Karrieren Der Busch-Trommler
Nicht alle Ikonen können einen frühen Tod sterben. So wie Jimi Hendrix, Che Guevara oder Rudi Dutschke, die damit ihr Ticket zur Unsterblichkeit zogen. Ein paar von ihnen müssen hier unten bleiben, alt werden und weiterstrampeln, so mühsam das auch ist.
war kein Rock'n'Roller und auch nicht der größte Weltrevoluzzer, aber 1968 schon so etwas wie ein Popstar. Es gab in Deutschland ja sonst kaum einen, den junge Leute toll finden konnten, es sei denn, sie standen auf Roy Black. Langhans hatte Locken und ein Mädchengesicht mit Nickelbrille. Im Arm hielt er mal einen Sitar, mal Uschi Obermaier, das Groupie der Apo.
Im Januar 2011 fährt der nunmehr 70-jährige Langhans auf einem klapprigen Fahrrad durch den Münchner Schnee. Wuschelhaar, Jacke, Leinenhose, alles in Weiß. Passantenblicke. Die Älteren sehen ein Stück Zeitgeschichte an sich vorbeiradeln, den schönen Rainer aus der Kommune 1, Deutschlands erster WG. Mitverfasser der Kaufhausbrand-Flugblätter, beteiligt an der Vorbereitung des Pudding-Attentats, das dann doch ausfiel.
Die Nachgeborenen erkennen ihn als den komischen Zausel, der sich Ende der Woche als einer von zehn Kandidaten ins begeben will.

50.000 Euro erhalte er für den gut zweiwöchigen Ausflug in den australischen Busch und ins Trash-Fernsehen, heißt es. Langhans, eine Erscheinung von jesusmäßiger Sanftmut, sagt, er wisse nicht, wie viel ihm zahle und was er damit mache. Geld sei nicht wichtig. Als ehemaliger Zeitsoldat bezieht er 207 Euro Rente. Er gibt kaum etwas aus, schreibt Bücher, wird zu Diskussionen oder für Vorträge eingeladen. Irgendwas geht immer, auch wenn die anderen 68er-Helden mehr Publicity bekommen haben.
Über Uschi Obermaier gab es einen Kinofilm, für den "Stern" zog sich die 60-Jährige dazu noch einmal aus. Das ZDF zeigte das Doku-Drama "Dutschke". Fritz Teufel, der Kommunenkasper, sorgte postum ein letztes Mal für Gaudi, als vorigen Sommer seine Urne verschwand und an Dutschkes Grab wieder auftauchte. Langhans lief zuletzt so nebenher, eine Art Sidekick der Bewegung.
Jüngst stellte der Online-Schuhhändler Zalando ihn in einem Werbespot als spinnerten Guru dar. Langhans drohte mit dem Anwalt, man einigte sich. Am Freitag vergangener Woche drehten sie in Berlin einen Spot, in dem er sich nun selbst spielen durfte. Selbst als '68 vierzig wurde, bekam Langhans nur Häppchen vom Ruhm ab. "Ich wurde in keine einzige Talkshow eingeladen. Das hat mich schon gewundert."
"Ich rede mit jedem. Kommunikation ist Liebe"
Jetzt, da er in den Dschungel aufbricht, rufen sie plötzlich an. "Zeit", "Tagesspiegel", "Bild", bei Markus Lanz war er auch schon. Langhans sagt: "Ich rede mit jedem. Wenn wir nicht miteinander reden, gibt es Krieg. Kommunikation ist Liebe." Schon in der Kommune waren sie scharf auf Presse, jede Zeile über sich rissen sie aus und steckten sie in ihre Ordner. "Bild" lasen sie täglich.
Eine Event-Agentur aus Österreich hat sich nun gemeldet. "Wir vertreten auch die Lugner-Mausi und den Lugner-Mörtel." Sie wollen Langhans für Auftritte in österreichischen Diskotheken gewinnen. Er sagt, das komme für ihn dann vielleicht doch nicht in Frage.
