Football Leaks Schmuddeliges Geld, schmutzige Methoden

Fußball ist zum Milliardenbusiness geworden. Das zieht zwielichtige Figuren an, die mit Geld aus fragwürdigen Quellen ins Geschäft drängen. So wie die Familie Arif mit ihrer Doyen-Gruppe. Die Geschichte eines atemberaubenden Aufstiegs.
Eine Familie mit besten Verbindungen: Doyen-Sports-Boss Arif Arif (2. v. r.) mit Vater Tevfik Arif (r.), Vertrauter Erdogan und Ex-Geschäftspartner Trump

Eine Familie mit besten Verbindungen: Doyen-Sports-Boss Arif Arif (2. v. r.) mit Vater Tevfik Arif (r.), Vertrauter Erdogan und Ex-Geschäftspartner Trump

Foto: Simon Prades / DER SPIEGEL

Du bist: der Neuling im Geschäft.

Er ist: der Präsident von Real Madrid.

Du willst ihm einen Spieler verkaufen.

Er bekommt vermutlich jeden Tag so ein Angebot.

Du bist einer von zu vielen.

Er ist der größte Vereinsboss auf Erden.

Was also ist dein Plan?

Der älteste Plan. Sex. Denn du bist: Doyen Sports, die skrupelloseste Sportfirma der Welt.

Und er ist: doch auch nur ein Mann.

Am 7. August 2013 spielt Real Madrid in Miami gegen den FC Chelsea. Es ist das Finale eines Sommerturniers, bei dem es in Wahrheit nicht um den Pokal geht, den irgendeine Brauerei gestiftet hat, sondern um die Antrittsprämie, die vorher schon feststeht. Ein paar Millionen.

Für Doyen Sports allerdings, den ehrgeizigen Newcomer im Menschenhandel mit Fußballspielern, soll es das Match des Jahres werden.

Ein Match, das nicht auf dem Rasen entschieden wird, sondern in einer Luxussuite in der Nacht vor dem Spiel.

Doyen hat ein Jahr vorher für kleines Geld Transferrechte an einem Spieler gekauft, der beim FC Sevilla kickt: Geoffrey Kondogbia. Wenn jetzt ein anderer Klub 20 Millionen Euro für ihn bietet, hat Sevilla praktisch keine Wahl. Dann müssen die Spanier ihn gehen lassen; dazu zwingt sie der Vertrag. Und Doyen kassiert mit, ein Supergeschäft für die Firma.

Also sucht Doyen dringend einen Verein, der bereit ist, für Kondogbia die 20 Millionen zu zahlen. Wann aber kommt eine bessere Gelegenheit als Real Madrid und sein Präsident Florentino Pérez, der sich womöglich bei einem Sommerkick in Florida langweilt? Dort, wo die Familie Arif, die hinter Doyen steht, eine 650-Quadratmeter-Residenz auf Fisher Island besitzt, der Privatinsel der Superreichen.

Am 6. August bekommt Doyen-Sports-Boss Arif Arif mehrere WhatsApp-Nachrichten auf sein Handy; der Absender: sein Sportchef Nélio Lucas. "Ich bin in Miami. Gestern war großartig. Ich habe ein paar Vereinspräsidenten ausgeführt, und sogar Florentino kam mit. Sehr lustig. Er hat seinen Schlips abgelegt und getanzt." Sie seien zusammen in die Mokai Lounge gegangen. Der Klub in Miami Beach ist bekannt für aufreizende Girls, deren Dienstkleidung eher nach Geschenkverpackung aussieht, zum Aufreißen.

Nun soll es am nächsten Tag weitergehen, im Appartement auf Fisher Island: "Ich will ein paar Mädchen herbringen lassen", schreibt Lucas, "für uns", für "Florentino". Ob man einer Frau namens "Violet" vertrauen könne; die solle die Callgirls beschaffen. - Arif Arif: "Hab sie nie getroffen, Bruder. Mach, was du machen musst." Aber Lucas solle doch bitte vorher die Fotos von den Wänden abhängen und den Raum von Arifs Vater abschließen. Lucas widerspricht: "Ich werde den Raum Florentino geben!!" - Arif Arif: "Für 20 Millionen Euro. Für Kondogbia." - Lucas: "Das ist der Grund, warum wir uns um ihn kümmern müssen."

Am nächsten Abend meldet Lucas lapidar: "Habe letzte Nacht Florentino mit ins Haus genommen. Wahrscheinlich heute noch mal." Allerdings ohne den Erfolg, den sich Doyen erhofft: "Real zahlt nur 15", meldet Lucas enttäuscht, nicht 20 Millionen. 15 Millionen reichen nicht, um Sevilla zum Verkauf zu zwingen. Also muss Lucas weitersuchen: "Ich schneid mir die Eier ab, um einen zu finden, der die Klausel für Kondogbia bezahlt."

Drei Wochen später wird es nicht Real, sondern der AS Monaco sein. So macht Doyen mit dem Spieler einen Gewinn, wie es ihn sonst fast nur noch im Drogenhandel gibt: 524 Prozent in 13 Monaten. Und auch das Kennenlernen von Real-Präsident Pérez hat sich für die Firma offenbar gelohnt. Wenn auch in anderer Hinsicht. Über Real Madrid prahlt Sportchef Lucas nämlich kurz danach: "Meine Verbindung dorthin ist stärker als Titan."

