Automobile Sorgenfreies Leben
Fahrzeugtechnik ist eine Ingenieurwissenschaft; sie lässt keinen Raum für Magie. Alles in diesem Fach ist erklärbar, auch das vermeintlich Wundersame.
Das gilt auch für Porsche. Der Stuttgarter Sportwagenhersteller hat mit der Entwicklung eines Modells begonnen, das eine Spitzengeschwindigkeit von 320 Stundenkilometern erreichen und nur drei Liter auf 100 Kilometer verbrauchen soll.
Es wird dieses Auto geben, in etwa drei Jahren; es wird die Modellbezeichnung 918 Spyder tragen; und es wird die genannten Spezifikationen erfüllen.
Allerdings nicht beide gleichzeitig.
Der Drei-Liter-Verbrauch wird amtlich ermittelt werden im "Neuen Europäischen Fahrzyklus", einer standardisierten Kriechfahrt auf dem Rollenprüfstand, die selbst Kleinwagen mit einem Bruchteil ihrer Motorleistung absolvieren.

Der 918 Spyder wird die Prüffahrt mit elektrischem Antrieb zurücklegen. Der Wagen ist als Plug-in-Hybridfahrzeug konzipiert, das kurzzeitig nur mit Strom fahren kann. Seine Batterie schafft mit einer Ladung etwa 25 Kilometer im Schleichtempo, gerade ausreichend für die Norm-Abnahme. Aus dem Stromverbrauch errechnen die Behörden dann ein offizielles Benzin-Äquivalent.
Soll es zügiger vorangehen, schaltet sich ein Achtzylinder-Rennmotor ein. Auch dem reichen dann drei Liter - bei Vollgas allemal für fünf Kilometer.
Das Rezept zu dem kontroversen Gefährt folgt bestem Motorsportsgeist: "Wir lesen ein Reglement und bauen das entsprechende Auto", erklärt Porsche-Chefentwickler Wolfgang Dürheimer.
Das Reglement der europäischen Straßenzulassung erlaubt Plug-in-Hybriden eben die Verbrauchsabnahme im Batteriemodus. Den schluckstärksten Gefährten bietet sich damit die Chance, gleichsam unter dem Radar des behördlichen Öko-Wachdienstes durchzufliegen. Für den Porsche 918 Spyder mit insgesamt über 700 PS werden nach geltenden Bestimmungen weniger Steuern zu entrichten sein als für einen Fiat Panda.
Dürheimer sieht im Hybridantrieb mithin eine Schlüsseltechnik, die den Sportwagen vor gesellschaftlicher Ächtung bewahren kann. Es gehe schlicht darum, "den Porsche-Kunden für die Zukunft ein sorgenfreies Leben zu sichern". Extreme Strafabgaben auf Spritsäufer, wie sie in allen großen Automärkten der Welt bald erhoben werden dürften, werden die halbverstromten Renner nicht treffen.
Freie Fahrt in Ballungsräumen für den elektrischen Hilfsantrieb
Überdies garantiert der elektrische Hilfsantrieb freie Fahrt in Ballungsräumen: Großstädte werden zunehmend gegen die Autoflut abgeschottet, London etwa erhebt eine hohe City-Maut für konventionelle Autos. Elektroautos dürfen gratis rein - auch Plug-in-Hybride, sofern sie im definierten Schutzraum rein elektrisch fahren.
Das Beispiel, schätzt Dürheimer, wird Schule machen. Der Chefentwickler sieht die Zeit kommen, in der etwa München innerhalb des Altstadtrings für Autos mit Verbrennungsmotor gesperrt wird. Ihm graut davor, dass dann ein Porsche-Fahrer auf dem Weg zum Bayerischen Hof seinen Wagen irgendwo an der Donnersberger Brücke parken und die Fahrt mit Bahn oder E-Taxi fortsetzen müsste. Unweigerlich würde dabei die Lust am Autoluxus auf der Strecke bleiben.
Das Hybridmodul werde folglich bald kein Exotikum mehr sein, sondern ein Standard im Baukastensystem. Die Konstrukteure könnten es "einsetzen, wenn es erforderlich wird". Für die Sportwagenzukunft innerhalb des VW-Konzerns habe der Porsche 918 deshalb "eine Leuchtturmwirkung".
Dürheimer gebraucht dieses Wort mit Nachdruck. Das Selbstbewusstsein der Porsche-Konstrukteure ist erkennbar verbeult, seit sich der Sportwagenhersteller nach dem misslungenen Versuch, den größten Autokonzern Europas zu schlucken, artig als zehnte Marke ins Wolfsburger Kfz-Imperium einreihen musste.
Mit dem Hybrid-Enthusiasmus überlebt ein Credo des spektakulär gescheiterten Wendelin Wiedeking. Weit früher als die Vorstände anderer deutscher Hersteller bekannte sich der damalige Porsche-Chef zu diesem Mischantrieb. Zugleich wetterte er gegen den Diesel, den alle anderen europäischen Hersteller als Spartechnik favorisierten. Teil von Wiedekings Markenstrategie war es, Porsche dieselfrei zu halten.
Was die Sportwagen betrifft, gilt das bis heute; beim Gelände-Koloss Cayenne ließ sich die Doktrin nicht durchhalten. Seit knapp zwei Jahren wird dieser mit einem von VW entwickelten Dieselmotor angeboten. Er hat einen Norm-Verbrauch von 7,4 Litern auf 100 Kilometer, kostet 59.596 Euro und ist in Europa die mit Abstand gefragteste Variante. Rund die Hälfte aller in Europa verkauften Cayenne haben inzwischen Dieselmotoren.
Der nach langer Entwicklungsmühe im Handel angekommene Cayenne Hybrid mit Elektro- und Benzinmotor schluckt knapp einen Liter mehr, ist fast 20.000 Euro teurer und findet nur vereinzelt Käufer, was das Porsche-Management nicht wirklich verdrießt.
Der Diesel fährt stattliche Renditen ein, der weit höhere Preis für den Hybrid deckt kaum die Kosten.