Bildung Die Marken-Schule
Rechts sitzt die Bildung, links das Kapital: Im ersten Stock eines ehemaligen Fabrikgebäudes im Berliner Wedding führt der rechte Eingang zu den Fluren der Phorms-Schule. 58 Kinder vom Vorschulalter bis zur fünften Klasse toben seit August durch die frisch renovierte Fabriketage; in der Garderobe türmen sich Schulranzen und Straßenschuhe, im Lehrerzimmer stehen Couchgarnituren.
Im Gang gegenüber hat die Phorms Management AG ihre Räume bezogen. Dort sitzen die Vorstandsvorsitzende Béa Beste (CEO) und Finanzvorstand Johannes Nagel (CFO) in kahlen Büros vor ihren Laptops.
Eine Schule mit Finanzvorstand und CEO? Mit ihrem Konzept brechen die Schulgründer um Beste und den Berliner Unternehmer Alexander Olek, Aufsichtsratsvorsitzender bei Phorms, mit einem ungeschriebenen Gesetz im deutschen Bildungssystem: Schulen, so das Dogma, sind nicht zum Geldverdienen da.
Zwar boomen private Lehranstalten spätestens seit dem Pisa-Schock (siehe Grafik). Doch bislang sind nur Vereine, Stiftungen und Kirchen Träger der Einrichtungen. Eine Schule im Besitz einer Aktiengesellschaft - da ist Phorms Pionier.
"Unser Produkt ist gute Bildung", erklärt Schulgründer Olek. "Es ist doch ein fairer Deal, wenn die Kunden den Unternehmer bezahlen." Und dafür, meint Olek, "müssen wir ein Stück besser sein als das öffentliche System". Dessen Vertretern ist die Idee denn auch nicht geheuer: "Es ist unanständig, sich auf dem Rücken der Kinder zu bereichern", sagt Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands.
Die Phorms-Kinder machen nicht den Eindruck, als hätten sie den Schutz der Lehrerlobby nötig. Die erste Klasse etwa sitzt gut gelaunt im Kreis um die Deutsch-Kanadierin Susanne Wengenmeier, auf dem Programm stehen englische Zahlwörter. Ein Knirps zeigt auf eine Ziffer, die anderen brüllen sie nur dann in den Raum, wenn sie ungerade ist. Zum Schluss singen alle das Lied von den "ten little fingers", danach geht es zum Mittagessen.
Fast alle Reformen, die sich im öffentlichen System nur allmählich vollziehen, haben die Phorms-Gründer bereits im Angebot: Ganztagsbetrieb, bilingualen Unterricht, individuelle Förderung statt Frontalunterricht, Internationales Baccalaureat zusätzlich zum Abitur. Die Bildungsbehörde hatte keine Einwände gegen den Schulbetrieb.
Die Schulleitung teilen sich Celia Budge, früher Chefin einer Londoner Grundschule, und der US-Amerikaner Richard Hengelbrok; der Lehrstoff richtet sich nach dem Berliner Rahmenplan und dem "Cambridge International Curriculum" - vor allem aber, so Direktorin Budge, nach den Bedürfnissen der Kinder: "Sie sollen ihre eigenen Fähigkeiten entdecken. Wir bieten ihnen dabei mehr Unterstützung, als das viele staatliche Schulen können."
In den Schulzimmern gibt es Kuschelecken zum Lesen, je ein Lehrer und ein Assistent kümmern sich um eine Klasse. Statt der üblichen Tafel hängen "Smart-Boards" an den Wänden. Darauf können die Kinder nicht nur schreiben, sondern auch Projektionen vom PC sehen oder die Tafel selbst als Computer benutzen: Der Touchscreen reagiert auf Berührungen.
So viel Hightech kostet Geld, und deswegen ist Oleks Bildungs-AG auch noch weit von den ersten Gewinnen entfernt. Für den Anfang sammelte er rund 800.000 Euro Startkapital von privaten Investoren. Der Elternbeitrag liegt je nach Einkommen zwischen 200 und 860 Euro im Monat.
"Ab etwa 120 Schülern trägt sich die Schule selbst", hofft Olek. An unternehmerischer Erfahrung fehlt es ihm nicht: Seine erste Firma gründete er als Student, mit dem Diagnostik-Start-up "Epigenomics" war er ein Star der Biotech-Branche.
Und so klingt es auch ein wenig nach Gründerseminar, wenn Olek und Beste von ihren pädagogischen Plänen reden. "Die Eltern werden sich immer für die Schule entscheiden, an der ihre Kinder am besten performen", glaubt Olek. "Wir wollen unsere Begeisterung als Spirit in die Schulen bringen", ergänzt Beste, "langfristig muss Phorms eine Marke werden."
Denn nicht nur in der Hauptstadt finden sich bildungsbewusste Eltern, denen das Konzept gefallen könnte, glauben Olek und Beste. Schon laufen Verhandlungen mit Phorms-Gründerteams in München, Hamburg, Frankfurt am Main und Hannover. Mit einer deutschen Bildungskette gelänge den Berlinern eine weitere Premiere. Schulketten gibt es bislang nur im Ausland, etwa den britischen Betreiber Cognita mit mehr als 20 Bildungsstätten.
Gründer Olek, dessen fünfjähriger Sohn in die Phorms-Vorschulklasse geht, hat ähnlich kühne Visionen. "Wenn wir eine gewisse Größe haben, können wir auch bestehende Schulen als Träger übernehmen", erklärt er. Selbst in die Lehrerausbildung könne Phorms sich einmischen.
Der nächste Schritt in Richtung Corporate Identity steht bereits fest: Bald können die Schüler die Prototypen einer Schulkleidung probieren. Das Logo? Natürlich "Uni-Phorms".