Real-Präsident Pérez

Real-Präsident Pérez

Foto: © Andrea Comas / Reuters/ REUTERS

Und Pérez selbst? Der sagt zu der angeblichen Sexparty in Miami Beach, er habe sich an diesem Abend mit keinem getroffen; er sei zwar in diesen Tagen in einer Disco gewesen, vermutlich in der Mokai Lounge, vielleicht habe auch einer der vielen Hundert Gäste mit dem Handy Fotos von ihm gemacht. Mehr sei aber nicht gewesen, kein weiteres Treffen, keine Party. Real sei sowieso nie an Kondogbia interessiert gewesen, keiner habe auch nur versucht, ihm Kondogbia anzubieten. Und mit Doyen habe der Verein, soweit er wisse, nie zusammengearbeitet.

Dass Baumogul Pérez, der auch über den deutschen Hochtief-Konzern herrscht, tatsächlich auf eine Einladung von Lucas oder gar auf amouröse Angebote eingegangen wäre, dafür gibt es über den Chat zwischen Arif und Lucas hinaus tatsächlich keinen Beleg und auch keinen Hinweis. Wer weiß, vielleicht wollte sich Sportchef Lucas vor seinem Boss in der Heimat nur aufplustern. Aber schon bemerkenswert - auf der Website der Firma preist Pérez den Sportvermarkter: "Wir müssen ihre Professionalität hervorheben. Unsere Erfahrungen mit ihnen... sind makellos." Das Zitat, so Perez, könne er sich auch nicht erklären; jedenfalls könne er sich an solche Sätze nicht erinnern.

Schmutzige Pläne, schmutziger Fußball: Vor zwei Wochen haben der SPIEGEL und seine Partner im Netzwerk European Investigative Collaborations (EIC) damit begonnen, die Geheimnisse des internationalen Fußballgeschäfts zu lüften. Seitdem haben Geschichten über aberwitzig hoch bezahlte Stars, die ihre Millionen am Fiskus vorbeischleusen wollen, die Fußballszene durchgeschüttelt. Andere über die Methoden der Spielerberater und bizarre Geldklauseln in Bundesligaverträgen haben ein Schlaglicht auf die Sitten einer Branche geworfen, in der Geld alles ist und die Liebe zum Verein nur noch eine Illusion.

Darum geht es bei Football Leaks

Die Enthüllungsplattform Football Leaks sammelt vertrauliche Daten und E-Mails zu den Geldflüssen im Fußball. So deckt sie illegale Zahlungen an Spielerberater und Investoren ebenso auf wie die Versuche, Millionen an der Steuer vorbeizuschmuggeln dank Offshore-Geschäften. Football Leaks schweigt zu seinen Quellen, hat die Dokumente allerdings dem SPIEGEL und anderen Medien im Verbund der European Investigative Collaboration zur Verfügung gestellt. Mit einem Umfang von 1,9 Terabyte handelt es sich um den bisher größten Datensatz im Sport.

Nun zeigt der Fall Doyen, wie Geld aus trüben Quellen in den Fußball dringt - und mit dem Geld auch eine Geschäftsphilosophie, wie man sie eher aus Mafiafilmen kennt. Doyen, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, verdient mit den ganz großen Namen: Die Firma vermarktet Neymar, einen der weltweit teuersten Fußballstars, dazu den bestbezahlten Exprofi, David Beckham, längst universale Werbeikone. Auch der schnellste Mann der Welt, Usain Bolt, gehört zu den Doyen-Kunden, und Boris Becker ist der bekannteste Deutsche, der sich über Doyen Werbeverträge beschaffen ließ.

Doyen-Kunde Neymar

Doyen-Kunde Neymar

Foto: LLUIS GENE/ AFP

Doyen hatte nicht nur den 20-Millionen-Mann Kondogbia unter Vertrag, der inzwischen französischer Nationalspieler ist, sondern auch den 30-Millionen-Mann Eliaquim Mangala, heute Valencia, den 40-Millionen-Mann Radamel Falcao, heute Monaco. Und gleich sieben Spieler des niederländischen Erstligisten FC Twente, der seine diskreten Geschäfte mit Doyen beinahe mit dem Zwangsabstieg bezahlt hätte. In Deutschland überlegte der Hamburger Sport-Verein, immer auf der Suche nach Geld für seinen so überfüllten wie überforderten Kader, sich mit Doyen einzulassen. "Wir sind auf dem Sprung, eine Partnerschaftsvereinbarung mit Hamburg abzuschließen", schrieb Arif Arif im Juli 2015 einem Geschäftsfreund.

Mithilfe der Enthüllungsplattform Football Leaks lässt sich nun zeigen, wer hinter Doyen steht - und was hinter dem steilen Aufstieg der Firma steckt. Ans Licht kommt der Schmutz hinter der blank gewienerten Fassade: Lügen. Eine geheime Kasse. Knebelartige Verträge, die Vereine dazu zwangen, Spieler zu verkaufen. Briefkastenfirmen, hinter denen sich die Doyen-Eigentümerfamilie bis heute verbirgt.

Etwa, damit niemand erfährt, woher sie ihr Geld hat? Denn aus den Papieren geht auch hervor, wie verfilzt der Arif-Clan mit den bekanntesten Oligarchen in Kasachstan ist. Wie vertraut mit der Familie des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan. Wie die Arifs mit Donald Trump dubiose Geschäfte in den USA aufzogen, auch mithilfe von Figuren, denen beste Verbindungen zur Russenmafia nachgesagt wurden.

Die Firma mit ihrer Zentrale in London wird damit zur Chiffre für die Fußballbranche: Die Oberfläche ist eine schöne Lüge, die düstere Wahrheit steckt tiefer, in den Zahlen, den Klauseln, den Absprachen.

Doyen, das ist heute Fußball. Fußball, das ist Doyen.

