IS-Terror Der Hassmacher aus Hildesheim

Islamist Abu Walaa
Foto: islamistische PropagandawebsiteEs war noch dunkel, als der Observationstrupp am Niederrhein in Stellung ging. Die Polizisten beobachteten ein unscheinbares Haus mit hellblauer Fassade in der Kleinstadt Tönisvorst. Hier sollte einer der gefährlichsten Islamisten Deutschlands wohnen.
Doch an diesem Dienstag im Februar des Jahres 2016 sahen die Beamten nur einen bärtigen Mann, der sich wie ein mustergültiger Familienvater verhielt. Um 7.40 Uhr rollte er die Mülltonne über die Einfahrt. Kurz danach packte er drei Kinder in den Opel Astra und fuhr zur Schule. Am Mittag holte er sie wieder ab. Harmloser ging nicht.
Am Ende des Tages stellten die Polizisten fest, dass der Mann seine Überwacher genarrt hatte. Ein GPS-Gerät, das zur Ortung unter dem Opel klebte, war verschwunden. Abgerissen, ohne dass die Beamten es mitbekamen.
Es sollte noch ein Dreivierteljahr dauern, bis die Sicherheitsbehörden genügend Belege gesammelt hatten, um Ahmad Abdulaziz Abdullah A. alias "Abu Walaa" festzunehmen.
Sie konnten Informanten in sein Umfeld einschleusen und ehemalige Weggefährten als Zeugen gegen ihn gewinnen. Es gelang ihnen, seine scheinbar harmlose Moschee zu schließen, die in Wirklichkeit ein Hort des Hasses war, und so womöglich noch Schlimmeres zu verhindern.
In wenigen Tagen stehen Abu Walaa und vier mutmaßliche Komplizen in Celle vor Gericht. Der Generalbundesanwalt ist sich sicher, dass es sich bei ihm um den Kopf eines Rekrutierungsnetzwerks handelt, das junge Männer radikalisierte und dem "Islamischen Staat" (IS) als Kämpfer zuführte. Mindestens sechs Männer aus Abu Walaas Dunstkreis sind heute tot - und mit ihnen Dutzende weitere Menschen, die sie bei Selbstmordattentaten mit sich rissen.
Die Ermittler werfen Abu Walaa, 33, vor, Mitglied des IS zu sein, mit Verbindungen in den berüchtigten Geheimdienstapparat der Terrorgruppe. Sie halten ihn sogar für den "Deutschland-Repräsentanten" des "Islamischen Staates", für einen Prediger des Dschihad und Paten des Terrors.
Abu Walaa hatte Kontakte zu zahlreichen Köpfen der deutschen Islamistenszene. Auch der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri, bewegte sich in seinem Netzwerk und soll offen über Anschlagspläne geplaudert haben. Ebenso die Jugendlichen, die im vorigen Jahr in Essen nach einer Hochzeit eine Bombe an einem Sikh-Tempel zündeten.
Deutschland hat in den vergangenen Jahren viel lernen müssen über die verkorksten Biografien junger Männer und ihre Wege in den Terror. Über die Hintermänner dagegen, die Verführer und Einflüsterer des Dschihad, war lange wenig bekannt. Nur selten ließ sich nachvollziehen, wie es Vordenkern und Propagandaführern mit einer Mischung aus Charisma und Kälte gelang, in das Gehirn Jugendlicher vorzudringen. Der Prozess gegen Abu Walaa verspricht tiefe Einblicke in diese Mechanismen, das macht ihn zu einem der interessantesten Islamistenprozesse der vergangenen Jahre. Das Oberlandesgericht Celle hat strenge Sicherheitsvorkehrungen angeordnet.
Der Weg ins Zentrum von Abu Walaas Netzwerk führt nach Hildesheim, berühmt für seinen Mariendom und die prächtigen Fachwerkhäuser. Und inzwischen auch für seine Islamistenszene.
Es klang harmlos, als vor fünf Jahren ein Moscheeverein in die Räume des früheren Schlecker-Markts in der Nordstadt einzog. Der Deutschsprachige Islamkreis Hildesheim e.V. war unter der Nummer VR 200674 ordentlich beim Amtsgericht registriert. Satzung, Vorsitzender, Schriftführer, Kassenwart, Jugendsprecher - alles war vorhanden. In Wirklichkeit aber war der "Islamkreis" in der Martin-Luther-Straße ein Gehirnwäscheverein, der bald den Verfassungsschutz auf den Plan rief.
