boden der Arbeitskammer mit den beiden Luken zum Bergen der Austern bedeckte, fand Delgado ein mit Quecksilber gefülltes Tiefenmessgerät und den Holzgriff einer Handpumpe, die offenbar zur Verbesserung der Atemluft in der engen Druckkammer diente: Mit ihr wurde wohl feiner Wassernebel versprüht, der das Kohlendioxid der Atemluft an Bord binden sollte. Schließlich schaufelten in dem Boot bis zu sechs Männer bei Kerzenschein Austern - Schwerstarbeit auf dem Grund der See.
All diese Merkmale passten exakt zu einer alten Zeitungsmeldung, die Delgados Rechercheure zuvor aus den Tiefen der Archive gegraben hatten: Im Sommer 1869 hatte der in Panama erscheinende "Mercantile Chronicle" in der blumigen Sprache seiner Zeit die Arbeitsweise des revolutionären U-Boots beschrieben: "Vor dem Abtauchen" werde mit Hilfe einer auf einem Beiboot montierten, dampfbetriebenen "Pumpe mit der Kraft von 30 Pferdestärken so viel Luft in die Pressluftkammer gefüllt, bis diese eine Dichte von mehr als 60 Pfund erreicht", was einem Druck von etwa vier Bar entspricht. Nach dem Versiegeln des Presslufttanks "betreten die Männer die Maschine durch den Turm an der Oberseite", und "sobald dem Wasser gestattet wird, die Ballastkammern zu füllen, sinkt die Maschine geradewegs hinab zum Meeresgrund". Dort werde "alsdann eine ausreichende Menge Pressluft in die Arbeitskammer geleitet, bis diese über ausreichend Volumen und Kraft verfügt, um dem enormen Druck des Wassers standzuhalten", damit die Männer "die Luken im Boden der Maschine öffnen" und mit dem Bergen der Austern beginnen können.
Der zeitgenössische Autor fuhr fort: "Wenn sie eine ausreichende Zeitspanne unter Wasser waren und alle Muscheln in Reichweite gesammelt sind", werde schließlich Pressluft in die Ballastkammern geleitet, "und während diese Luft dann das Wasser herauszwingt, erhebt sich die Maschine sicher zur Oberfläche".
Kroehl, der Konstrukteur, konnte damals nicht wissen, wie wichtig ein langsamer, kontrollierter Druckausgleich beim Auftauchen ist. Und wenn Unterwasserforscher Delgado, selbst routinierter Taucher, heute in die enge Kammer klettert, die mittags von der reflektierenden Tropensonne in fahles, grünes Licht getaucht wird, muss er zwischen all den rostverkrusteten Hähnen, Ruderhebeln und Griffen daran denken, wie jener "sich gefühlt haben muss, in diesem eisernen Sarg". Wie er das Zischen der Pressluft hörte, mit vor Druck schmerzenden Ohren. Und wie sauer die Luft gerochen haben muss, unten auf dem Meeresgrund, wenn sie fast verbraucht war und die Kerzen langsam ausgingen.
Delgado wird philosophisch in solchen Momenten und spricht vom "großen Strom der Geschichte, der das Individuum auslöscht". Seit fünf Jahren erforscht er nun die "Explorer" - und kennt noch nicht einmal das Gesicht ihres Erfinders. Obwohl Kroehl selbst ein leidenschaftlicher Fotograf gewesen sein soll, ist bis heute kein Porträt von ihm aufzutreiben.
Und auch die Biografie des vergessenen Ingenieurs, zusammengetragen aus den rudimentären Erinnerungen seiner Nachfahren und den Akten seiner Militärzeit bei den Unions-Streitkräften der Nordstaaten, ist noch immer lückenhaft: Als sicher gilt immerhin, dass Kroehl 1820 im ostpreußischen Memel geboren wurde, dem heutigen Klaipeda in Litauen, und dass er dann als Kind mit seiner Familie nach Berlin zog. In alten Adressbüchern findet sich noch heute die Spur seines Vaters, des Kaufmanns Jacob Kröhl, der zwischen 1829 und 1833 am Hausvogteiplatz Nummer 11 residierte.
Nach dem Wehrdienst bei der Artillerie soll der junge Julius dann um 1838 eines jener Auswandererschiffe bestiegen haben, die damals zahllose Deutsche an die Gestade der Neuen Welt brachten: Dokumentiert ist, dass Kroehl 1840 Staatsbürger der USA wird und dass er 1855 erstmals als Ingenieur in den Geschäftslisten von New York City auftaucht, im Stadtteil Lower Manhattan, einem Viertel vollgestopft mit Docks, Eisengießereien - und deutschen Emigranten.
Kroehl hat inzwischen ein Patent zur "Verbesserung von Eisenbiege-Maschinen" angemeldet und zeigt sich fasziniert von den Taucherglocken, die neuerdings beim Brückenbau zum Einsatz kommen.
Im November 1858 heiratet der Deutsche in Washington die 26-jährige Sophia Leuber, bevor er 1863 eineinhalb Jahre lang in den amerikanischen Bürgerkrieg zieht. Er dient bei der Marine der Nordstaaten als Spezialist für Unterwassersprengungen und schließlich als Späher in den Sümpfen Louisianas.
