Geldanlage Die Lücken für die Reichen

Ab Januar nächsten Jahres will der Staat auch an Kursgewinnen mitverdienen. Doch Banken und Versicherungen versprechen besonders vermögenden Kunden Abhilfe: Sie müssen nicht zahlen.

Werbebotschaften können sehr entlarvend sein, wenn sie die Gefühle der Umworbenen treffen - und gleichzeitig bloßstellen.

"Verlieren ist nicht", heißt die Botschaft in einer Anzeige der Fondsgesellschaft DWS. Sie zeigt einen Siegerpokal, von dem ein Viertel abgerissen wurde.

Der Mann, der die Sieger um ihre - in ihren Augen - wohlverdiente Trophäe bringt, ist Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Er führt am 1. Januar 2009 die sogenannte Abgeltungsteuer ein. Dann muss jeder Anleger, vom kleinen Sparer bis zum großen Spekulanten, 25 Prozent seiner Zinsen, Dividenden und Kursgewinne an den Staat abführen.

Steinbrück wirbt damit, dass in Zukunft vieles einfacher wird. Das bisherige Hin und Her mit der Zinsabschlagsteuer oder dem Halbeinkünfteverfahren bei Dividenden entfällt. Die Banken zwacken im Auftrag des Fiskus künftig direkt an der Quelle 25 Prozent von den Kapitalerträgen ab, hinzu kommen Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.

Der Finanzminister hat sogar weniger Einnahmen durch die neue Steuer eingeplant, weil Zinserträge bisher mit dem persönlichen Steuersatz belastet wurden. Wenn der über 25 Prozent liegt, profitiert der Anleger künftig. Bei wem der Steuersatz unter 25 Prozent liegt, der kann sich die Differenz mit Hilfe der Steuererklärung zurückholen.

Allerdings will der Staat ab Januar auch bei Kursgewinnen mit 25 Prozent dabei sein, und das trifft besonders Aktienbesitzer hart. Bisher waren Veräußerungsgewinne steuerfrei, sofern die Wertpapiere länger als ein Jahr gehalten wurden.

Der Ärger unter Deutschlands Anlegern ist deshalb groß. Groß ist auch die Phantasie der Finanzinstitute, Abhilfe zu schaffen. Die Branche hofft auf ein Milliardengeschäft. Durch geschickte Konstruktionen soll das Geld ihrer Kunden vor dem Zugriff des Staates geschützt werden.

Schon jetzt steht fest, wer neben der Finanzindustrie die Gewinner und wer die Verlierer bei diesem großen Steuersparspiel sind. "Die kleinen Sparer werden viel stärker als die großen durch die Abgeltungsteuer belastet", sagt der Berliner Vermögensverwalter Frank Schneider. Er berät Kunden, die mindestens 250.000 Euro angelegt haben. Von denen muss keiner, wenn er denn nicht darauf besteht, auch nur einen Euro abführen.

Berater wie Schneider, aber auch Banken und Versicherungen, haben Lücken im Gesetz entdeckt, die so groß wie Scheunentore sind. Zum Beispiel Versicherungsmäntel nach Liechtensteiner Recht. Sie sind "zurzeit die absoluten Renner", sagt Vermögensverwalter Schneider. Es bedarf dazu keiner kriminellen Energie. Hausdurchsuchungen wie beim ehemaligen Postchef Klaus Zumwinkel, der wegen einer Stiftung in Liechtenstein der Steuerhinterziehung verdächtigt wird, muss niemand fürchten.

In diesem Fall ist alles legal: Liechtensteiner wie deutsche Versicherungen müssen keine Abgeltungsteuer abführen. Das Vermögen kann ungeschmälert von den lästigen Abzügen anwachsen. Nach zwölf Jahren und einem Mindestalter von 60 Jahren muss nur der Ertragsanteil der Versicherung zur Hälfte mit dem dann gültigen Steuersatz versteuert werden. Und auch das lässt sich, selbstverständlich, mit einfachen Mitteln umgehen.

"Lebensversicherungen dienen der Altersvorsorge", dachten die Experten des Bundesfinanzministeriums. Das ist gut gemeint und trifft auch auf die Mehrzahl der 94 Millionen Lebensversicherungsverträge in Deutschland zu. Doch angesichts der Kreativität des Finanzgewerbes wirkt es gleichzeitig beängstigend naiv.

Unter einem Versicherungsmantel lässt sich fast alles verstecken. Jedes Aktiendepot, sogar Hedgefonds oder aggressive, täglich handelbare Optionspapiere können mit einer Versicherung umhüllt werden. Die Großbanken bieten ihren besten Kunden an, deren Wertpapiere im Namen einer Versicherung zu halten. Vergangene Woche teilten auch die Sparkassen mit, dass sie für das Geschäft mit vermögenden Kunden einen Versicherer in Luxemburg gründen wollen. Bei einer eventuellen Nachfrage des Finanzamts taucht der Name des Kunden nicht auf.

Ein Vermögensverwalter, eine Bank oder der Steuersparer selbst können die Anlagen auch in Zukunft steuerfrei hin und her schieben, ohne dass der Fiskus eine Chance hätte, die Abgeltungsteuer zu kassieren. Selbst Auszahlungen sind jederzeit möglich. Wenn der neue Ferrari oder das Ferienhaus auf Ibiza finanziert werden muss, gewährt die individuelle Lebensversicherung ein Darlehen.

Bleibt das Problem, dass am Ende der Laufzeit der Lebensversicherung teilweise Steuern anfallen. Doch auch hier haben sich die Steuersparprofis der Finanzbranche etwas einfallen lassen.