Raubtiere

Am 25. Mai 2013 geht es im Londoner Wembley-Stadion um die Macht im deutschen Fußball: Dortmund gegen Bayern, das "German Endspiel" in der Champions League. So gespannt die Fans, so angespannt sind sie in einem Bürohaus im exklusiven Viertel StJames's. Hier, im siebten Stock an der Charles II Street, sitzt Doyen Sports Investments. Und Arif Arif, gerade 27, der Junior, der die Firma seit zwei Jahren mit dem Geld der Familie hochzieht, zählt lieber noch mal durch: Wen muss er alles in seiner VIP-Loge im Stadion unterbringen? Klar: einen Platz für sich, einen für seinen Sportchef Nélio Lucas. Ein paar Doyen-Manager hat er auf der Liste. Einen Spielerberater. Auch den Deutschen Peter Lürßen darf er nicht vergessen, der auf seiner Werft in Bremen die größten Luxusjachten baut. Kann nicht schaden, wenn man einen kennt, der die reichsten Männer der Welt kennt.

Aber die wahren VIPs auf der Einladungsliste sind andere. Sie sind nicht nur sehr wichtige, sie sind die überlebenswichtigen Personen für Doyen Sports: Arifs Vater, Tevfik Arif, und dessen alte Kumpel, der Sascha und der Alik. Denn Sascha heißt mit vollem Namen Alexander Maschkewitsch, und Alik ist besser bekannt als Alidschan Ibragimow.

Oligarchen Maschkewitsch, Schodijew

Oligarchen Maschkewitsch, Schodijew

Foto: Benoit Decout / REA / laif

Zusammen sind sie zwei Drittel des legendären "Kasachen-Trios": drei Oligarchen, die mit ihrem Konzern ENRC eine besonders lukrative Form der Rohstoffveredelung betreiben. Schon seit Jahrzehnten dürfen sie die schier unendlichen Bodenschätze Kasachstans in Milliarden auf ihren Privatkonten veredeln - um sich damit alles zu kaufen, was ein Oligarch seinem Ruf als ordentlicher Verschwender schuldig ist: Maschkewitsch zum Beispiel hat einen Rolls-Royce Phantom V, zwei Bentleys, einen Ferrari, einen Lamborghini; sechs Mercedes laufen nebenher so mit. Beeindruckend auch, wie er mal beim Shoppen in Frankreich in zwei Tagen 2,1 Millionen Euro für Juwelen, Uhren und Haute Couture verprasste.

In einer streng geführten Kleptokratie wie Kasachstan, in der die Familie des Diktators Nursultan Nasarbajew selbst auf unerfindliche Weise Milliarden angehäuft hat, ist so eine Oligarchenkarriere allerdings ohne Deckung von oben kaum möglich. US-Diplomaten sortieren Maschkewitsch als engen Freund des seit 1990 durchregierenden Kasachenherrschers ein. Und zu den Günstlingen dieses Günstlings gehört wiederum: die Arif-Familie.

"Er hilft Paps, sein Kerngeschäft zu behalten", schreibt Ayla, die Schwester von Arif Arif, in einem Chat über Maschkewitsch. Ja, er sei "dabei ein großer Freund", antwortet ihr Bruder. Es ist das Rohstoffgeschäft der Arifs in Kasachstan, das "Kerngeschäft", an dem alles hängt, auch das Schicksal der jungen Sportfirma in London. So führt die Einladungsliste für das Champions-League-Finale zu den dunklen Ursprüngen eines Familienimperiums, das nun auch den Fußball beherrschen will.

Tevfik, der Ältere, Refik, der Jüngere - zwei Brüder saßen Ende der Achtzigerjahre genau da, wo man sitzen musste, um beim Sprung aus dem Kommunismus in den Raubtierkapitalismus der Wendezeit auf der richtigen Seite zu landen. Bei denen nämlich, die sich greifen, was kein Sowjetstaat mehr als Eigentum des Volkes schützte. Die Familie lebte in Kasachstan, dort arbeitete Tevfik schon seit den Siebzigern im Handelsministerium, als Abteilungsleiter für die Hotelsparte.

Kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion gab er den Posten auf und machte sich selbstständig. Dafür saß sein Bruder Refik ab 1991 im kasachischen Industrie- und Handelsministerium an einer Schlüsselstelle: Er war der erste Kontaktmann für Ausländer, die ins Geschäft mit Phosphor und Eisenlegierungen einsteigen wollten.

Es ist nicht klar, wie die Arifs danach ihr Vermögen machten. Sicher ist, dass Tevfik für die Reuben-Brüder arbeitete, David und Simon. Zwei gebürtige Inder, die bis Mitte der Neunzigerjahre die staatliche Aluminiumindustrie an sich gerissen hatten. Ihr Konzern galt als das Raubtier des Kapitalismus schlechthin: riesige Gewinne, rücksichtslose Methoden, Minilöhne, verseuchte Landschaften. Und Tevfik Arif mittendrin, ihr "agent on the ground", wie sein Sohn Arif Arif das später nennen wird.

Was folgte, war der "Aluminiumkrieg", ein Revierkampf, bei dem die Reubens am Ende ihr Reich verloren und einige Manager mit durchgeschnittener Kehle oder von Schüssen durchsiebt ihr Leben. Möglich, dass Tevfik Arif deshalb aus Kasachstan verschwand und in die Türkei ging. "Als die Verflechtung des Geschäfts mit der organisierten Kriminalität begann (unvermeidlich in jenen Tagen), brach er alle Zelte ab", schrieb der junge Arif Arif dazu im März 2014.

