Automobile Dünne Suppe im Tank

Wissenschaftler der Universität Köln wollen die Abgasprobleme des Dieselmotors lösen, indem sie dem Kraftstoff Wasser beimischen - mit beeindruckenden Ergebnissen.

Die Filmabenteuer des schwedischen Wunderkindes Pippi Langstrumpf sprengen nicht selten den Rahmen des physikalisch Erklärbaren. Unvergessen ist die Betankung eines Schrottautos mit Wasser und einem nicht näher definierten Klebstoff. Die Folgeszenen zeigen den Pkw fliegend und belegen eindrucksvoll die Grenzen damaliger Trickfilmtechnik.

Kaum minder phantastisch mutet ein Forschungsprojekt am Institut für Physikalische Chemie der Universität Köln an, das im vergangenen Jahr eine Dissertation mit Auszeichnung abwarf und Motorenbauern einen segensreichen Effekt verspricht: Bei einer Beimischung von etwa 30 Prozent Wasser zum Dieselkraftstoff reduziert sich der Rußausstoß um mehr als 90 Prozent, derjenige der Stickoxide um etwa ein Drittel.

Diese Reinigungsquote wurde in mehreren Prüfstandtests festgestellt und lässt sich auch chemisch erklären: Rußpartikel entstehen, weil im Zentrum der Verbrennung zu wenig Sauerstoff vorhanden ist, um die extrem langkettigen Moleküle im Dieselkraftstoff rasch in Kohlendioxid umzuwandeln. Wasser enthält reichlich Sauerstoff, was die Verbrennung schürt. Gleichzeitig senkt es die Verbrennungstemperatur; dadurch entstehen weniger Stickoxide.

Das Phänomen ist seit Jahrzehnten bekannt und ermutigte schon zu diversen Experimenten, die vorwiegend der Leistungssteigerung dienten. Ein Serieneinsatz in Fahrzeugen jedoch schien bisher unmöglich: Dafür müsste sich das Wasser wie ein Additiv in den Kraftstoff mischen lassen. Diesel und Wasser perlen jedoch aneinander ab, lassen sich allenfalls durch dauerndes Schütteln oder Rühren in einem Emulsionszustand halten. In einem ruhig liegenden Tank setzt sich das Wasser unten ab, und der Kraftstoff schwimmt oben.

Lada Bemert, Chemikerin an dem Kölner Hochschulinstitut, entwickelte nun ein stabiles Gemisch aus Diesel und Wasser durch den Einsatz von Tensiden, die in ähnlicher Form auch in Waschmitteln oder bei der Erdölförderung verwendet werden. Mit dieser Mikroemulsion, bestehend aus etwa 60 Prozent Kraftstoff, 30 Prozent Wasser und 10 Prozent Tensiden, erreichte sie im Versuch sagenhafte Schadstoffreduktionen und im akademischen Betrieb die Doktorwürde.

Institutsleiter Reinhard Strey, seit über 20 Jahren mit dem Thema befasst, sieht in den Forschungsergebnissen nun den Schlüssel zur Lösung eines Kardinalproblems der europäischen Autoindustrie. Diese setzte vehement auf Diesel-Pkw und erzielte damit beachtliche Sparrekorde, da Dieselmotoren den Kraftstoff effizienter verbrennen als Benzinaggregate. Den weit höheren Ruß- und Stickoxidausstoß nahmen die Konstrukteure in Kauf - und begaben sich damit in einen Dauerkonflikt mit der Gesetzgebung.

Strengere Abgasvorschriften machen Dieselautos zu immer teureren Sparmobilen. Nach langem Zögern und blamablen technischen Pannen statten die Hersteller inzwischen nahezu alle Modelle mit Rußfiltern aus. Das allerdings erhöhte sowohl den Preis wie auch den Spritverbrauch.

Und die nächste Hürde ist bereits absehbar: Bislang erlauben die EU-Grenzwerte einen höheren Stickoxidausstoß für Diesel-Pkw. Lobbyisten kämpfen noch um eine Verlängerung der Schonzeit. Endet diese, wird ein weiterer Katalysator mit Harnstoffeinspritzung nötig sein. Der Auspufftrakt, einst ein simples Rohr mit Schalldämpfern, wandelt sich so zur kostspieligen Chemiefabrik.

Eleganter und billiger erscheint da allemal der Wasserweg, bei dem die vielen Schadstoffe gar nicht erst entstehen. Doch ist der Effekt auch groß genug, um ohne Filter und Katalysator die Zulassungshürden zu nehmen? "Unsere bisherigen Versuchsergebnisse deuten darauf hin", sagt Institutsleiter Strey und fordert die Autoindustrie auf, "diese Technologie mit gutem Willen zu prüfen".

Doch die Entwickler der Autokonzerne zeigen sich misstrauisch. Als abschreckend empfinden sie vor allem die großen Wassermengen, die das Auto mitschleppen müsste. Ergebnis wäre ein erhebliches Mehrgewicht oder eine deutlich kürzere Reichweite. Außerdem scheint es nicht ratsam, die fertige Emulsion gleichsam als dünne Diesel-Suppe an der Tankstelle zu verabreichen. Dann nämlich würde auch auf den Wasseranteil Mineralölsteuer erhoben.

Strey plädiert für eine Lösung, die an einem Versuchswagen bereits vollzogen wurde: Dem Kraftstoff werden lediglich die Tenside beigemischt. Das Wasser gelangt dann aus einem Extratank erst auf dem Weg vom Tank zum Motor dazu. Das hätte den Vorteil, dass der Wasseranteil verändert und so dem jeweiligen Lastzustand des Motors angepasst werden könnte. Der Nachteil besteht darin, dass der Fahrer zwei Substanzen tanken muss. Zudem ist diese Variante nur mit der Unterstützung der Auto- und der Mineralölindustrie realisierbar.

Letztere steht dem Projekt aufgeschlossener gegenüber. Der Shell-Konzern verlieh der Forscherin Bemert bereits einen Anerkennungspreis für die Entwicklung der Mikroemulsion. Begründung: "Der Ansatz ist vielversprechend, hat seine Praxistauglichkeit schon bewiesen und verspricht obendrein noch Kosteneinsparungen."

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