"Willkommen im Steuerparadies Deutschland"

Steuerlich besonders günstig ist es, wenn Lebensversicherungen im Todesfall ausgezahlt werden. Doch davon hat der Versicherte wenig. Steuersparprofis versichern deshalb nicht den eigenen Todesfall, sondern den des Vaters oder einer anderen Vertrauensperson. Wenn die stirbt, sind die Auszahlungen endgültig steuerfrei.

Bei den Individualpolicen der Vorsorge Luxemburg Lebensversicherung S. A. kann sogar der Todesfall von bis zu vier zudem noch während der Laufzeit austauschbaren Personen versichert werden. Dann können die Auszahlungen aus der Lebensversicherung erfolgen, wenn es gerade passt. Das Tochterunternehmen der Münchener Rück bietet das Modell allen Steuersparern an, die mindestens 250.000 Euro einbringen.

Prinzipiell können auch deutsche Lebensversicherungen Mäntel liefern. "Willkommen im Steuerparadies Deutschland", wirbt die Volksfürsorge mit einem Bild, das die Umrisse Deutschlands in ein tropisches Inselparadies verwandelt. Doch die traditionellen Anbieter sind unflexibler und teurer. Außerdem fürchten sie, dass bei einer zu aggressiven Vermarktung das ganze Steuerschlupfloch geschlossen wird.

Stattdessen erleben nun Luxemburg und Liechtenstein eine Welle von Versicherungsgründungen und -beteiligungen. Der Deutsche Ring ist in großem Umfang bei der Wealth-Assurance AG in Liechtenstein eingestiegen. Die Deutsche Bank kooperiert mit der Luxemburger Lombard und hat im Großherzogtum den Versicherer DB Vita reaktiviert. Die Liste ließe sich fortsetzen - alle Großen der Branche sind dabei.

Ihr grenzenloser Service ist nicht ganz billig und rentiert sich nur für Leute, die ein paar 100.000 Euro aus der Reichweite des Fiskus bringen wollen. Bei der Vorsorge Luxemburg beträgt die Abschlussgebühr bis zu fünf Prozent, die Policen- und Vermögensverwaltung kosten extra. Swiss Life verlangt für den Versicherungsmantel vorab eine größere Summe, hinzu kommen die Gebühren für den Vermögensverwalter und die Depotbank.

Dafür wird dem Kunden grenzenlose Flexibilität in Steuerdingen versprochen. "Unabhängig vom Wohnsitzland gestalten Sie Ihre Steueroptimierung nach Ihren eigenen Bedürfnissen", heißt es in einem Prospekt von Swiss Life. Aufgrund des Versicherungsgeheimnisses in Liechtenstein herrsche "absolute Diskretion".

Wer in diesen Tagen in einer der 43 meist palastartigen Luxemburger Filialen der deutschen Banken vorspricht, erntet viel Verständnis. "Die Abgeltungsteuer ist eine große Steuererhöhung", sagt der Mitarbeiter der Deutschen Bank, nachdem er in ein Beratungszimmer mit hohen, Schießscharten ähnelnden Fenstern und greller moderner Kunst geladen hat. Dann breitet er ein ganzes Arsenal von "steuerarmen" Anlagekonzepten aus. "Bei uns bekommen Sie schon eine Vermögensverwaltung ab 50 000 Euro, während Sie in Deutschland schon drei Millionen Euro vorweisen müssen", sagt er.

Für die nicht ganz so Reichen ist da zunächst die Lebensversicherung DB Life LuxPlus. Außerdem werden sogenannte Dachfonds angeboten, die eine bunte Ansammlung von Finanzprodukten beinhalten, sie werden je nach Marktsituation zusammengestellt. Vorteil für den Anleger: Anders als in einem privaten Depot bleiben die Umschichtungen meist steuerfrei. Nachteil: Die Bank kassiert jedes Jahr eine Vermögensverwaltungsgebühr von bis zu zwei Prozent und hält bei jeder einzelnen Transaktion die Hand auf.

Große Familienvermögen sind sogar schon dabei, eigene Publikumsfonds aufzulegen, hat der Frankfurter Rechtsanwalt Wilhelm Haarmann beobachtet. Zwar hat der Fiskus vor ein paar Monaten die Steuerfreiheit für sogenannte Millionärsfonds aufgehoben, die schon ab 1,25 Millionen Euro in Luxemburg eine komplette individuelle Vermögensverwaltung ermöglichten. Doch gegen Publikumsfonds, die trotz des Namens natürlich nicht jedem Kunden offenstehen, kommt auch das Finanzamt schlecht an.

Zudem ist es möglich, das private Vermögen in eine gewerbliche Firma, beispielsweise in der Rechtsform einer GmbH, einzubringen. Auch dann bleiben Veräußerungsgewinne und Dividenden abgeltungsteuerfrei.

Gelegentlich besteht jedoch die Gefahr, dass die Finanzbehörden solchen aggressiven Steuersparideen mit einem Erlass den Garaus machen. So können sich die Anbieter bis zur endgültigen Verabschiedung aller Verordnungen zur Abgeltungsteuer nicht ganz sicher sein, dass ihre Konstruktionen halten.

Doch normalerweise hecheln die Finanzbehörden der Kreativität der Produktanbieter mit weitem Abstand hinterher. Als 2005 eine europaweite Zinsbesteuerung für Ausländer in den Steuersparparadiesen Luxemburg, Liechtenstein und der Schweiz eingeführt wurde, war das Ergebnis jedenfalls äußerst dürftig. Die Schweizer Finanzbehörden überwiesen im vergangenen Jahr an den deutschen Fiskus rund 80 Millionen Euro. Aus Liechtenstein kamen 2006 gerade mal 4,4 Millionen Euro.

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