Umstrittene Kirchenaktion Herr Roboter, gib uns deinen Segen

Roboter BlessU-2
Foto: EKHN/ Di DioDer Auftrag, den Fabian Vogt vor gut einem Jahr erhielt, lautete: Denk dir etwas Spielerisches aus, etwas Politisches, es darf auch gern ein wenig provokant sein, für die Weltausstellung der Reformation in der Lutherstadt Wittenberg.
Fabian Vogt ist Pfarrer und Kabarettist, ein dem Leben zugewandter Mann, 50 Jahre alt. Als Pfarrer ist er in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zuständig für Kommunikationsprojekte. Er soll die Kirche wieder näher zu den Menschen bringen, soll dafür sorgen, dass die Kirchenbänke wieder voller werden, man kann Vogt also einen Reformator nennen, wie Luther damals. Dass er auch noch Kabarettist ist, ist hilfreich. Seine Reformbemühungen kommen deutlich leichter, unbeschwerter daher als die seines Vorbilds.
Nachdem Vogt den Auftrag bekommen hatte, etwas für die Weltausstellung zu schaffen, musste er nicht lange nachdenken. Er wollte einen Roboter bauen lassen, der Menschen segnet. Das schien ihm ein Projekt am Puls der Zeit zu sein. Die Idee gefiel Vogt sehr. Seine Kollegen und Vorgesetzten sahen das anders. Ihre Reaktion, in ein paar Worten zusammengefasst: huch. Darf man das?
Vogt war sehr zufrieden mit dieser Reaktion. Er ist der Meinung, dass man dorthin gehen muss, wo es wehtut, zumindest ein bisschen, wenn man etwas verändern will. Das sahen seine Kollegen schließlich auch so, und deshalb steht Vogt jetzt auf dem Rasen in Wittenberg, in der Stadtmitte, gleich hinter den roten Backsteinwänden der Exzerzierhalle. Links eine Kirche aus Holz- und Acrylglas, die LichtKirche, ebenfalls für die Ausstellung aufgebaut, und neben Vogt eine Kabine, etwas geräumiger als eine Telefonzelle. In der Kabine steht der Roboter.
Sein Name ist BlessU-2, was "Bless you too" ausgesprochen wird und zeigen soll, dass die Kirche sich auch mit dem aktuellen Social-Media-Slang auskennt.
Der Roboter wurde von einem Medienkünstler konstruiert, er besteht im Prinzip aus einem ausgemusterten Geldautomaten, Plastikteilen, hergestellt mit einem 3-D-Drucker, Metallstangen und Servomotoren. BlessU-2 besitzt schwarze Augenbrauen, die wackeln, wenn er spricht, und er hat zwei Arme, die er während des Segens ausstreckt.
Ein schöner Effekt, der regelmäßig für Diskussionen sorgt. Während des Segens schalten sich zwei Lampen in den Handflächen an und geben dem Moment etwas angemessen und unangemessen Sakrales.
Gesegnet wird in sechs Sprachen, dazu auf Hessisch, man kann wählen zwischen einer Männerstimme, die Vogt dem Roboter geliehen hat, oder einer weiblichen Stimme. Sie gehört Vogts Frau. Wählt man Italienisch als Sprache, klingt der Segen sehr weihevoll, als würde ihn der Papst persönlich sprechen. Es ist der Besitzer der "Trattoria Wilma" in Oberursel. Vogt hatte ihn mehrmals gebeten, mit weniger Pathos zu sprechen, aber das ist ganz offensichtlich unmöglich, wenn man Italiener ist und einen Segen spricht.
Vogt ist auch ein erfahrener Planer von Projekten, deswegen ist BlessU-2 kein Unikat, es gibt ihn zweimal. Der zweite Roboter ist als Ersatz gedacht. Aber bislang lief alles recht gut, abgesehen von ein paar Aussetzern, die der Roboter hatte. Als die Sommerhitze zu groß war, kam die Maschine durcheinander, hob manchmal die Arme zum falschen Zeitpunkt, sprach zu früh oder zu spät den Segen.
An diesem Montag aber sind die Temperaturen für BlessU-2 erträglich, er segnet Deutsche, Russen und Franzosen, Männer, Frauen, Alt und Jung. Die meisten stehen andächtig vor der Maschine, manche haben die Hände zusammengelegt wie zum Gebet. Vogt freut das, der Pfarrer im christlichen Glauben sei ja Sprachrohr Gottes, also ein Medium, mit der Bibel sei es nicht anders. "Gott spricht durch Menschen, durch Bücher", sagt Vogt, "warum dann nicht auch durch eine Maschine?"
Ganz gleich, welche Sprache gewählt wird, welcher Segen, der Roboter beendet seine Aufführung immer mit dem Satz: "Möchten Sie den Segen ausdrucken?" Das ist das Zeichen für Vogt oder einen seiner Kollegen zu fragen: "Und, wie war's?"
Überfordert von der Frage oder überwältigt von der Erfahrung antworten die meisten knapp: interessant. Cool. Kann ich noch mal?
Die Reaktionen in der internationalen Presse sind da eindeutiger. Evangelikale Christen in den USA verdammen den Roboter, Redakteure asiatischer Zeitungen fürchten, dass ab jetzt Pfarrer durch Roboter ersetzt werden, aber Vogt wiegelt ab. Eine Serienproduktion von BlessU-2 sei nicht geplant, obwohl er sich so etwas durchaus vorstellen könne, nicht als Ersatz, aber als zusätzliches Angebot. Vielleicht wollten manche Menschen ja lieber einer Maschine ihre Sünden anvertrauen als einem Pfarrer.
In Erinnerung geblieben ist Vogt eine alte Dame, die vor ein paar Tagen vor BlessU-2 stand, mit ihrem Enkel. Der Enkel fand den Roboter toll, seine Oma nicht. Sie fand die Maschine unangemessen, das ganze Projekt frivol. Es ist der Hartnäckigkeit ihres Enkels zu verdanken, dass sie schließlich doch vor den Roboter trat, auf das im Boden eingelassene Kreuz, das nicht dort ist, um mit Füßen getreten zu werden, sondern als schlichte Markierung dient. Genau dort muss der Mensch stehen, damit die Maschine merkt, dass es losgehen kann mit dem Segenswerk.
Die alte Dame wählte Stimme und Sprache, der Roboter begann mit seiner Arbeit und segnete sie mit ihrem Konfirmationsspruch. Als die Maschine schwieg, stand die alte Dame da, mit Tränen in den Augen. Sie zweifelte nicht mehr.
"Sehen Sie", sagte Vogt, "Gottes Werk."