Tevfiks Bruder Refik aber blieb und hatte offenbar auf Sieger gesetzt, das Kasachen-Trio: Maschkewitsch, Ibragimow und den Dritten, Patoch Schodijew. Die Arif-Familie ging mit einer schönen Rendite aus den Wirren heraus. Jedenfalls kontrolliert sie seit Mitte der Neunzigerjahre in Kasachstan die ACCP, eine der weltweit größten Fabriken für Chemikalien auf Chrombasis. Wer den Arifs das Geld dafür gab? Für jenes Kerngeschäft, in dem "Sascha" Maschkewitsch auch 2013 noch ein so guter "Freund" war, wie der junge Arif schrieb? Möglicherweise eben das Oligarchentrio. Ihrem Konzern gehört zufällig eine der größten Minen für Chromerz. Ohne Erz würde die Fabrik der Arifs stillstehen.

Skandale, Skandale

ACCP ist eine Gelddruckmaschine. Zwischen 2004 und 2014 machte die Familie nach internen Aufstellungen fast 400 Millionen Dollar Gewinn mit dem Verkauf von Chromchemikalien. Das ist die Kriegskasse, die Refik Arif beherrscht. Doch nicht nur Refik, auch sein Bruder Tevfik verdient Millionen für die Familie: Nach seiner Flucht 1993 in die Türkei baute er die Rixos-Kette auf - Ferienhotels der Fünf-Sterne-Liga. Außerdem stieg er in eine der größten türkischen Baufirmen ein, Sembol. Auffällig oft bekam sie Staatsaufträge in Kasachstan, etwa für die Universität von Astana, die natürlich nach Diktator Nasarbajew benannt ist. Oder für die "Pyramide", ein Veranstaltungszentrum, das der Autokrat persönlich bestellte.

Um die Jahrtausendwende emigrierte und expandierte Tevfik Arif in die USA, gründete die Immobilienfirma Bayrock und zog in New York mit einem der bekanntesten, gerissensten und umstrittensten Immobilientycoons einen Hotel- und Apartmentkomplex hoch: mit Donald Trump, dem künftigen US-Präsidenten.

Doch was Tevfik Arif auch anfasste, es klebte meistens ein Verdacht daran, und manchmal auch mehr als das, ein Skandal. Geldgeber fühlten sich getäuscht; es gab Verbindungen zu einem Anlagebetrüger. Und sehr junge "Models" aus Russland und der Ukraine auf Sugar-Daddy-Sause mit Arif und Freunden - das ganze Programm für einen schlechten Ruf. Arif bestritt stets, was man ihm vorwarf; strafrechtlich blieb auch nie etwas haften. Aber in der Türkei war er wochenlang in den Schlagzeilen, nachdem ein Polizeikommando ihn und das komplette Kasachen-Trio an Bord einer Luxusjacht mit den Models aufgegriffen hatte.

Und das ist er nun also, der Clan, der 2011 ein neues Geschäft erobern will. Fußball. Einen Markt, den Experten allein in Europa auf 20 Milliarden Euro Jahresumsatz schätzen. In dem die Preise hochschießen wie Öl aus einer frisch angebohrten Quelle. Ein neuer Markt für Raubtiere.

Refik gibt dafür das Geld, knapp 75 Millionen Euro von 2011 bis 2015; zusammen mit Tevfik hat er das letzte Wort, was damit passiert. Der Mann aber, dem sie das neue Business anvertrauen, heißt Arif Arif, Tevfiks Sohn. Im Sport soll er offenbar zeigen, was er kann und ob er das Zeug dazu hat, später mal das Familiengeschäft zu leiten. Das, was wirklich zählt: die Chemiefabrik, die Immobiliendeals, das Baugewerbe. Arif Arif wird sich als würdig erweisen; seine Methoden sind die Methoden der Familie: schmutzig und erfolgreich.

"Wir werden Milliardäre werden"

Als Arif Arif 2011 in den Fußball einsteigt, hat er davon kaum Ahnung und mit Lucas einen Sportchef, der in der Branche so gut wie erledigt ist. Lucas überwirft sich nämlich mit seinem Ziehvater, Pini Zahavi, einer Legende unter den Spielerberatern. Zahavi fühlt sich von Lucas hintergangen. "Du hast den Fehler deines Lebens gemacht", droht Zahavi, "ich will mit dir nichts mehr zu tun haben, und du wirst nicht in der Lage sein, noch irgendetwas zu tun."

Doyen-Sportchef Lucas

Doyen-Sportchef Lucas

Foto: Stephane LAGOUTTE / Challenges-REA / laif

Aber da irrt sich Zahavi; Lucas wird in nur vier Jahren zu den Stars der Branche aufsteigen und mit ihm Doyen Sports, die neu gegründete Sport-Investmentfirma der Arifs.

Arif Arif ist 27, Nélio Lucas 34, zwei große Jungs, immer auf der Borderline zwischen Vision und Größenwahn. "Was für ein Geschäft wir erschaffen!!! Geld, Geld!!!", jubelt Nélio, und Arif: "Stell dir uns in zehn Jahren vor: Inshallah, Könige", und wieder Nélio: "Vergiss nicht unseren Leitsatz: Gemeinsam für immer. Wir werden siegen und Milliardäre werden." Zehn Jahre geben sie sich dafür, drei Jahre, bis ihre Doyen-Gruppe in den schwarzen Zahlen sein soll.

Ihre Sprache ist Gangsta-Rap, ihr Lebensstil Playboy, ihr Selbstbewusstsein Boxweltmeister. Die neue Wohnung, die er sich angeschaut habe, sei "maßgeschneidert für Orgien", prahlt Arif; "Oh yes", schreibt Nélio zurück. Drei Ausrufezeichen. Für Halloween überlegt sich Nélio, ob er als Napoleon, Papst oder Sonnenkönig gehen soll; Arif Arif: "Für mich den Diktator."

