E.on und RWE Das Monopol kehrt zurück

Eigentlich schien ihre Zeit längst abgelaufen, doch am vergangenen Dienstag saßen Rolf Martin Schmitz, Chef des Essener Stromkonzerns RWE, und sein E.on-Kontrahent Johannes Teyssen gut gelaunt auf der Bühne der Messehalle in Essen. Die beiden Urgesteine der deutschen Energiewirtschaft ließen sich für einen Milliardendeal feiern, den sie zuvor in nur wenigen Wochen verhandelt hatten.
Kern des Abkommens: E.on soll die erst vor zwei Jahren gegründete RWE-Tochterfirma Innogy samt ihrer Netze und ihrer 6,8 Millionen Stromkunden übernehmen. Im Gegenzug wird RWE die E.on-Sparte der erneuerbaren Energien erhalten und mit knapp 17 Prozent am ehemaligen Konkurrenten beteiligt.
Schon tags zuvor hatte die Börse die Ankündigung der beiden Konzerne mit Kurssprüngen von bis zu neun Prozent gefeiert. Auch Schmitz und Teyssen geizten nicht mit Superlativen. Das Geschäft werde RWE mit einem Schlag an die Spitze der europäischen Energieerzeuger katapultieren, jubelte Schmitz. Teyssen ließ sich gar dazu hinreißen, seinen eigenen Vertragsabschluss als einen der "kreativsten Gestaltungsdeals der deutschen Wirtschaftsgeschichte" zu loben.
Das ist stark übertrieben.
Denn schaut man sich genauer an, was die beiden Manager vereinbart haben, dann bleiben im Kern zwei gewagte Wetten auf die Entwicklung des Energiemarkts. Schmitz glaubt daran, mit konventionellen Kraftwerken und einigen Offshore-Windparks-genügend Geld verdienen zu können, um Gehälter, Pensionslasten, Dividenden und die Kosten für den Rückbau des RWE-Braunkohletagebaus aufbringen zu können. Teyssen setzt auf Netze und Vertrieb. Er ist sich sicher, mit dem An- und Verkauf von Strom, vor allem aber mit den garantierten Renditen für den Betrieb der Energienetze Umsätze in zweistelliger Milliardenhöhe einzufahren.

Gemeinsam ist beiden Plänen, dass sie einen Rückschritt in Zeiten des Monopols bedeuten - mit allen daraus resultierenden Gefahren für Politik und Verbraucher.
Deutlich wird das bei den Stromnetzen. Die von den Versorgern erhobene Nutzungsgebühr, die jeder Bürger mit seiner Stromrechnung bezahlt, steht seit Jahren in der Kritik, weil die Unternehmen offenbar zu hohe Kosten berechnen. Mehrfach hatte die Politik deshalb bereits Anläufe gemacht, die milliardenschwere Zwangsabgabe zu kürzen. Auch Teyssen zeigte sich vor wenigen Jahren noch überzeugt, dass der Geschäftszweig keine Zukunft haben werde. Damals verkaufte er in großem Stil E.on-Regionalgesellschaften samt der dazugehörigen Netze.
Nun hat sich die Lage geändert. Zusammen mit dem RWE-Netz besitzt Teyssen eine Infrastruktur, die große Teile des Bundesgebietes vor allem im Westen und Norden abdeckt. Genügend Verhandlungsmasse, glaubt Teyssen, um drohende Kürzungen abzuwenden. Am Dienstag kündigte er an, dass in Zukunft 80 Prozent des Vorsteuergewinns von geschätzt rund acht Milliarden Euro aus dem "sicheren Netzgeschäft" stammen sollen.
Auch die Pläne seines Kollegen Schmitz zielen auf eine Strategie der Stärke. Zwar betont der RWE-Manager, dass man mit den Wind- und Solarparks von E.on zu einem der größten Anbieter von regenerativer Energie in Europa aufsteigen werde. Tatsächlich aber ist der Anteil des grünen Stroms im RWE-Konzern gering. Schmitz hatte den kostspieligen Ausbau von Windparks vor zwei Jahren zusammen mit dem Ex-Konzernchef Peter Terium heruntergefahren. Nicht einmal drei Prozent des von RWE verkauften Stroms in Deutschland stammen aus regenerativen Quellen. Bei E.on sind es knapp sieben Prozent.
Schmitz verfolgt ein ganz anderes Ziel: Er will mit RWE zum größten und möglichst konkurrenzlosen Erzeuger von konventionellem Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken aufsteigen. Geld aus der Fusion will er einsetzen, um weitere Kraftwerke von Konkurrenten wie EnBW, Steag oder Uniper zu kaufen. Der Manager ist davon überzeugt, dass diese Kraftwerke noch über Jahrzehnte gebraucht werden, um Zeiten auszugleichen, in denen zu wenig Ökostrom produziert wird. Die Bereitstellung solcher Reservekraftwerke soll der Bund dann über Steuern oder eine Abgabe finanzieren. Bei einigen uralten Braunkohlemeilern, die RWE aus Gründen des Klimaschutzes stillgelegt hat, ist Schmitz dieser Coup bereits gelungen. Für sieben Jahre Bereitschaft erhält RWE rund 900 Millionen Euro.
Sollten die Pläne der Energiemanager aufgehen, würden für E.on und RWE wieder sorgenfreie Zeiten anbrechen. Für Verbraucher und die wenigen Wettbewerber hingegen wäre es ein herber Rückschlag. Der Ökostromanbieter Lichtblick will sich deshalb nicht mit dem Deal abfinden. "Durch die Megafusion ist ein fairer Wettbewerb für kleinere Unternehmen kaum noch möglich", sagt Unternehmenschef Gero Lücking. Lichtblick hat deshalb eine Anwaltskanzlei mandatiert, bei der Prüfung der Fusion durch die EU-Wettbewerbsbehörde die Interessen der Konkurrenten zu vertreten. Das Ziel: Der Deal soll untersagt oder zumindest mit hohen Auflagen versehen werden.
Das dürfte schwierig werden, wenn auch nicht völlig ausgeschlossen sein. 2009 hatte Brüssel schon einmal eine Fusion nach einem Einspruch von Lichtblick geprüft. Damals wollte Vattenfall den kleineren Konkurrenten Nuon vom deutschen Markt kaufen. Die Wettbewerbskommission untersagte große Teile der Übernahme. Sie sah den Wettbewerb in Deutschland akut gefährdet.