Zum geistigen Führer der Moschee wurde Abu Walaa, ein Iraker aus Kirkuk, der mit zwei Frauen und sieben Kindern in Tönisvorst und Bad Salzdetfurth bei Hildesheim lebte. Seine Anhänger nennen ihn ehrfürchtig "edler Bruder". Oder einfach nur ihren "Scheich".
Unter seinem bürgerlichen Namen Ahmad Abdulaziz Abdullah A. kam Abu Walaa im Frühsommer 2001 als Asylsuchender nach Deutschland. Papiere konnte er bei der Einreise nicht vorlegen, die seien ihm von einem Schleuser abgenommen worden. A. verkaufte in Braunschweig in seinem Laden Dejavu Jeans & more Klamotten und vertrieb Sultan-Cola in den Nordirak. Parallel trat er als Prediger auf und begann, sich in der deutschen Islamistenszene einen Namen zu machen.
Junge Männer, oft noch halbe Kinder, kamen zu seinen Vorträgen und saßen ihm zu Füßen. Er sang islamistische Lieder mit ihnen, sogenannte Naschids, und pries in schwülstigen Zitaten den Dschihad: "Wer von uns sich dafür opfert, wird seine Beerdigung im Paradies feiern."
Sein Auftreten hatte etwas Geheimnisumwobenes. In Propagandavideos im Internet achtete er streng darauf, dass er nur von hinten zu sehen war, in schwarzem Gewand, schwarzem Turban. So wurde er zum "Prediger ohne Gesicht". Bis nach Frankreich, Spanien und Bulgarien sprach sich unter Islamisten herum, dass Abu Walaa in Hildesheim die richtige, nämlich radikale Lehre unterrichte. Er predigte ein extremes Konzept der "Loyalität und Lossagung". Liebe für die Gläubigen, Hass für die Ungläubigen. Wir gegen den Rest der Welt.

In Mitschriften seiner Anhänger fanden die Behörden später ein Bekenntnis zu Abu Bakr al-Baghdadi, dem selbst ernannten "Kalifen" des IS: "Wir sind die Schebeb aus Almanya", heißt es darin, die Jugendlichen aus Deutschland, "mit Scheich Baghdadi als unserem Anführer."
Wie gefährlich Abu Walaa und sein Netzwerk sind, erkannten die Sicherheitsbehörden 2015. Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt hatte einen V-Mann in der Islamistenszene platziert, Tarnname "Murat", ein leicht untersetzter Mann, der Türkisch und ein bisschen Arabisch spricht und im Toyota durch das Ruhrgebiet brauste.
Ihm gelang es, sich in den geheimen Unterricht zweier Prediger aus Abu Walaas Netzwerk einzuschleichen, Boban S. und Hasan C. Der eine verkündete seine radikalen Lehren in einem Wohnzimmer im ersten Stock eines Dortmunder Mietshauses, der andere im Nebenraum seines Reisebüros in Duisburg-Rheinhausen.
V-Mann "Murat" tauchte in eine beängstigende Parallelwelt ein. Er traf auf Jugendliche, die für den Dschihad brannten und ihre eigenen Eltern zu "Ungläubigen" erklärten, die sie töten würden. Ständig redeten sie davon, ins Kampfgebiet in Syrien und im Irak ausreisen zu wollen - und falls das nicht gelinge, "etwas" in Deutschland zu machen. Eine Chatgruppe, in die der V-Mann sich einklinkte, hatte den Namen "Projekt J" - Projekt Jihad. Konspirative Gespräche führten die Islamisten beim Dampfbaden im Hamam Sahara.
Glaubt man den Berichten des V-Manns, dann impfte der Reisebürobetreiber Hasan C. ihnen im kleinen Kreis ein, dass jeder in den Dschihad ziehen könne, der älter als 14 Jahre sei. Wer das nicht tue, komme in die Hölle. Hasan C., ein älterer Herr mit Brille und grauem Bart, brachte seinen Schülern Arabisch bei, angeblich zur Vorbereitung auf die Zeit beim "Islamischen Staat". Auf dem Tablet-Computer zeigte er den jungen Männern grausame Videos, in denen Kämpfer des IS Menschen hinrichteten. Nach den Exekutionen habe er gejubelt: "Sollen verrecken die Ungläubigen." Wenn nebenan im Reisebüro Kunden waren, mussten die Jungs leise sein.
