USA Mörderischer Familienfunk

Der Fernsehsender Fox News gilt als Sturmgeschütz der Rechten, doch bei den Präsidentschaftsvorwahlen demontiert er einen republikanischen Bewerber nach dem anderen.
Kandidaten der Republikaner bei Fox News: "Zu aggressiv"?

Kandidaten der Republikaner bei Fox News: "Zu aggressiv"?

Foto: Henny Ray Abrams/ AP

Zwei Jahrzehnte Berufserfahrung haben den US-Journalisten Bret Baier zu einem Veteranen seiner Zunft gemacht. Dass er sich in dieser Zeit durch Überparteilichkeit oder Fairness ausgezeichnet hätte, hat ihm allerdings noch niemand vorgeworfen. Schließlich ist Baier Moderator bei Fox News, dem wichtigsten Sender der amerikanischen Konservativen, und deshalb weiß er auch, wo er zu stehen hat - im Zweifel rechts.

Als George W. Bush noch regierte, umschmeichelte Baier den Republikaner mit unverfänglichen Fragen zu dessen Ranch in Texas und zum Lieblingswanderweg des Präsidenten. Nachfolger Barack Obama hingegen durfte im Interview mit Baier kaum einen Satz beenden, binnen 20 Minuten unterbrach ihn der Fox-Mann gleich 16-mal mit Einwänden.

Inzwischen ist es einen Monat her, dass Baier, 41, Mitt Romney gegenübersaß, zu diesem Zeitpunkt der Favorit bei den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen. Romney spricht nicht gern mit Medien, doch Fox ist nicht irgendein Sender, es ist der wirkmächtigste politische Fernsehkanal Amerikas. Fox News will Obama aus dem Weißen Haus vertreiben, und Romney gilt als derjenige republikanische Bewerber, der den Präsidenten am ehesten schlagen könnte. Was also kann ihm schon passieren?

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Vorwahlen der Republikaner: Langer Marsch zum Weißen Haus

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Doch dann sieht der Republikaner Romney sich jeder Menge unangenehmer Fragen ausgesetzt, mit denen er offensichtlich nicht gerechnet hat. Wie oft, will Baier, der immer noch jungenhaft wirkende Moderator, wissen, habe er in seiner politischen Karriere eigentlich die Meinung geändert, zur Gesundheitsreform etwa, zur Einwanderungspolitik, zur Abtreibung. Ein Wendehals zu sein, hat man Romney schon häufiger vorgeworfen, aber so spitz, wie Baier nun fragt, kommt der ehemalige Gouverneur von Massachusetts als gnadenloser Opportunist rüber, als jemand, den ein aufrechter Konservativer nie wählen dürfte.

Der Eindruck ist vernichtend, der Bewerber hilflos. Romney versucht, die Fragen wegzulachen, es klingt künstlich, dann stöhnt er nur noch. Später wird er sich beschweren, Baier sei "zu aggressiv" gewesen. Es klingt wie: So war das nicht abgesprochen, solche Fragen sind unter Freunden unschicklich.

Romney weiß, was auf dem Spiel steht: Knapp zwei Millionen Stammzuschauer sind dem Sender und seinem 24-Stunden-Betrieb treu ergeben, viele wechseln nie den Kanal. Die Fox-Gemeinde besteht fast nur aus weißen Amerikanern, meist fortgeschrittenen Alters, sie halten nichts von Schwulen oder Ausländern. Viele von ihnen glauben, dass Präsident Obama heimlich Muslim ist und nicht in den USA geboren wurde. Es ist genau die Zuschauerschaft, welche die Vorwahlen der Republikaner entscheidet.

Die Abstimmung ist zu einem Zirkus verkommen

Kurz nach Romneys Interview-Fiasko gibt es denn auch unter den republikanischen Präsidentschaftsbewerbern einen weiteren Favoriten, er heißt Newt Gingrich und war einst Sprecher des Repräsentantenhauses. Aber auch der geht nun nur mit geringen Aussichten in die erste wichtige Vorwahl am Dienstag in Iowa.