Wenn Arif Arif nicht in London ist, dann ist er oft bei Partys auf Ibiza oder in Südfrankreich. Seine Schwester macht sich Sorgen. Er solle seine Zeit nicht in Klubs verplempern und lieber seine ganze Energie ins Geschäft stecken. Aber Arif Arif beruhigt sie: "Das Geschäft läuft gut... Ich weiß, was ich tue."

Die Doyen-Gruppe ist ein großer Gemischtwarenladen. Neben dem Sport gibt es auch eine Doyen Capital für den Rohstoffhandel, mit Arif Arif an der Spitze. Oder eine Doyen Natural Resources, beteiligt an einer Erzmine in Brasilien. Arif Arif fädelt hier Geschäfte mit Jamie Reuben ein, dem Sohn von David Reuben, oder mit Wladimir Semzov, Immobilienmogul mit belgischem Pass. Väterchens alte Freund- und Seilschaften?

Selbst im Sport laufen zwei Doyen-Firmen nebeneinander: die Doyen Marketing - sie besorgt Stars wie David Beckham, Neymar oder Boris Becker gegen eine Provision Werbeaufträge. Das Kerngeschäft aber liegt bei Doyen Sports Investments, faktisch geführt von Arif Arif, obwohl er offiziell gar nichts damit zu tun hat. Das ist die Sparte, die Sportwetten auf Zweibeiner macht, auf Fußballspieler und ihre künftigen Ablösesummen.

Doyen Sports kauft dazu Transferrechte von Talenten ein, spekuliert darauf, dass die Spieler möglichst schnell im Wert steigen - und versilbert den Anteil beim Verkauf an den nächsten Verein. So wie bei dem Franzosen Kondogbia. "Third-Party Ownership" nennt sich das Modell, das aus Südamerika nach Europa herüberschwappt, sich in Spanien und Portugal durchsetzt und noch bis Mai 2015 in den meisten europäischen Ligen erlaubt ist.

Spieler Kondogbia

Spieler Kondogbia

Foto: GLYN KIRK/ AFP

Der Geldgeber Doyen - neben dem Verein und dem Spieler die "dritte Partei" in solchen Geschäften - stilisiert sich dabei gern als Retter des Fußballs. Man helfe doch nur den kleinen Vereinen, die sich allein, ohne die Finanzkraft von Doyen, kein Toptalent mehr leisten könnten. Gerade Klubs mit viel Tradition, aber wenig Geld könnten mithilfe von Doyen die Lücke zu den reichen Vereinen verkleinern.

Tatsächlich wird die Schere zwischen den Top-Ten-Teams in Europa und dem Rest Jahr für Jahr größer. Geld schießt Tore - in Deutschland für Bayern, in Spanien für Madrid und Barcelona, in Frankreich für Paris Saint-Germain; in ihren Ligen sind diese Klubs kaum noch zu schlagen. Doch was Doyen den abgehängten Teams anbietet, ist nur die Chance, die auch der Kredithai einem armen Schlucker gibt, der bei der Bank keinen Cent mehr bekommt. Entsprechend hoch sind die Zinsen, und Doyen verliert so gut wie nie bei dieser Wette. Dafür sorgen die Würgeklauseln in den Verträgen, die Doyen-Vereine wie Twente Enschede oder Atlético Madrid eingehen müssen.

"Der Nigger macht Geld für uns"

Doyens erster Kauf im August 2011 ist Abdelaziz Barrada, ein Marokkaner, der beim Madrider Vorortklub Getafe spielt. 1,5 Millionen Euro zahlt Doyen an Getafe für 60Prozent von Barrada. Keine zwei Jahre später wechselt der Spieler zu Al-Jazira in die Vereinigten Arabischen Emirate. Die vereinbarte Ablösesumme: 8,5 Millionen Euro. Macht nach Abzug von ein paar Nebenkosten 3,35 Millionen Gewinn für Doyen; umgerechnet 223 Prozent, so steht das zumindest in den Datenblättern von Doyen. "Nicht schlecht", schreibt Lucas an Arif Arif, aber er ist unzufrieden. "Wir konnten ihn nicht mehr kontrollieren. Sein Gehalt war 450.000 Euro netto, und sie zahlen ihm nun 3 Millionen Dollar netto" - "sie", das ist der Verein Al-Jazira, zu dem Barrada unbedingt wechseln wollte. Lucas hätte dagegen lieber noch mit dem Verkauf gewartet: "Wenn der Spieler auf mich gehört hätte, hätte ich mehr bekommen", klagt Lucas und schickt noch ein wüstes Schimpfwort hinterher.

Spieler und Vereine sollen gefälligst tun, was Doyen von ihnen will. Die Kicker sind Spielmaterial, Jetons im großen Fußballkasino. Am Ende geht es nicht darum, was für sie das Beste ist, sondern für Doyen.

Beispiel Kondogbia, jener Franzose, der nicht bei Real Madrid landet, dem größten Klub der Welt, sondern nur in Monaco. Nélio Lucas an Arif Arif: "Großartiger Deal für uns." Arif Arif: "Glückwunsch, Bruder... Hoffentlich haben wir nicht seine Karriere ruiniert... Mein Herz ist gebrochen." - Nélio: "Guck aufs Bankkonto in den nächsten Tagen, und du wirst anders fühlen." - Arif Arif: "Ich weiß, Bruder, aber ich habe mir diesen Jungen immer als Superstar bei einem großen Klub vorgestellt." An einen Freund schreibt Arif Arif: "Ich wollte, dass der Junge zu einem ordentlichen Team geht. Aber das hier ist als reines Finanzspiel zu Ende gegangen."

Andere Spieler sind reine Geschäftsmasse, Gefühle nicht vorgesehen, und so abgebrüht klingt das dann auch. Als ein Doyen-Star bei einem Spiel mit seiner Nationalelf brilliert, jubelt Arif Arif: Die "bitch. Der Nigger macht Geld für uns". Bitch, Nigger, fuck: So reden sie nun mal, Lucas und Arif. Hauptsache, krass, cool, kingsize.