An einem Sonntag im November 2015 soll Hasan C. außer sich gewesen ein. In Paris hatten zwei Tage zuvor IS-Terroristen im Musikklub Bataclan 90 Konzertbesucher niedergemetzelt. Für ihn kein Grund zur Trauer, im Gegenteil, C. zeigte seinen Schülern begeistert Bilder von den Leichen: "Die haben mit denen getanzt!" So berichtete es V-Mann "Murat" dem LKA.
Boban S. aus Dortmund war nicht weniger radikal. In einer Unterrichtseinheit propagierte der Chemieingenieur mit serbischen Wurzeln, den "Ungläubigen" mit dem Schwert den Kopf abzuschlagen. Er hielt das offenbar für human: Das verursache am wenigsten Schmerzen. Die Jugendlichen in seinen Seminaren seien wie Gold, schwärmte er dem V-Mann vor, man könne sie noch biegen, wie man wolle.
Mit seinen Schülern veranstaltete er angeblich sogar Trainingsmärsche als Vorbereitung für das IS-Kampfgebiet. Kurz vor Weihnachten stapften sie 16,2 Kilometer durchs Sauerland, mit einem 25-Kilo-Rucksack. Auch der spätere Berlin-Attentäter Anis Amri soll bei dem Marsch durch den Wald mit dabei gewesen sein, er schlief damals in der Dortmunder Wohnzimmer-Moschee, bevor er nach Berlin umsiedelte und vom Radar der Behörden verschwand.

Polizisten vor dem Wohnhaus in Hildesheim, in dem Abu Waala verhaftet wurde
Foto: Alexander Koerner/ Getty ImagesBoban S. und Hasan C., deren Anwälte sich nicht zu den Vorwürfen äußern, waren maßgebliche Figuren im Netzwerk der Radikalisierer, sie stehen nun in Celle ebenfalls vor Gericht. In der Hierarchie ganz oben jedoch stand nach Überzeugung des Generalbundesanwalts der "Prediger ohne Gesicht" aus den Internetvideos. Die Ermittler fanden eine handgefertigte Skizze, mit "Abu Walaa" auf der höchsten Ebene.
Im Sommer 2015 fuhr V-Mann "Murat" zum ersten Mal mit seinem Toyota nach Hildesheim, zur Moschee in der Martin-Luther-Straße. Auf dem Boden lagen Schlafsäcke und Luftmatratzen, mehrere der jungen Islamisten hatten dort übernachtet. Er betrat eine abgekapselte Welt. Es gab einen Friseur, der den jungen Männern die Haare schnitt, einen Fitnessraum im Keller, einen kleinen Shop. Und ein eigenes Büro für den "Scheich", Abu Walaa.
Die Seminare in der Moschee dauerten bis zu zehn Tage. Die Fenster sollten dabei streng geschlossen bleiben, zur Abschottung von der Außenwelt. Abu Walaa hielt seine Predigten oder das, was er darunter verstand: Politiker wie Merkel seien Lügner, wetterte er, man müsse sich gegen das System stellen. Sich dem Grundgesetz zu unterwerfen sei Sünde, Allahs Regeln seien die einzigen, an die man sich zu halten habe. "Ungläubige" gehörten nicht bekehrt - sondern bekämpft.
In der Moscheegemeinde herrschte Paranoia, überall witterten sie Spitzel und Verräter. Klartext geredet wurde oft nur im Keller. Die Handys blieben oben.
V-Mann "Murat" bekam mit, wie einer der Jungradikalen davon schwadronierte, Polizisten umzubringen. Man könne aber auch einen Lastwagen mit einer Bombe beladen und in eine Menschenmenge rasen. Ein anderer Islamist aus der Hildesheimer Moschee sprach im Keller von einem "großen Bums", der geplant sei, mit Schnellfeuergewehren, ähnlich wie in Paris: "Buff, buff, buff." War das ernst gemeint? Oder nur großspuriges Gerede?
Die Ermittlungsbehörden waren elektrisiert, doch V-Mann "Murat" fand keine Belege, dass jemand den Männern tatsächlich Waffen liefert. Dafür entdeckte er, dass die Moschee Gläubigen offenbar direkte Wege in den Krieg eröffnete.