Er will jetzt erst mal den ganzen fremden Menschen freundlich antworten, die seine Handy-Nummer oder Mail-Adresse aufgetan haben und bei ihm ihre Enttäuschung abladen: "Kannst gleich im dschungel bleiben und die 50 000 mit den ratten teilen. So einen clown will doch gar keiner sehen. Für geld fresst ihr alle eure eigene kacke."
Oder: "Bitte, tun Sie es nicht." Oder: "Hoffe, Ihnen beißt ein Skorpion in die Eier!" Oder auch: "Warum zur Hölle bist du im Dschungel? Was ist da passiert?"
Es ist die falsche Frage.
Die richtige lautet: Warum erst jetzt?
Ausgeprägter Drang in die Öffentlichkeit
Denn sein Drang in die Öffentlichkeit scheint ausgeprägter als bei Dieter Bohlen und Daniela Katzenberger zusammen. Langhans liegt im Bett. Besuch empfängt er immer so. Kissen im Rücken, die Decke hochgezogen, Spitzwegs armer Poet, bloß ohne Zipfelmütze und Schirm. Es ist kalt, aber auf der Gästematratze gibt es auch eine Gästedecke. Langhans riecht ein wenig nach Reformhaus.
29 Quadratmeter in Schwabing für 300 Euro Miete. Nur für ein paar Wochen wollte er einst hier einziehen, die Kommune in Berlin war da längst Geschichte und die Sache mit Uschi auch. Jetzt haust er seit 34 Jahren hier.
Der Balkon als Kühlschrank. Im Bad Spinnweben. Ein Zimmer. Die Wände kahl, in der Ecke auf Fußhöhe das einzige Bild: Kirpal Singh, sein indischer Meister, nach dessen Lehre er lebt. Täglich zweieinhalb Stunden meditieren, vegan essen, kein Alkohol, Samenergüsse sind zu vermeiden. Alles Körperliche hindert, der Mensch ist ein geistiges Wesen.
Sehr körperlich hingegen will Langhans am Freitag dieser Woche mit neun weiteren Zeitgenossen für "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" in das Lager im australischen Urwald eingesperrt werden. Die Prominenz der anderen lässt sich daran ablesen, dass Indira, Ex-Sängerin der Ex-Band Bro'Sis, schon zu den Bekannteren gehört. Dazu wird es hämische Kommentare der RTL-Moderatoren Sonja Zietlow und Dirk Bach geben und Top-Quoten. War bisher immer so.
Eine Anfrage für die vorige Staffel habe er abgelehnt, sagt Langhans, weil die Produktionsfirma darauf gepocht habe, dass er wie alle damit rechnen müsse, in einer Mutprobe Maden oder Kakerlaken aufgetischt zu bekommen. Als Veganer hätte er das nie verantworten können. Nach langem Hin und Her haben sie ihn vom Ekeltiere-Essen befreit.
Langhans liegt in seiner Matratzengruft, nimmt die Brille ab, schließt die Augen und redet. Er doziert über die Geburt des Internets aus der Vision der 68er: "Wir wollten damals schon Freund sein mit der ganzen Welt."
Langhans twittert auch. Auf Facebook hat er 190 Freunde. Eine davon ist Gretchen Klotz, Dutschkes Frau. Der Rainer im Dschungel? Da lacht sie laut ins Telefon: "Wie witzig! Das will ich sehen! Wann läuft das?"
"Er muss sich verkaufen wie eine alte Prostituierte"
Die Welt werde zur Kommune, erklärt Langhans, das Fernsehen vorneweg. "Zimmer frei!" mit Götz Alsmann zum Beispiel, wo Prominente auf WG-Tauglichkeit getestet werden. Wollte Langhans immer mal hin, aber die wollten ihn nicht. Auch der Container von "Big Brother" blieb für ihn verschlossen.
Er machte dann sein eigenes Ding, es hieß "Kommune" und lief auf den Lokalsendern TV München und TV Berlin: Er und fünf Frauen in einer Wohnung, eine Woche lang rund um die Uhr von Kameras begleitet. Mochte keiner sehen.