Hier infiziert sich Kroehl offenbar mit einer Krankheit, die ihn über Monate aufs Krankenbett zwingt. Zwischen Fieberschüben muss der Erfinder immer wieder an der Idee für seine Unterwassermaschine getüftelt haben. Er denkt wohl an eine Art Taucherglocke, die sich aber frei und aus eigener Kraft bewegen kann, die also unerkannt Minen an feindlichen Kriegsschiffen anbringen könnte.
Doch als er die Pläne fertig hat und selbst wieder bei Kräften ist, zeigt sich die Admiralität wenig begeistert: Der Krieg ist vorbei, das Vorhaben zu kostspielig. Die Militärs sehen einfach nicht, welch ungeheures Potential eine tauchende Kampfmaschine dieser Bauart haben könnte. Die Versuche mit einigen anderen Geräten waren nicht so ermutigend - nur ist Kroehls U-Boot den anderen technisch weit voraus.
Doch der Erfinder gibt nicht auf. 1864 wird er Chefingenieur und Teilhaber der Pacific Pearl Company, die zwei Jahre später für Schlagzeilen sorgt. Im Frühjahr 1866 berichtet die "New York Times" über den ersten sensationellen Tauchgang der "Sub Marine Explorer": Am 30. Mai, gegen 13.30 Uhr, besteigt Kroehl in Begleitung von drei Freunden seinen Unterwasserapparat und taucht auf den Grund des Hafenbeckens der North Third Street. Anderthalb Stunden müssen die Zuschauer bangen, bevor das stählerne Monster wieder an der Oberfläche erscheint und sich langsam die Luke öffnet. Augenscheinlich bester Laune schmaucht Kroehl lässig seine Meerschaumpfeife und präsentiert stolz einen Eimer Schlamm frisch vom Grund des Docks.
Die Investoren der Pacific Pearl Company sind von der Vorstellung offenbar überzeugt. Noch im selben Jahr finanzieren sie den Transport der in Einzelteile zerlegten "Explorer" von New York an die panamaische Karibikküste, von wo aus das Boot per Eisenbahn durch den Dschungel nach Panama-City am Pazifik geschafft wird. Die einst so stolze Perle der spanischen Krone ist zu jener Zeit ein moskitoverseuchter Moloch, voll mit zweifelhaften Bars, korrupten Beamten und fiebrigen Glücksrittern auf dem Weg nach Kalifornien - ein Zwischenstopp am Scheitelpunkt der neuen Transitroute zwischen New York und San Francisco.
Am 8. Dezember 1866 macht in diesem allgemeinen Chaos die Nachricht Furore, dass ein unglaublicher Tauchapparat in der Stadt eingetroffen sei. Er werde an der Eisenbahnstation zusammengebaut und sei in Kürze einsatzbereit.
Gut sechs Monate später meldet der "Panama Star and Herald" dann Vollzug: Ingenieur Kroehl habe persönlich überwacht, wie die "Sub Marine Explorer" ins angrenzende Dock gehoben wurde; in wenigen Tagen solle das Boot vor den Inseln der Pacific Mail Steamship Company erste Tauchfahrten unternehmen.
Die wochenlangen Experimente werden Kroehl offenbar zum Verhängnis. Vollends überzeugt von seiner Erfindung und wie besessen von der Arbeit in der Tiefe, kann er nicht wissen, dass sich die Stickstoffmoleküle im Körper zu kleinen Gasblasen ausweiten, wenn man zu schnell auftaucht. Dass das Blut regelrecht zu schäumen beginnt.
Die Ärzte stellen die ortsübliche Diagnose, der US-Konsul macht sie amtlich: Julius H. Kroehl stirbt am 9. September 1867 - "an Fieber", wie der Diplomat der Witwe schreibt; auch er kann ja nichts von der tödlichen Taucherkrankheit wissen. Die Beerdigung sei durch die örtliche Bruderschaft der Freimaurer durchgeführt worden, auf dem "Cementerio de Extranjeros", dem "Fremdenfriedhof" im Viertel Chorrillo.
Nach Kroehls Tod verliert sich zunächst auch die Spur der "Explorer" - für zwei Jahre -, bis die "New York Times" über eine Perlentauchexpedition nach "St. Elmo" berichtet. An einem Augusttag des Jahres 1869, gegen 11 Uhr, sei das Boot vor der Perleninsel in die Fluten gesunken, vier Stunden unter Wasser geblieben und schließlich mit 1800 Austern wieder aufgetaucht. An den folgenden elf Tagen sei dieser Vorgang wiederholt worden, bis man insgesamt 10,5 Tonnen Austern und Perlen im Wert von 2000 US-Dollar beisammen hatte.
Danach aber, so die Zeitung, seien "wieder alle Taucher von Fieber befallen" worden, was letztendlich zum Abbruch der Unternehmung geführt habe. Man habe die teuflische Maschine in eine geschützte Bucht der Insel gebracht und wolle bald wiederkommen; diesmal aber mit "einheimischen, akklimatisierten Tauchern", denen das - vermeintliche - Fieber nichts anhaben könne.
In genau dieser Bucht, in den grünen Wassern von San Telmo, hat Jim Delgado die "Explorer" wiedergefunden - als sie bei Ebbe auftauchte, wie jeden Tag zweimal, seit 137 Jahren.