Bei einem Besuch in Hildesheim ging "Murat" nach dem Nachtgebet mit zwei jungen Männern zu Abu Walaa. Ob es um etwas Heikles gehe, wollte der Prediger wissen. Ja, antworteten sie. Da schob Abu Walaa sein Handy über den Teppichboden in die Ecke des Raums und forderte die anderen auf, dasselbe zu tun.
Die Islamisten fragten, ob Abu Walaa ihnen helfen könne, zum IS zu gelangen. Das könne er, soll er geantwortet haben: "Wenn es für Allah ist, dann kann euch kein Ungläubiger aufhalten." Für die Details habe er einen "Spezialisten", soll der Prediger gesagt haben, einen seiner engsten Vertrauten.
Tatsächlich registrierten die Behörden, dass nach Seminaren in der Moschee reihenweise junge Männer in den Irak und nach Syrien reisten. Mindestens 15 Männer aus Niedersachsen und neun weitere aus Nordrhein-Westfalen durchliefen nach ihren Erkenntnissen Abu Walaas Netzwerk und fuhren ins Kriegsgebiet.
Ein "Vorbereitungsplan", den die Behörden fanden, sollte sie offenbar für die Ausreise wappnen: "Fit halten, Schlafrhythmus aufbauen, letzten Monat mit der Familie verbringen, Abschiedsbilder machen, PC löschen".

Polizisten bei Einsatz in Hildesheim
Foto: Alexander Koerner/ Getty ImagesMehrere der Männer heuerten als Kämpfer beim IS an, darunter ehemalige Vorstandsmitglieder aus der Hildesheimer Moschee. Andere wurden zu Selbstmordattentätern. So wie die Zwillinge Mark und Kevin K. aus Castrop-Rauxel, ein Jurastudent und ein Berufssoldat.
Die beiden wurden nach Überzeugung der Ermittler zunächst von Abu Walaas Verbündeten im Ruhrgebiet indoktriniert und verbrachten dann einige Tage im Ramadan in der Hildesheimer Moschee. Kurz danach wurden sie vom "Islamischen Staat" als Kämpfer registriert und sprengten sich bei Selbstmordattentaten im Irak in die Luft, etwa 150 Menschen starben. Der IS feierte die blonden Brüder aus Deutschland wie Posterboys.
Die Ermittler hatten früh einen Verdacht, wie das Netzwerk von Abu Walaa funktionierte: Die Prediger Boban S. und Hasan C. legten die ideologischen Grundlagen, Abu Walaa verpasste ihnen in Hildesheim den Feinschliff und machte sie fertig für die Reise in den Dschihad. Eine Nordafrikanerin, deren Ehemann sich in Hildesheim radikalisierte und zum "Islamischen Staat" ausreiste, berichtete den Beamten: "Man sagt, dass Abu Walaa die Leute da runterschickt, während er hier gemütlich mit zwei Frauen sitzt."
Doch noch fehlten den Ermittlern die Belege für einen Haftbefehl. "Murat" und andere Informanten der Kriminalämter sammelten weiter. Sie schnappten Predigten auf, in denen Abu Walaa vom "Islamischen Staat" geschwärmt haben soll: "Dort sind unsere Brüder und unser Kalif."
Der Druck auf Abu Walaa stieg. Als die Polizei vor einem Gastauftritt in einer Moschee in Kassel die Besucher kontrollierte, rastete er aus. Er witterte einen Verräter. Falls jemand mit den "Ungläubigen" zusammenarbeite, müsse man handeln, soll er seinen Anhängern gesagt haben: "Schnappt ihn euch, und tötet ihn, auch wenn ihr dann ins Gefängnis gehen müsst."
Im Sommer 2016 entschieden sich die Ermittler zu einem riskanten Schritt. Sie ließen Abu Walaas Wohnungen durchsuchen, auch die Moschee in Hildesheim wurde auf den Kopf gestellt. Im Durchsuchungsbeschluss war als wichtigster Zeuge ein namenloser V-Mann aufgeführt. Im Netzwerk der Islamisten herrschte schon seit Monaten Panik vor Spitzeln, mehrmals geriet "Murat" in Verdacht.
