Banken Müll sucht Eimer
Der Hamburger Wirtschaftsprominenz machte Axel Weber keine Hoffnung auf einen lockeren Spaziergang aus dem Konjunkturtal. "Die Wege aus der Krise werden steinig und schwer sein", sagte der Bundesbankpräsident vergangenen Mittwoch in der Handelskammer, aber dann müsse man eben "feste Schuhe anziehen und Hindernisse aus dem Weg räumen"

Finanzplatz Frankfurt am Main: "Die Wege aus der Krise werden steinig und schwer sein"
Foto: DDPDie größten Brocken liegen in den Bilanzen der Banken. "Die Unsicherheit über die Solidität der Banken" konnte bislang nicht beseitigt werden, so Weber.
Auf über drei Billionen Euro weltweit schätzt der Internationale Währungsfonds den Wert der Ramschpapiere, sie können das gesamte Finanzsystem noch immer zum Einsturz bringen. Deutschlands Geldhäuser besitzen davon knapp unter 300 Milliarden Euro.
Dieser Giftmüll soll jetzt aus den Bilanzen verschwinden. Kommenden Dienstag treffen sich Vertreter der Regierung, der Bundesbank und des Bankenrettungsfonds Soffin bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Fertige Lösungen erwartet dort keiner, aber auch kein "Kaffeekränzchen", meint der Vizeregierungssprecher Thomas Steg. "Von allein wird sich die Solvenzkrise auf den internationalen Finanzmärkten nicht in Wohlgefallen auflösen", glaubt Jochen Sanio, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
Die Banken retten, ohne die Steuerzahler zu ruinieren, heißt die kaum lösbare Aufgabe. Das Endziel ist ein nationales System staatlich garantierter Mülldeponien für Finanzprodukte, sogenannte Bad Banks. Sie nehmen den Banken das Risiko eines zukünftigen Wertverlustes ab - bei Landesbanken wohl in der rechtlichen Form einer öffentlichen Anstalt und bei Privatbanken als Zweckgesellschaften.
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hält das "für eine gute Sache", weil es Vertrauen ins Bankensystem zurückbringen würde. Allerdings sei das "absolut nichts, was die Deutsche Bank braucht", versicherte er noch Anfang des Jahres.
Die restliche Konkurrenz hat es dagegen bitter nötig. Allein die Commerzbank sitzt nach der Fusion mit der Dresdner Bank auf gefährlichen Papieren im Wert von 55 Milliarden Euro. Bei Landesbanken wie die HSH Nordbank sind die Dimensionen ähnlich erschreckend.
Bisher suchte der Müll freilich vergebens einen Eimer. Seit Monaten schon arbeitet die Koalition an einer Lösung. Nur eines scheint klar: "Eine zentrale Giftmülldeponie ist nicht vermittelbar", davon ist Bundesbankchef Weber überzeugt. Sie ist zu groß, zu riskant und zu teuer. Eine gemeinsame Verwertung mit Privatinvestoren wie in den USA oder eine staatliche Verlustversicherung wie in Großbritannien kommt wohl auch nicht in Frage.
Wie Finanzminister Peer Steinbrück plädiert Bundesbankpräsident Weber für institutsbezogene Einzellösungen. Die Bilanzbereinigung sollte "transparent, anreizkompatibel und praktikabel, ordnungspolitisch akzeptabel und politisch kommunizierbar sein".
Einfach und schnell sollte sie auch sein. Denn die Krise frisst sich unerbittlich weiter in die Stützpfeiler des Systems. US-Versicherer schirmten in der Vergangenheit viele der Giftanleihen gegen Verluste ab. Nun wackeln ausgerechnet diese Garantiegeber, in der Branche Monoliner genannt. Laut einer neue Studie der Royal Bank of Scotland drohen den Banken nun weltweit Wertminderungen von weiteren 80 Milliarden Dollar. Allein die Deutsche Bank sichert Engagements im Wert von rund 36 Milliarden Euro über Monoliner ab. Bei der Commerzbank sind es ebenfalls Milliardenwerte.
Wie ernst die Lage ist, zeigt der Fall Ambac. Die Rating-Agentur Moody's stufte die Bonitätsnote des mächtigen US-Monoliners vergangenen Dienstag auf Ramschniveau herunter.