Die Abstimmung darüber, wer Barack Obama im November 2012 herausfordern darf, ist zu einem Zirkus verkommen, in dem die Hauptattraktion ständig wechselt. Vor Monaten führte noch Michele Bachmann die Umfragen an, eine der Tea-Party-Sirenen, deren Stimme sich überschlägt, wenn sie gegen Schwule, Staatsbedienstete und Demokraten zu Felde zieht. Dann lag Rick Perry, ein Ur-Texaner mit breitem Gang und schmaler Schulbildung, vorn. Danach Herman Cain, Ex-Pizzakettenchef und mutmaßlicher Fremdgeher. Immer gleich geblieben aber ist die kleine Gruppe politischer Journalisten, die die Bewerber vor sich hertreibt und ihnen wie mit der Peitsche die Richtung vorgibt: Baier und seine Kollegen von Fox News.

Deren Macht ist größer als die von ARD und ZDF zusammen: Kaum stieg die fromm-fundamentalistische Steueranwältin Michele Bachmann in den Umfragen auf, fragten Fox-Moderatoren, ob sie nicht viel zu oberflächlich, ob sie überhaupt ernst zu nehmen sei. Bald war es wieder vorbei mit Bachmanns Aufstieg.

Als Herman Cain mit seinem Plan für eine radikale Steuerreform bei rechten Wählern punktete, interviewte Fox ausführlich jene Frauen, die ihm sexuelle Belästigung vorhielten. Cains Kandidatur war rasch Geschichte. Texas-Gouverneur Perry musste sich bei Fox-Reportern wochenlang gegen den Vorwurf verteidigen, dass ihm das Denken eher schwerfalle.

Um die Zuschauerquoten zu halten, muss es bei Fox News krachen

Dann entzauberte der konservative Sender auch Romney, der sich so sicher gefühlt hatte - und vielen Konservativen noch immer als die größte Hoffnung im Wahlkampf gilt. In jüngsten Umfragen legt Romney gerade wieder zu. Wie schnell der Bewerber nach dem seltsamen Interview in den Umfragen abschmierte, zeigt die Macht von Fox News. Es ist eine Art Familienfunk mit vernichtender Wirkung. "Gegen Fox News kann kaum jemand Kandidat der Konservativen werden", sagt Fred Barnes, Chef der rechten Intellektuellenfibel "Weekly Standard".

Fox verkündet eine geschlossene, eine bessere Welt, so wie sie in weniger stürmischen Zeiten Walt Disney erschaffen hatte, ein Amerika, in dem Optimismus herrscht und Geld scheinbar keine Rolle spielt. In der Fox-Welt herrscht dagegen Senderchef Roger Ailes, und Geld ist sein Programm.

Ailes, 71, ist ein untersetzter Mensch mit Glatze, der aussieht wie ein schlechtgelaunter Bruder von Alfred Hitchcock. Düster ist auch seine politische Vergangenheit: Als junger PR-Helfer von Richard Nixon riet Ailes, der Präsidentschaftskandidat müsse lernen, wie er mit Hilfe des Fernsehens seine Wähler verführen könne. Für George Bush senior drehte er Werbespots, die diesem den Weg ins Oval Office ebneten, aber ihm den Vorwurf eintrugen, an rassistische Instinkte zu appellieren.

Sehr hell leuchten dagegen Ailes' Bilanzen: Der Senderchef führte Fox News nach dessen Gründung 1996 bald am Marktführer CNN vorbei. 800 Millionen Dollar Gewinn soll der Kabelkanal für den erzkonservativen Medienmogul Rupert Murdoch 2010 erwirtschaftet haben, 23 Millionen Jahresgehalt für Ailes sind der Lohn. Fox ist als Geldautomat besonders wichtig, seit Murdochs Imperium nach dem Skandal um das illegale Abhören von Telefonaten in Großbritannien Einbußen und einen weltweiten Ansehensverlust hinnehmen musste.