Per Chat verbreitete Abu Walaa nun eine Botschaft gegen den "abtrünnigen Spion". Er beschrieb detailliert, wie "Murat" aussieht ("bisschen dick"), nannte Größe, Haarfarbe, geschätztes Alter und fügte hinzu: Allah möge diesen Abtrünnigen "vernichten". Im Internet bot ein Islamist "für jeden Stich 200 Euro".
Das womöglich entscheidende Puzzlestück gegen Abu Walaa bekamen die Ermittler wenige Wochen später. Ausgerechnet von einem seiner früheren Jünger.
Anil O., ein Medizinstudent aus Gelsenkirchen, kehrte desillusioniert aus dem Kriegsgebiet zurück und packte aus. Abu Walaa habe sich ihm in Deutschland als Organisator für Reisen in den Dschihad vorgestellt. Mithilfe von dessen Handlangern sei er über Belgiens Hauptstadt Brüssel und die Türkei zum "Islamischen Staat" geschleust worden.
Dort genieße Abu Walaa großes Ansehen, erzählte O. den erstaunten Ermittlern. Er sei einer der größten Gelehrten des "Kalifats", sei ihm von einem deutschen Kämpfer berichtet worden, und schon mehrmals selbst im Gebiet des IS gewesen. Abu Walaa habe Kontakte bis in die Führungsebene der Terrorgruppe, einer seiner Vertrauten aus Hildesheim arbeite für den berüchtigten Geheimdienst des IS.
O. ist nun der Kronzeuge der Anklage. Der Mann, der Abu Walaa viele Jahre hinter Gitter bringen kann. Aber seine Aussage ist eben auch die eines Ex-Dschihadisten, der sich durch seine Angaben wohl eine Haftstrafe erspart hat, er kam mit zwei Jahren auf Bewährung davon. Die Bundesanwaltschaft musste schon in anderen Fällen erfahren, dass nicht alles stimmen muss, was Rückkehrer aus dem Kriegsgebiet erzählen. Abu Walaas Bonner Rechtsanwalt Peter Krieger sagt: "Der Kronzeuge ist ein Hochstapler. Die Anklage beruht auf seinen Lügen."
Doch es gibt zahlreiche Indizien, dass Abu Walaa dem "Islamischen Staat" zumindest nahestand. Ein Foto auf seinem Smartphone zeigte einen seiner Söhne mit einem schwarzen Tuch um den Bauch, darauf das Logo des IS. Das Kind auf dem Bild ist keine drei Jahre alt.
IS-Kämpfer priesen Abu Walaa im Internet, er verteidigte die Gräueltaten der Terroristen. Auf einer Audioaufnahme, die sich auf seinem Handy fand, rechtfertigte Abu Walaa die Ermordung eines jordanischen Kampfpiloten, den der IS bei lebendigem Leib verbrannte. Selber schuld, befand Abu Walaa: "Der hat auf Muslime Bomben runtergeworfen."
Zwischenzeitlich dachten die Ermittler, Abu Walaa könnte sogar bei der Ermordung des Piloten anwesend gewesen sein. Aber die Vermutung ließ sich nicht erhärten. Zwar konnten die Beamten belegen, dass er in den letzten Jahren immer wieder in den Irak gereist ist. Was genau er dort machte, blieb unklar. Auf einem Foto trägt Abu Walaa Kalaschnikow und Funkgerät.
Ist er ein Kämpfer des "Islamischen Staates", wie die Bundesanwaltschaft glaubt, ein fest verankertes Mitglied der Terrorgruppe? Gar ihre Nummer eins in Deutschland? Oder nur ein "praktizierender gläubiger Salafist", wie er sich selbst mal bezeichnet hat?
Der Prozess gegen Abu Walaa und seine vier mutmaßlichen Komplizen wird aufwendig, über 70 Zeugen und Sachverständige könnten aussagen, Zehntausende Seiten Akten gilt es auszuwerten. Der Staatsschutzsenat am Celler Oberlandesgericht hat für die nächsten vier Monate 30 Prozesstage angesetzt, ab Februar sind bis auf Weiteres jede Woche zwei Tage reserviert.
Als Abu Walaa im vergangenen Herbst zum Haftrichter in Karlsruhe gebracht wurde, sagte er, dass nur Gott über ihn richten könne. Sicher, die deutschen Gesetze würden auch für ihn gelten, "aber das Wort Allahs ist nun mal höher". Alles andere sei ein großes Missverständnis.