Lucas und der junge Arif schreiben einander Nachrichten, als gehörte ihnen die Welt; umso härter die Abstürze, wenn sie daran erinnert werden, dass die Welt immer noch Papa Tevfik und Onkel Refik gehört. "Ich werde jeden Tag gefickt", jammert Arif junior im Juli 2013 über die Alten.

Der Onkel kontrolliere die Geldseite, er selbst das ganze Management, so weit, so gut. Doch in den Augen der Alten zähle er erst etwas, wenn er seinem Vater und seinem Onkel ihr eingesetztes Kapital zurückgegeben habe. So lange "hängen alle unsere Jobs davon ab, dass ich die Beziehung zu meinem Vater und meinem Onkel manage". Einmal hat es Sportchef Lucas so satt, dass er seinem Kumpel Arif rät, alles hinter sich zu lassen. Arif Arif: "Kann ich nicht, Bruder, ich hänge fest; der einzige Weg ist, mich da rauszuschneiden, aber das Messer dafür ist eine Million Meilen entfernt."

Also bleibt ihnen nur, das Geschäft für die alten Arifs immer größer und profitabler zu machen, mit allen Mitteln. Lügen gehen ihnen genauso locker von der Hand wie Schmutzwörter. "Diese Schwanzlutscher wollen TPO dauerhaft verbieten", schimpft Arif Arif, als die Fifa sich mit dem Gedanken anfreundet, solche Beteiligungsmodelle zu ächten. Dagegen wehrt sich Doyen in Imagebroschüren, stellt sich als Hüter eines blitzsauberen TPO-Modells dar: Niemals rede Doyen den Klubs in ihre Entscheidungen hinein, nie zwinge Doyen sie, einen Spieler zu verkaufen. Die Wirklichkeit sieht aber offenbar ganz anders aus. Ein typischer Doyen-Vertrag mit einem Verein enthält Klauseln, die nah am Rand der Nötigung sind. Klauseln wie im Fall des Holländers Ola John, den Benfica Lissabon 2012 geholt hat.

Bei Ola John kaufte Doyen die Hälfte der Transferrechte ein, für 4,575 Millionen Euro. Der Deal: Egal was passiert, Doyen geht immer mit 6 Millionen aus dem Geschäft heraus. Mindestens.

"Immer" heißt dabei: Wenn Benfica den Spieler verkauft, aber weniger als 12 Millionen einnimmt, bekommt Doyen trotzdem 6 Millionen vom Verein. Bringt er mehr als 12 Millionen, kassiert Doyen 6Millionen plus 50 Prozent vom Rest. Wenn der Spieler nach drei Jahren noch nicht verkauft ist - kassiert Doyen von Benfica 6 Millionen. Wenn der Spieler Sportinvalide wird: 6 Millionen für Doyen. Wenn Benfica den Spielervertrag auslaufen lässt und deshalb am Ende keine Ablöse mehr kassiert: 6 Millionen. Wenn ein anderer Klub 20 Millionen bietet, Benfica aber nicht verkaufen will - zahlt Benfica trotzdem an Doyen, und zwar die Hälfte, 10Millionen. Nach einem Klub, der die nötigen 20 Millionen bietet, darf Doyen selbst suchen. Und so weiter.

Spätestens nach drei Jahren macht Doyen rund 25 Prozent Gewinn, mindestens. Wenn Doyen das Geld einfordert, bleibt klammen Vereinen meist nichts anderes übrig, als den Spieler zu verkaufen. Wenn er sich denn noch verkaufen lässt. Seit 2014 hat Benfica den Spieler dreimal verliehen - unter anderem an den Hamburger SV -, vermutlich um ihn loszuwerden, sein aktueller Marktwert liegt nur noch bei 5 Millionen. Sollte Doyen nach drei Jahren bei Benfica trotzdem die 6-Millionen-Klausel gezogen haben, dürfte der Klub draufgezahlt haben.

Dieser Vertrag ist kein Einzelfall, sondern offenbar ein Standardpapier bei Doyen: Im Kontrakt für den Franzosen Josuha Guilavogui, der heute in der Bundesliga beim VfL Wolfsburg kickt, gab es ähnliche Klauseln. 2013 spielte er bei Atlético Madrid, einem Verein, der mehrfach mit Doyen ins Geschäft gekommen ist; 30 Prozent Gewinn in drei Jahren waren Doyen hier garantiert.

Die Geschichte vom fairen TPO-Partner ist nur die eine Legende. Die noch größere Lüge ist die, dass es bei Doyen keine undurchsichtigen Finanzstrukturen gebe. Die Firma sei voll registriert und werde von Wirtschaftsprüfern durchleuchtet, hieß es in einer Präsentation, mit der sich Doyen von schmutzigen TPO-Investoren abheben wollte. Ausgerechnet Doyen. Die ganze Gruppe ist eine Verschachtelung von Offshore-Firmen, mal auf Malta, mal auf den British Virgin Islands, mal in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Briefkastenfirmen werden gegründet, wieder aufgelöst, von den nächsten abgelöst, ein Kommen und Gehen, ein ständiger Reigen. Den Sinn der Postkasten-Inflation verrät Sportchef Nélio Lucas 2013 gewohnt unverblümt in einer Nachricht an Arif Arif: "Wir müssen eine Struktur aufbauen, um uns und die Firma zu schützen, damit keiner irgendetwas über uns herausfindet."