Seine letzte mediale Mini-WG war "Das perfekte Promi Dinner" auf Vox, 5000 Euro gab es dafür. Da saß er neben zwei Moderatorinnen und einem Darsteller aus der ZDF-Serie "Die Rosenheim-Cops". Dass er Möhren knabberte und Rote-Bete-Saft trank, fanden sie okay. Dass er seinen Teller vorm ersten Bissen lange betrachtete, um eine Beziehung zum Essen herzustellen, störte nicht. Nachdem er aber eine Rindsroulade nach einem Rezept der Rosenheim-Cop-Mama als "Mist" tituliert hatte, war die Stimmung im Eimer. Als Langhans dran war, die andern zu bewirten, mussten sie Teller und Besteck mitbringen. Er besitzt alles nur einmal.
Der Tiefpunkt seines Streifzugs durch die Niederungen des deutschen Fernsehens
Das RTL-Ferienstraflager dürfte nun der Tiefpunkt seines Streifzugs durch die Niederungen des deutschen Fernsehens werden. Für ihn jedoch ist es ein Höhepunkt: "Das Dschungelcamp ist die Urzelle der Kommune. Eine isolierte, auf Psychodynamik ausgerichtete Situation. Kommune heißt: Wir müssen gut miteinander leben."
Aber ging es den Kommunarden damals nicht darum, eine neue Lebensform zu finden? Weil sie mit der auf den Trümmern Nazi-Deutschlands errichteten Wirtschaftswunder-Gesellschaft nicht zu Rande kamen?
"Wer in den Dschungel geht, kommt mit der Welt genauso wenig klar", sagt Langhans. "Es sind ja immer diese abgehalfterten Showtypen, so stellt sich das zumindest von außen dar. Leute, die keiner mehr sehen will. Wahrscheinlich zähle ich auch dazu. Die kriegen eine zweite Chance, wieder mit den Menschen in Kontakt zu treten. Und sind hinterher womöglich wieder gefragt. Sogar alte Frauen wie Ingrid van Bergen."
"Ick kenn die Sendung nich - aber dit is Schwachsinn", berlinert Bommi Baumann, 62, einst Mitglied der Bewegung 2. Juni, verantwortlich für Brand- und Sprengstoffanschläge, kurze Zeit Bewohner der Kommune 1. "Damals ging es um eine Idee. Heute geht es nur um Rainer Langhans."
Bernd Rabehl, 72, seinerzeit tonangebend im Sozialistischen Deutschen Studentenbund, heute politisch rechtsaußen gestrandet, schimpft: "Die Kommune hat die Medien vorgeführt. Jetzt führen die Medien Langhans vor. Er jagt seinem eigenen Schatten hinterher, muss sich verkaufen wie eine alte Prostituierte."
Ulrich Enzensberger, 66, Dichterbruder und Kommunen-Mitbegründer, wünscht ihm spöttisch "viel Glück und dass er heil wiederkommt". Dieter Kunzelmann, 71, einst der Boss der Kommune, will gar nicht über Langhans reden. Sie möchten nichts mehr von ihm wissen.
Bei Fritz Teufels Beerdigung hätten sie ihn alle geschnitten, klagt Langhans. Als er wenig später in einem Interview darüber plauderte, dass womöglich die alte linke Clique hinter dem Spaß mit Teufels Urne stecke, dessen letzten Willen erfüllend, war er endgültig unten durch.
Die deutsche Ausgabe von John Lennon und Yoko Ono
Dabei gingen die Vorstellungen über die Gestaltung der Welt schon zu Kommune-Zeiten weit auseinander. Für seine Uschi würde er jede Revolution verraten, posaunte Langhans. Das konnten sie nicht gut finden. Er und die Obermaier waren wie eine deutsche Ausgabe von John Lennon und Yoko Ono, das Verhältnis zwischen Uschi und seinen Kumpels war so warmherzig wie das von Yoko zu den Beatles. Aber letztlich war das mit Uschi ja auch nix. Dass er vor ihren Augen mit anderen Frauen schlief, war für die Beziehung wenig förderlich. "Sex ist eine grobe Hampelei", sagt Langhans heute. Und Obermaier, inzwischen Schmuckdesignerin in Los Angeles, teilt mit, sein Gastspiel im Urwald sei ihr "ziemlich wurscht": "Jetzt hat er endlich die Medienaufmerksamkeit, die er sich die ganze Zeit so verzweifelt gewünscht hat."
