Soldaten Feind im Inneren
Sie operieren streng geheim. Informationen über ihre Einsätze sind rar; Erfolge, Niederlagen, Opfer bleiben im Dunkeln. Auf den wenigen Bildern, die in der Öffentlichkeit kursieren, tragen sie eine schwarze Strumpfmaske über dem Kopf. Die Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK), die Elitekämpfer der Bundeswehr, geben ihre Identität nicht preis.
So ist anzunehmen, dass es dem KSK-Hauptmann Daniel K. ein wichtiges Anliegen ist, als er am 28. Juli vergangenen Jahres eine E-Mail mit seinem vollen Namen unterschreibt. Die Zeilen, die Daniel K. an jenem Samstagnachmittag formuliert, richtet er an einen Kameraden im Wehrbereichskommando IV, den Oberstleutnant Jürgen Rose. Der ranghöhere Offizier ist dem KSK-Mann als Sprecher des Darmstädter Signals aufgefallen, einer Gruppe von ehemaligen und aktiven Soldaten, die sich als das "einzige kritische Sprachrohr" der Bundeswehr bezeichnet. Die eher linksorientierten Kameraden ziehen zivile Konfliktlösungen einem militärischen Einsatz vor und fordern den Abbau von Massenvernichtungswaffen.
Rose selbst hält den "Tornado"-Einsatz im Süden Afghanistans für völkerrechtswidrig und hat deshalb aus Gewissensgründen darum gebeten, von Tätigkeiten, die diesen Einsatz unmittelbar unterstützen, entbunden zu werden. Dass er sich mit dieser Haltung bei den Kameraden nicht nur Freunde macht, ist Jürgen Rose bekannt. Doch in der Nachricht von Daniel K. geht es nicht um den Vorwurf mangelnder Härte - aus ihr spricht Hass.
"Ich beurteile Sie als Feind im Inneren und werde mein Handeln danach ausrichten, diesen Feind im Schwerpunkt zu zerschlagen", schreibt Daniel K. Er distanziere sich von "diesem linken Zeitgeistkonglomerat uniformierter Verpflegungsempfänger", Rose solle zurückkehren in "die Sümpfe des Steinzeitmarxismus".
Dass es in einer rund 250.000 Soldaten starken Armee Menschen gibt mit höchst divergierenden politischen Ansichten, kann weder erstaunen noch die Wehrkraft gefährden. Was Daniel K. jedoch im Folgenden in seiner E-Mail schreibt, legt den Verdacht nahe, dass er sich als Teil einer Gruppe sieht, die linksdenkende Kameraden mehr als verachtet: "Sie werden beobachtet, nein nicht von impotenten instrumentalisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderlich macht." In einem Postskriptum schließt er seine Tiraden mit dem Satz: "Es lebe das heilige Deutschland."
Rose ist geschockt. "Ich fühlte mich sofort an die Hasspropaganda der NSDAP erinnert", sagt der Offizier, auch die SA habe sich damals gegen den "inneren Feind" formiert. Rose legt förmlich Beschwerde ein, doch was nun über Monate folgt, empfindet er als einen Kampf gegen Windmühlen. "Natürlich habe ich auf den möglichen extremistischen Hintergrund hingewiesen und um disziplinarische Ermittlungen gebeten", sagt Rose.
Nach wenigen Tagen erhält der Offizier die Nachricht, alles sei erledigt, der Fall abgeschlossen: Gegen Daniel K. sei "eine einfache Disziplinarmaßnahme" verhängt worden. Worin die besteht, wird - formal korrekt - nicht erwähnt. Rose vermutet einen Verweis in der Personalakte des Hauptmanns. Das Truppengericht ist jedenfalls nicht eingeschaltet worden.
Rose ist das entschieden zu wenig. Er wendet sich an das Büro des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Reinhold Robbe - schließlich hat dieser erst in seinem Jahresbericht 2006 erklärt, "die Entwicklung der rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Vorfälle in der Bundeswehr" mit besonderer Sensibilität zu beobachten.
Und in der Tat nimmt sein Büro die Angelegenheit "sehr ernst". Man versichert, das Verteidigungsministerium einzuschalten. Nach Monaten bekommt Rose Bescheid: Auch der Wehrbeauftragte Robbe halte die Formulierungen des K. für "unerträglich" und die disziplinarische Würdigung des Falls für "völlig unzureichend". Aber leider sei alles "form- und fristgerecht bearbeitet" worden. Man werde den Minister deshalb bitten, die Disziplinarstrafe durch eine höhere Dienststelle überprüfen zu lassen. Doch geschehen ist seither nichts. Im Ministerium ist man zu einer Stellungnahme nicht bereit.
Fraglos kommt der Vorgang zur Unzeit hoch. Der Ruf des KSK ist arg ramponiert: Seine Einsätze in Afghanistan beschäftigten einen Untersuchungsausschuss; es gab Hinweise auf Alkoholexzesse. Und der ehemalige Kommandeur Reinhard Günzel wurde gefeuert, weil er einer antisemitisch gefärbten Rede des CDU-Politikers Martin Hohmann applaudiert hatte.
Günzels Gesinnung, so Oberstleutnant Rose, wirke in Calw offenbar nach. Die Ursache für den Hass, der Daniel K. aus der Deckung getrieben hat, genauso wie für dessen lasche Ahndung, vermutet Rose im besonderen Korpsgeist, der sich in abgeschotteten Eliteeinheiten wie dem KSK herausbildet. Das Interesse, diesen Geist auch nur zu stören, ist in Bundeswehrkreisen offenbar gering.