Für eine nachhaltige Wende gibt es kaum Anhaltspunkte, auch wenn die Börsenkurse der Finanzaktien derzeit steigen. Die jüngsten Milliardengewinne an der Wall Street gehen vor allem auf das Konto geänderter Bilanzierungsregeln.
So konnten die Wells-Fargo-Banker nur glänzen, weil sie den Anteil an einem Joint Venture mit Versicherungsgigant Prudential plötzlich als Vermögenswert buchen durften. Ähnlich dick durften die Bilanzjongleure von Goldman Sachs auftragen. Dank einer Umstellung der Bilanzierungsperiode versenkten sie einen Milliardenverlust außerhalb des jetzt veröffentlichten Quartals. In klassischen Sparten des Investmentbanking verdiente die Truppe von Bankchef Lloyd Blankfein dagegen noch weniger als im Vorquartal.
Einzig im krisengetriebenen Geschäft mit Staats- und Firmenanleihen sowie Devisen erwirtschaftete Goldman ernstzunehmende Gewinne. Bei Konkurrenten wie J. P. Morgan Chase oder Deutsche Bank sieht das Anleihengeschäft ähnlich gut aus.
"Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer", kommentiert Manfred Weber vom Bundesverband deutscher Banken. Man erlebe derzeit "einen so scharfen Konjunktureinbruch, dass die Kreditrisiken bei den Banken in den nächsten Quartalen massiv ansteigen werden". Diese Entwicklung werde weiter am Eigenkapital zehren, "was im schlimmsten Fall zu einer allgemeinen Kreditklemme führen könnte".
Weber schlägt deshalb vor, die giftigen Papiere "zum aktuellen Buchwert" beim Soffin in einen Mobilisierungsfonds mit separat geführten Konten auszulagern. Dafür erhalten die Banken staatlich garantierte, verzinste Anleihen des Fonds. "Bei Verlusten soll die faire Lastenverteilung zwischen Banken und Steuerzahlern erst am Ende der Laufzeit erfolgen", sagt Weber.
Doch wie genau der Verteilungsschlüssel aussehen soll, lässt Weber offen. Muss etwa der Steuerzahler für alle Verluste bluten, wenn in zehn Jahren gewisse Banken längst pleite, fusioniert oder immer noch renditeschwach sind? Ein riskantes Geschäft, immerhin könnte sich der Verlust im schlechtesten Fall auf mehrere hundert Milliarden Euro belaufen.
Das größte Problem bleibt die Bewertung der Papiere. Weil diese Preisfrage "heute nicht zu beantworten ist", nimmt Weber einfach die aktuellen Werte aus der Bilanz. Insider glauben, dass derzeit bis zu 90 Prozent der Wertpapiere in den Bankbilanzen zu hoch bewertet sind. Genau daran scheiterte kürzlich die Großfusion der WGZ Bank und der DZ Bank.
Auch wie Steinbrücks Bad-Bank-Modell für die Privatbanken genau aussehen wird, ist unklar. Auf jeden Fall will er eine hohe Gebühr für die Absicherung der faulen Papiere verlangen. Und in die abgesicherten, institutseigenen Zweckgesellschaften dürfen nur illiquide - also nicht handelbare - Papiere verschoben werden, schlug er noch vor wenigen Tagen vor. Toxische Altlasten wie verpackte Hypotheken klammer US-Hausbesitzer sollen die Banker dagegen selbst entschärfen.
Aber führt der Verbleib der Giftpapiere in den Bilanzen von Commerzbank & Co. das Konzept der Bad Bank nicht ad absurdum? Und wo liegt die Trennlinie zwischen illiquid und toxisch?
"Mir fällt es schwer, hier ein sinnvolles Abgrenzungskriterium aufzustellen", kritisiert Karl-Heinz Boos, Chef des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands, Steinbrücks Vorschlag. So rätseln derzeit etwa Bankenaufseher, ob verpackte US-Kreditkartenschulden nur illiquide oder bereits toxisch sind.
Eine besonders originelle Idee, die Ramschpapiere zu entsorgen, hatte die Schweizer Großbank Credit Suisse: Statt zugesagter Boni bekamen ihre Investmentbanker Anteilscheine an der hauseigenen Bad Bank.