Langhans liebt das Fernsehen, besonders zwei Serien. "Smallville", die Supermans Jugend erzählt. Und "Merlin" auf Super RTL, der große Zauberer als junger Mann. In beiden Sendungen geht es um Heranwachsende, die spüren, dass sie nicht von dieser Welt sind. Sie müssen sich in einer Gesellschaft beweisen, die mit ihnen nichts anzufangen weiß.
Seine eigene Kindheit und Jugend seien eine Qual gewesen, sagt Langhans. Er konnte mit seiner Umwelt nichts anfangen und sie nichts mit ihm. Einmal sagte sein Vater: Wenn alle rechts gehen, gehst du links. Ja, antwortete er. Beim Bund schlug er vor, den Feind moralisch zu zermürben anstatt mit Waffen. Im Jurastudium fühlte er sich genauso deplatziert wie in der psychologischen Fakultät.
1968 war seine große Zeit, die er auf eine wunderbare Formel bringt: "Plötzlich erkannte ich: Nicht ich war bekloppt - die andern waren es! Als '68 vorbei war, war ich wieder der Irre."
Ein Langhans, vier Frauen
Nachdem die Kommune auseinandergefallen war, ging es ihm elend. Dann wurde er esoterisch. Irgendwann fand er seine heutige Lebensform: seinen Harem. Ein Langhans, vier Frauen.
Christa Ritter, Filmemacherin. Brigitte Streubel, früher Model. Und die Zwillinge Gisela Getty und Jutta Winkelmann, die in jungen Jahren mit Dennis Hopper rummachten und sich um Bob Dylan stritten. Vor ein paar Jahren ließ das Damenkränzchen sich nackt mit Langhans fotografieren. Es war mehr ein PR-Gag, und Harem verspricht Wilderes, als die Schwabinger Realität dann hält.
Jede Dame hat ihre eigene Wohnung. Sie gehen gemeinsam spazieren und meditieren, beraten mit Langhans, wie sich ihr Leben verbessern ließe. Manchmal sagen sie ihm auch nur, dass sein Hemd mal wieder gewaschen werden sollte. Er klärt sie dann auf, wie unwichtig Materie sei - für ein geistiges Wesen wie den Menschen.
Mittagessen beim Veganer, Langhans und drei seiner Frauen. Es gibt Algen-Shake als Aperitif. "Rainer ist der Spiegel für uns selbst", sagt Jutta. "Manchmal denke ich, er ist eine Projektion, eine Erfindung von uns." Aber Rainer sei nicht der ideale Mann, sagt Christa. Doch, sagt Jutta.
"Er wird etwas Gutes machen aus dem Dschungelcamp", sagt dann wieder Christa. "Er wird das Niveau der Sendung heben." Jutta findet, sie sollten Rainer nicht so unter Leistungsdruck setzen. Aber sie glaube auch, dass er die Zuschauer berühren werde. "Und provozieren", sagt Brigitte.
Jutta sagt, vielleicht besetzen sie Rainer als skurrilen Alten. Vielleicht aber mögen sie ihn auch, weil Rainer so natürlich sei. So wie Lena Meyer-Landrut.
Das Interesse an ihm bringt Langhans selbst ins Grübeln. "Warum wird einer wie ich plötzlich für unterhaltsam befunden? Wollen sie einen Außenseiter-Trottel durch den Kakao ziehen? Oder möchten sie doch mehr wissen von mir und meiner Art zu leben?"
Bei der Party eines Schönheitschirurgen hat er neulich Giulia Siegel getroffen, die vor zwei Jahren im RTL-Dschungel saß und innerhalb weniger Tage den Ruf der Busch-Natter weghatte. Sag dort so wenig wie möglich, habe sie ihm geraten, damit nichts gegen dich verwendet werden kann. Länger gebrütet hat er über der Frage, welche zwei Besitztümer er mit in den Dschungel nehmen solle, wie RTL es den Kandidaten erlaubt. Langhans hat sich für einen Wickelrock entschieden. Und sein Kopfstandbänkchen.
In seiner Wohnung macht er gleich mal einen vor. Aus seiner Sicht steht die Welt jetzt kopf.