Mit "keiner" könnte auch das Finanzamt gemeint gewesen sein. Von manchen Geldströmen im Doyen-Reich sollte etwa der britische Fiskus wohl nichts wissen, wie die Football-Leaks-Papiere nahelegen. Nichts aber lässt in Arif junior so die nackte Panik aufsteigen wie die Sorge, die alten Freunde in Kasachstan könnten herausfinden, wer hinter Doyen Sports steckt: auch Papa Tevfik nämlich, Spitzname Skip.

Im Juli 2013 berichtet der Wirtschaftsdienst Bloomberg aber genau das, und die Arifs sind kurz davor, die Firma von einem Tag auf den anderen dichtzumachen. Nur damit keiner noch mal nachfragt. "Die Kasachen geben einen Scheiß auf mich oder Skip. Wenn sie herausfinden, dass er dahintersteht, werden sie unser Familiengeschäft in Kasachstan verfolgen, und dann ist alles vorbei", ahnt der junge Arif.

Offenbar gab es nach dem Skandal auf der türkischen Luxusjacht eine klare Botschaft an Tevfik Arif, sich aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Von seinen Freunden, dem mächtigen Kasachen-Trio? Wie aus den Chats des jungen Arif hervorgeht, hatte das Trio seinen Vater fallen gelassen. Oligarch Maschkewitsch wollte demnach erst mal nichts mehr mit ihm zu tun haben: "Er hat Vater die ganze Schuld gegeben, um seinen eigenen Arsch zu decken." Nun hatte sich alles wieder eingerenkt, man ging in London zusammen ins Stadion und auf Sardinien ins Restaurant. Doch wenn sein Vater noch mal ins Rampenlicht rücke, sei alles aus, fürchtete Arif junior.

Nélio Lucas hielt das für Paranoia, aber Arif Arif klärte ihn auf, wie das läuft, dort, wo die Familie herkam. Leute wie Nélio hätten doch immer nur in der zivilisierten Welt gearbeitet, nie in Kasachstan oder der Türkei, schreibt Arif Arif. "Sie werden uns ruinieren. Werden unser Geschäft und unsere hochrangigen Beziehungen aufdecken, und dann ist alles vorbei." Die Marke Doyen sei erledigt, man müsse die übrigen Geschäfte auf Abstand dazu bringen.

So weit kommt es zwar nicht, aber von nun an verschwinden die alten Arifs ganz hinter den Fassaden von Briefkastenfirmen, aus denen nur noch Strohmänner herausschauen. Transparenz? Keine mehr. Was für die Arifs auch gut so ist, denn ab 2013 werden die Geschäfte noch schmuddeliger. Mit einer geheimen Kasse.

Sie steht in Ras al-Chaima, einem Emirat am Persischen Golf, von dem kaum einer weiß, dass es überhaupt existiert. Genau das schätzen Anleger, die dort Geld verstecken wollen. Der Offshore-Berater von Lucas managt eine Briefkastenfirma namens Denos. Gefüttert wird die Klitsche vor allem aus den Sportumsätzen. Meist gehen bei einem Deal 10 Prozent nach Arabien, insgesamt mehrere Millionen Euro. Bleiben soll das Geld dort aber nicht. Doyen Sport braucht es für Zahlungen, von denen offenbar keiner wissen darf.

Schmiergelder? Vor einem Bauprojekt, bei dem Nélio Lucas die Gespräche führt, fragt er den jungen Arif, ob er seine Verhandlungspartner schmieren solle - Arif Arif: "Ja, Bruder." Nur weil die Gegenseite angeblich genauso schmieren wollte, Nélio Lucas nämlich, kam es nicht dazu. Und wie sonst soll man deuten, was Lucas dem Arif-Clan zu den hohen Summen bei der Briefkastenfirma Denos erklärte? Dieses Geld gehöre nicht Doyen, "es ist für Leute, die wir bezahlen müssen". Leute, die ausdrücklich nichts "Schriftliches" wollten.

Was der junge Arif in einem Chat noch weiter erläutert: "Er (Nélio Lucas -Red.) muss Leute bezahlen, mit denen er Geschäfte macht, wenn wir kaufen und verkaufen." Das habe Lucas von Anfang an Arifs Vater klargemacht. Und Papa Tevfik habe ihm, Arif junior, gesagt, er solle sich "aus diesem Thema heraushalten, weil es dubios ist".

2014 zum Beispiel kauft die Doyen-Gruppe die Hälfte der Bildrechte des belgischen Toptalents Adnan Januzaj ein, der bei Manchester United und auch mal kurz bei Borussia Dortmund spielt. 1,5 Millionen Euro zahlt Doyen offiziell; weitere 500.000 aber sollen heimlich über Denos an den Spielerberater von Januzaj fließen - und wie Mails zeigen, von dort wohl in die Tasche von Januzajs Vater. Schwarzgeld von Doyen, um sich das Talent zu angeln?

Einmal landet Denos-Geld offenbar bei Spielerberatern, die auf zwei Seiten arbeiten, für einen Spieler und für einen Klub. Frauen aus Osteuropa lässt Nélio Lucas dagegen mit dem Geld einer maltesischen Briefkastenfirma einfliegen, die ihm persönlich gehört. Für eine der Damen, Kateryna S., findet sich ein Twitter-Account mit dem Versprechen, sie sei ein "Paradies für die Augen, die Hölle für den Verstand und ein Fegefeuer fürs Portemonnaie".

