Sparpolitik Die schwarze Null ist gut für Deutschland

Finanzminister Olaf Scholz will keine neuen Schulden machen. Dafür wird er kritisiert und verspottet - zu Unrecht.
Olaf Scholz

Olaf Scholz

Foto: AXEL SCHMIDT/ REUTERS

Schon der Name ist für viele eine Zumutung. Schwarze Null, das klingt nach Stillstand und nach CDU, nach Wolfgang Schäuble und Betriebswirtschaft. Kalt hört es sich an - und konservativ.

Und so ist es kein Wunder, dass sich prominente Vertreter der politischen Linken in diesen Tagen über kaum einen anderen Politiker so aufregen können wie über SPD-Finanzminister Olaf Scholz. Der sich geradezu "sklavisch an den ausgeglichenen Haushalt kettet", wie Juso-Chef Kevin Kühnert moniert. Der eine Politik betreibt, die nach Ansicht des früheren Grünenpatriarchen Joschka Fischer "spätere Generationen verfluchen werden". Der einfach weitermacht wie sein Amtsvorgänger, obwohl doch die halbe Welt die Deutschen bedrängt, mehr auf Pump zu leben. Die "rote Null" titelte diese Woche die "taz" über Scholz.

Dass die viertgrößte Industrienation der Erde eine unbarmherzige Sparpolitik ohne Rücksicht auf die Konjunktur betreibe, ist eine Geschichte, die auch hierzulande gern erzählt wird. Sie hat nur einen Haken: Sie stimmt nicht. In Wahrheit hat sich Deutschland geradezu buchstabengetreu an die Regeln des britischen Ökonomen John Maynard Keynes gehalten, der vor einem Dreivierteljahrhundert die sogenannte antizyklische Fiskalpolitik erfand. Die schwarze Null ist einer ihrer eindrucksvollsten Anwendungsfälle.

Wie es die Lehre des englischen Professors vorsieht, legte die Bundesregierung in den Jahren 2008 und 2009 ein gigantisches Konjunkturprogramm mit Abwrackprämien, Kurzarbeitergeld und Steuersenkungen auf, als die Wirtschaft nach der Finanz- und Bankenkrise dramatisch eingebrochen war. In der Folge stiegen die deutschen Staatsschulden gemessen an der Wirtschaftskraft um ein Viertel an. Internationale Organisationen wie die OECD oder der IWF lobten Deutschlands mutiges, auf Pump finanziertes Ausgabenpaket, das überraschend schnell Erfolge zeigte.

Die Wirtschaft gewann wieder an Fahrt, und die Bundesregierung konnte zu jenem zweiten Teil der keynesianischen Lehre übergehen, den nicht wenige ihrer Anhänger lieber verdrängen würden. Um den Boom nicht gefährlich anzuheizen, fuhr Berlin die staatliche Kreditaufnahme zurück; nicht abrupt, sondern allmählich, wie es im Lehrbuch steht. Dieses Jahr, so zeigt die Statistik, wird die Schuldenlast erstmals seit einem Jahrzehnt wieder unter das Vorkrisenniveau fallen.

Was bis heute als Austeritätspolitik verspottet wird, war in Wahrheit praktizierter Keynesianismus, dessen Erfolge offenkundig sind. Der Schuldenabbau schützt die nächste Generation vor übermäßigen Kreditlasten und verschafft der Regierung Handlungsspielraum, falls die Zeiten wieder rauer werden. Die gute Wirtschaftslage spült mehr Steuergeld in die öffentlichen Kassen, sodass der Staat mehr ausgeben kann. Zugleich hat die Regierung genügend Geld gebunkert, um internationale Verpflichtungen in Europa oder bei der Verteidigung zu schultern.

Notorische Defizitländer wie Italien dagegen stehen vor einem doppelten Risiko: Bricht die Wirtschaft ein, sind sie kaum in der Lage, neue schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme zu starten. Steigen die Zinsen, könnte ihre Kreditlast bald untragbar werden.

Das Problem der deutschen Finanzpolitik ist deshalb nicht die schwarze Null, es sind die falschen Prioritäten bei den Ausgaben. Zwar stellt die neue Regierung mehr Geld bereit, um marode Schulgebäude zu erneuern, Straßen zu sanieren und moderne Kommunikationsleitungen zu verlegen. Doch für eine echte Wende reicht das nicht aus. Seit Jahrzehnten nimmt der Anteil der Investitionen am Bundesetat ab, und der Trend wird sich auch unter der neuen Regierung fortsetzen. Deutschland vernachlässigt die Zukunft und lebt von der Substanz.

Stattdessen gibt die schwarz-rote Koalition wie ihre Vorgänger viel Geld aus, um ihre jeweilige Klientel mit fragwürdigen Leistungen zu erfreuen. Das Kindergeld wird erhöht, obwohl Regierungsstudien sagen, dass es unter den deutschen Familienleistungen zu den am wenigsten wirksamen gehört. Die Mütterrente soll angehoben werden, dabei kommen viele Empfängerinnen aus eher besser gestellten Seniorenhaushalten. Ein Baukindergeld wird eingeführt, das im Kern der früheren Eigenheimzulage entspricht, die wegen erwiesener Erfolglosigkeit vor Jahren schon einmal abgeschafft worden war.

Die richtigen Prioritäten beim Geldausgeben zu setzen - das ist die eigentliche Aufgabe, die sich Scholz in seiner Amtszeit stellt. Es geht darum, den Etat auf die Zukunft auszurichten. Und einen neuen Namen müsste Scholz seiner Politik auch endlich geben. Der Streit über die schwarze Null sollte ausgestanden sein.

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