Die Republikaner können dieses Jahr nicht auf Vorzugsbehandlung hoffen

Um die Zuschauerquoten weiter zu halten, muss es bei Fox News eben krachen, und deswegen können die Republikaner dieses Jahr nicht auf Vorzugsbehandlung hoffen. Weil der Hass auf Obama und die Linke "old news" geworden sind, hat Fox als neuen Programmpunkt einfach die republikanischen Vorwahlen in einen Zirkus verwandelt - angeheizt vom heimlichen Republikaner-Parteichef Ailes, der sich zuweilen wie ein Diktator geriert.

So setzte Ailes mit durch, dass die republikanischen Bewerber viel häufiger als früher im Fernsehen debattieren müssen. "Fox hat eine Reality-TV-Show mit so vielen Kontroversen erschaffen, dass die Zuschauer einfach einschalten müssen", schrieb die "New York Times".

Bis zu vier Moderatoren hetzt der Fox-Chef pro TV-Debatte auf die Kandidaten fürs Weiße Haus, die strengen Frager dürfen in der Regel sitzen, die Wahlkämpfer müssen meist stehen, wie Schüler beim Fahnenappell. Der aktuelle Umfragen-Spitzenreiter bekommt den Platz in der Mitte, wer zurückliegt, wird am Rand der Bühne platziert, wohin die Kamera selten schwenkt.

Ernsthafte inhaltliche Diskussionen spielen keine Rolle, sie könnten Zuschauer vergraulen. Wichtiger ist der choreografierte Konflikt, wie der Medienkolumnist Howard Kurtz bei einem raren Besuch hinter Fox-Kulissen beobachtet hat: Ein Moderator beriet da mit seinem Kollegen etwa, erst den Texaner Rick Perry zu fragen, ob er nicht zu nachgiebig gegenüber illegalen Einwanderern sei - um dann direkt zu einem Perry-Rivalen zu schneiden mit der Frage: Ist Perry wirklich zu sanft? Streit auf offener Bühne heizt die Stimmung an.

"Wir haben es mal wieder allen gezeigt"

Verläuft die Debatte chaotisch genug, ruft Ailes gleich nach der Sendung seine Moderatoren an und jubelt: "Wir haben es mal wieder allen gezeigt." Zurzeit kann er oft anrufen: Bis zu fünf Millionen Amerikaner schalteten die Fox-Debatten der Republikaner-Kandidaten ein, ein außergewöhnlich hoher Wert im US-Kabelfernsehen, weit höher als in früheren Jahren. Die Vorwahl 2012 könnte für Fox ein Quotenhit wie "American Idol" werden, das amerikanische Pendant zu "Deutschland sucht den Superstar".

Nun ist der Sender dabei, auch Newt Gingrich zu demontieren - als unzuverlässigen Konservativen. Aber wer bleibt dann noch für die Herausfordererrolle im Wahlkampf?

"Fox News will doch nur, dass sich unsere Kandidaten gegenseitig zerfetzen", sagt Moderator Rush Limbaugh, ein Konservativer, der früher einmal selbst versucht hat, den Republikanern die Richtung zu weisen.

Profitieren könnte vom Kurs der Rechten daher ein Linker: Präsident Obama. Der Demokrat liegt in jüngsten Umfragen vor jedem denkbaren Herausforderer. Selbst Senderchef Ailes macht sich inzwischen Sorgen, ob die rechten Bewerber bereits zu beschädigt wirken, um gegen Obama bestehen zu können. Es heißt, er schaue sich nach weiteren Kandidaten um, etwa dem derzeitigen CIA-Chef und ausgewiesenen Kriegshelden David Petraeus. Doch dessen Lust, im schrillen Fox-Theater als neue Attraktion aufzutreten, scheint sehr gering.

Meuterei gegen die Murdoch-Macht können sich die Präsidentschaftsbewerber nicht leisten. Die meisten republikanischen Anwärter haben früher bei Fox als Kommentatoren gearbeitet. Wollen sie nach der Wahl wieder eine Anstellung, müssen sie mitspielen. Das tun sie auch - und disqualifizieren sich auf diese Weise für das höchste Amt im Staate.

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