Das Reiseziel der Osteuropäerinnen sind auffällig oft Städte, in denen gerade eine Champions-League-Partie angesetzt ist. Unklar ist der Reisegrund. Begleiten sie Nélio Lucas nur, oder setzt Lucas sie gezielt für Doyen ein, um am Rande der Spiele Geschäfte anzubahnen? So wie er das offenbar in Florida vorhatte, in dem Luxusappartement der Arif-Familie mit Real-Präsident Pérez? Nélio Lucas wollte sich dazu und zu allen anderen Fragen des SPIEGEL nicht im Detail äußern, nur so viel: Er bestreite alle Vorwürfe. Auch Doyen-Sports-Chef Arif Arif, sein Vater Tevfik und sein Onkel Refik gingen auf einzelne Fragen des SPIEGEL nicht ein, ließen aber wie Lucas durch ihre Anwälte ausrichten, dass der Inhalt ihre Persönlichkeitsrechte verletze und auf falschen Annahmen beruhe.

Von dem Oligarchen-Trio aus Kasachstan, dem Spieler Adnan Januzaj, seinem Berater und seinem Vater kam keine Rückmeldung.

"Diese Football-Leaks-Scheiße"

Man kann es so sehen: Der Fall Doyen zeigt, wie sich schmutziges Geld den Weg in saubere Geschäfte sucht; so kennt man das aus Mafiafilmen, wenn die zweite oder dritte Generation weiße Kragen trägt, damit sich niemand mehr an die brutalen Anfänge erinnert. Im Fußball ist es aber wohl eher so, dass schmutziges Geld sich in einem schmuddeligen Geschäft wohlfühlt. In einem Geschäft, das nach außen hin hell strahlt, wegen der reinen Emotionen, der großen Gefühle, der tiefen Leidenschaft, die es weckt. Das ist die Täuschung, die der Branche immer noch perfekt gelingt, abends um 20.45 Uhr an den Fußballfeiertagen der Champions League.

Die Wahrheit aber ist, dass Geld nicht stinkt und dass den Klubs auch Doyen nicht stinkt, die Firma, die ihnen das große Geld verspricht. Obwohl jedem in der Branche klar sein müsste, dass man von Doyen besser die Finger lässt.

Die Geschäfte gehen deshalb weiter. TPO ist zwar verboten, der Kauf von Anteilen an einzelnen Spielern. Dagegen laufen Beschwerden bei der EU-Kommission, und Doyen hat geklagt; bisher erfolglos.

Aber Doyen wäre nicht Doyen, wenn man seitdem nicht versuchen würde, das Verbot zu umgehen. Und der Fußball wäre kein so schmuddeliges Geschäft, wenn die Fifa ihr Verbot nicht längst wieder aufgeweicht hätte. Nun gut, in einzelne Spieler zu investieren, das soll tatsächlich verboten bleiben. Aber in einen Klub, um am Ende des Jahres einen Prozentteil von allen Spielerverkäufen abzukassieren, das ist erlaubt, wie die Fifa den dänischen Verband aufklärte.

So sah ein Doyen-Vertragsentwurf von November 2015 vor, dass Doyen in Zukunft für 1,5 Millionen Euro 20 Prozent des spanischen Zweitligisten FC Cádiz kauft - und die Hälfte der Transferrechte an allen Spielern.

Auch der Hamburger Sport-Verein, stets verzweifelnd an seiner Mannschaft und auf der Suche nach einer neuen, ließ sich noch vergangenes Jahr auf Gespräche mit Doyen ein. Im März 2015 traf sich Thomas von Heesen, erst ein paar Tage vorher als Aufsichtsrat zurückgetreten, in München mit einem Doyen-Unterhändler. Das TPO-Verbot war schon beschlossen, trat zwei Monate später in Kraft. Trotzdem bot von Heesen für 12,2 Millionen Euro Anteile an sechs HSV-Spielern an, darunter Pierre-Michel Lasogga, Cléber, Jonathan Tah und Maximilian Beister.

Er berief sich auf einen angeblichen Vorschlag von Klubchef Dietmar Beiersdorfer, Spieleranteile zu verkaufen. Der Plan, den von Heesen skizzierte: Zuerst brauche man einen Vertrag, damit Doyen Sports beim HSV Anteile übernehmen könne - so weit in Ordnung. Aber offenbar sollte auch noch verhandelt werden, wie der Investor nach "dem Verkauf eines Spielers" am Gewinn beteiligt wird - genau das wäre quasi eine Umgehung des am 1. Mai 2015 eintretenden Fifa-Verbots.

Der damalige Vorstandschef Beiersdorfer war eingeweiht: Am 10. Juni 2015 schickte ihm ein Doyen-Verhandler eine Liste mit möglichen neuen Spielern für den HSV. Bei einem Profi von Sampdoria Genua hieß es: "Kaufen zwischen Doyen und Hamburg." Das wäre TPO und verboten gewesen.

Am Ende kam es zu keinem Vertrag. Warum? Der HSV bestätigt einen "Informationsaustausch mit der Doyen-Gruppe". Es sei um die "angestrebte Refinanzierung gegangen", aber am Ende habe man sich dagegen entschieden, auch wegen des TPO-Verbots der Fifa. Möglicherweise musste sich aber auch Doyen-Sportchef Nélio Lucas erst mal neu sortieren.

Im September 2015 veröffentlichte Football Leaks die ersten Doyen-Dokumente, die der Enthüllungsplattform in die Hände gefallen waren. Gut zwei Monate später schrieb Lucas seinem Anwalt: "Ich weiß nicht, ob ich dich bezahlen kann. Mit dieser Football-Leaks-Scheiße ändern sich jetzt alle Strukturen." Klang ganz so, als müsste sich Lucas erst mal wieder eine neue Struktur bauen. Vielleicht ein paar Briefkastenfirmen besorgen. Dann könnte es bald weitergehen.

Das SPIEGEL-Team zu den Football Leaks

Rafael Buschmann, Jürgen Dahlkamp, Stephan Heffner, Christoph Henrichs, Andreas Meyhoff, Nicola Naber, Jörg Schmitt, Alfred Weinzierl, Michael Wulzinger

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